Von Isolation zur Kooperation

Jubiläumstreffen zu 50 Jahre Leuenberger Konkordie (1973-2023) in Klausenburg/Cluj-Napoca

Danksagung – Barbara Rudolph, Bischof Kato, Bischof Kovacs, Dr. Szabolcs Kato, Pfr. Gerhard Servatius-Depner, Prof. Dr. Jerzy Sojka, Prof. Dr. Thomas Andreas Poder und Rektor Sandor Kovacs

Bischof Reinhart Guib

Studenten Fotos: privat

Die Einheit in versöhnter Verschiedenheit der Protestantischen Kirchen wurde am 10. November 2023 am Protestantisch-Theo-logischen Institut in Klausenburg/Cluj-Napoca sicht- und greifbar. Wie an vielen anderen Orten Europas wurden in diesem Jahr 50 Jahre seit der Unterzeichnung der Leuenberger Konkordie gefeiert. Die Konkordie ist ein grundlegendes ökumenisches Dokument, das im März 1973 im Schweizer Tagungshaus Leuenberg bei Basel erarbeitet wurde. Erstes Ziel der Konkordie war es, die jahrhundertealte Kirchenspaltung zwischen reformierten und lutherischen Kirchen zu beenden und Kirchengemeinschaft zu schaffen.

Kirchengemeinschaft im Sinne der Leuenberger Konkordie bedeutet, dass Kirchen verschiedenen Bekenntnisstandes ein-ander aufgrund der gewonnenen Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums Gemeinschaft an Wort und Sakrament gewähren und eine möglichst große Gemeinsamkeit in Zeugnis und Dienst an der Welt anstreben. Im Dokument – und auch in jedem Gespräch darüber – wird die Gemeinschaft betont, die dadurch unter den lutherischen, reformierten, unierten methodistischen und altprotestantischen Kirchen Europas hergestellt wurde. Die Konkordie von 1973 ist ein sehr wichtiger historischer Schritt der Ökumene gewesen. Sie bleibt jedoch nur dann aktuell und authentisch, wenn aus einem Zustand der Isolation eine fruchtbare Kooperation entsteht. Dass das Umsetzen der Konkordie eine bleibende Aufgabe ist, zeigen die Herausforderung durch die ethnische, sprachliche und kulturelle Vielfalt des Protestantismus in Europa, die Situation der Minderheitenkirchen oder aber die Erfahrung von schrumpfenden Kirchen. Es war in dieser Hinsicht eine überraschende Erfahrung in Klausenburg, dass zwar die Situation in den verschiedenen Regionen unterschiedlich ist, aber trotzdem ähnlich.
Das Zentrum Evangelische Theologie Ost (ZETO) hat dieses internationale Treffen gemeinsam mit der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) und dem Protestantisch-Theologischen Institut in Klausenburg, einem würdigen Gastgeber, organisiert. Die Mehrheit der zeitweilig über hundert Anwesenden kam aus Rumänien. Es waren Vertreter und Vertreterinnen aller historischen Protestantischen Kirchen präsent: reformiert, lutherisch, evangelisch A.B., methodistisch und unitarisch.
Das Treffen begann mit einem beeindruckenden Abendmahlsgottesdienst. Bischof Béla Kató von der Reformierten Kirche in Rumänien (Siebenbürger Distrikt), hat über Sacharja 2 gepredigt. Er unterstrich dabei, dass ohne die Herrlichkeit Gottes nichts für den Einzelnen, für die Kirche oder für das Leben bleibt, selbst wenn wir uns mit der besten und stärksten Sicherheit umgeben. Mit der göttlichen Kraft der Versöhnung, der Vergebung und der Liebe öffnen wir hingegen die Türen unserer Herzen und die Fenster unserer Seelen. „Wir sollen“, so Bischof Kató, „uns nicht verschließen, sondern unser Leben vor Gott und unseren Mitmenschen öffnen. Mit unserer Offenheit und Freiheit können wir die Offenheit der Liebe Gottes in dieser Welt ausstrahlen“. Die Liturgie hielt Dozentin Timea Benkö von den Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Rumänien, das Abendmahl leitete Prof. Sándor Béla Visky.
Nach dem Gottesdienst sprach Rektor Dr. Sándor Kovács die Begrüßung seitens des Gastgebers. Aus dem Grußwort von Dr. Klára Tarr-Cselovszky (Budapest/GEKE) zitierte Dr. Stefan Cosoroab² (Wien/GEKE). Darin wurde betont, dass jede Kooperation Mut, Vertrauen und Zeit braucht. Es sei auch heute von besonderer Bedeutung, dass die verschiedenen Kirchen miteinan-der in Frieden leben können. Das 50. Jubiläum der Leuenberger Kirchengemeinschaft ist darum ein sehr schöner Anlass, dass die immer reifer und reicher werdende Zusammenarbeit der Kirchen sichtbar wird.

Mehrere Statements zu der Frage, wo wir als Kirche in der Ökumene heute stehen, brachten sodann Bischof Belá Kató im Namen des Siebenbürgischen Distrikts der Reformierten Kirche in Rumänien. Für den Westdistrikt sprach Kirchenrat József Levente Ghitea-Szabó aus Großwardein/Oradea. Dozentin Timea Benkö las aus dem Grußwort des Bischofs Dezsö Zoltán Adorjáni seitens der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Rumänien. Es folgten Bischof István Kovács von der Unitarischen Kirche in Rumänien und Bischof Reinhart Guib von der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien. Ebenfalls kamen Bischof Rolf Bareis von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Georgien und dem Südlichen Kaukasus und Superintendent Rareș Călugăr seitens der Evangelisch-Methodistischen Kirche in Rumänien zu Wort, schließlich Dr. Svetlana Vojnici-Feldi von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kroatien. Moderiert wurde dieser Teil der Konferenz vom Leiter des ZETO, Pfarrer Gerhard Servatius-Depner, der auch für Planung und Organisation der Tagung zuständig war. Nach dem Mittagessen in der Mensa folgten die beiden Hauptreferate zur Bedeutung der Konkordie für die Kirchen in Europa. Diesen Teil moderierte Prof. Dr. Szabolcs Kató vom Klausenburger Institut, Mitorganisator und Vertreter des Gastgebers. Prof. Dr. Thomas-Andreas Põder (Tallin/GEKE) machte der Zuhörerschaft klar, dass es Ziel der Leuenberger Konkordie sei, „die Realität einer lebendigen, sich verwirklichenden Gemeinschaft der Kirchen in Gegenwart“ abzubilden. Ihre Bedeutung wird nicht ausreichend verstanden, wenn sie nur als Ergebnis ihrer Vorgeschichte betrachtet wird. „Vielmehr gehört es zur Bedeutung der Konkordie“, so Prof Põder, „einen gemeinsamen Weg zu eröffnen. Sie ist heute weiterhin im Vollzug und in Anwendung als die konkrete Lebensgestalt der Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen in Europa. Die GEKE will werden, was sie im Zeichen des Kreuzes demütig und selbstkritisch schon ist – ein Werkzeug und Zeugnis der in Christus versöhnten Menschheit samt der gesamten Kreatur.“ Eine nationale Konkretion brachte Prof. Dr. Jerzy Sojka (Warschau/LWB) zu Gehör. Er sprach in seinem Referat nicht nur über die Bedeutung des Dokumentes von 1973, sondern auch über ein wenige Jahre davor gefeiertes 400. Jubiläum, und zwar des Konsenses von Sandomir (1570) im Jahr 1970. Bei dem Jubiläum wurde appelliert, „diesen Akt der Erneuerung des Konsensus in den Kontext allgemein verstandener Aktivitäten für die Einheit der Kirche zu stellen und den Konsensus von 1570 als Anstoß für die Einheit aller protestantischen Konfessionen in Polen zu nehmen.“ Die Leuenberger Konkordie zeigte nur drei Jahre später, dass sie in Kontinuität mit den Glaubensbekenntnissen der Reformationszeit steht. Prof. Sojka nannte zuletzt einige Beispiele von gelungener Kooperation in Polen, unter anderem gemeinsame Projekte im Bereich der Diakonie, der Mission und der Katechese.

Nach den Referaten wurde in drei nach Sprachen geteilten Gruppen über die Perspektiven der Zusammenarbeit trotz Unterschieden weitergedacht. Das abschließende Plenum fragte nach „Perspektiven für uns als protestantische Kirchen in der Region“. Die Abschlussandacht, musikalisch von Bischof Bareis (Georgien) an der Trompete begleitet, hielt Oberkirchenrätin Barbara Rudolph (Rheinland/GEKE). Es wurde für Frieden und eine Gemeinschaft in Liebe gebetet. Es bleibt die Hoffnung, dass der gegenseitige Respekt und die geschwisterliche Anerkennung zwischen verschiedenen Protestantischen Kirchen weiterwachsen und ein gutes Beispiel der Zusammenarbeit für Europa sein können.