„Wächst, aber altert nicht“

Sofia – eine Hauptstadt, die für mehr Touristen werben will

Denkt man an unser südliches Nachbarland Bulgarien, so fallen einem zuerst die Schwarzmeerküste mit Namen wie Albena, Sunny Beach und Nessebar ein, sowie die Gebirge (Rhodopen, Rila-Pirin und Balkan) als ein noch nicht vom Massentourismus bedrohtes Wandergebiet. Selbst beim Städtetourismus könnten Plovdiv und Weliko Tarnowo der Hauptstadt durchaus ernste Konkurrenz machen. Sofia rechnet aber, wie auch ganz Bulgarien, verstärkt damit, vor allem nach dem EU-Beitritt (1. Januar 2007, zusammen mit Rumänien) sich EU-Touristen als interessantes Reiseziel anzubieten.

Eine Hauptstadt im Wandel

Diese Hoffnungen könnten sich erfüllen, denn Bulgariens Hauptstadt hat Vieles zu bieten. Auf den ersten Blick fallen einem die zahlreichen orthodoxen Kathedralen und Kirchen auf. Am bekanntesten ist durch ihre Monumentalität die im neobyzantinischen Baustil errichtete Alexander-Newski-Kathedrale.

Sie ist nicht alt (im nächsten Jahr wird ein Jahrhundert seit ihrer Fertigstellung gefeiert), gilt aber als Wahrzeichen von Sofia. Indirekt  hat sie auch einen Bezug (außer dem gemeinsamen orthodoxen Glauben) zu Rumänien: Sie ist neben dem Gedenken an den russischen Zaren Alexander II. und rund 200.000 seiner Soldaten auch den rumänischen Soldaten gewidmet, die im russisch-türkischen Krieg 1877-78 in Bulgarien gefallen sind.

Ein besonderes Ereignis ist das rund eine Viertelstunde dauernde Glockenspiel der 12 Glocken dieser bulgarischen Patriarchenkathedrale. In Sofia gibt es übrigens in der Pirotska-Straße, in Nachbarschaft der Sofia-Synagoge, auch eine rumänische orthodoxe Kirche.

Rumänische Touristen habe ich allerdings in Sofia nicht bemerkt. Manches hätte sie da auch an Bukarest erinnert, allerdings eher im negativen Sinne: Man  stößt gelegentlich auf Straßenhunde, der Verkehr ist groß und zäh, manche Straßen und Gehsteige müssen ausgebessert werden.

Es wird viel gebaut oder umgebaut, von Gebäudesanierungen bis Straßenunterführungen, die Untergrundbahn wird erweitert. Die  Spuren der römischen Vergangenheit (Sofia hieß damals „Ulpia Serdica“ und erlebte seine Blütezeit unter Trajan) in Form von alten Mauern sind z. B. in der Metro-Station Serdika in gut restauriertem Zustand zu sehen. Was den Touristen nicht leicht fällt, ist, sich auf das kyrillische Alphabet umzustellen.

Viele Straßen- und Platznamen sind zwar auch in englischer Übersetzung angegeben, trotzdem hat man seine Schwierigkeiten in Geschäften oder sogar in manchen Restaurants alles auf Bulgarisch schnell zu lesen und auch zu verstehen. Englisch wird vor allem in Hotels und Museen gesprochen, auf der Straße aber weniger. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten sind jedoch auf Bulgarisch und Englisch gut gekennzeichnet, wobei das touristische Infozentrum in der Passage zur Kliment Ohridski-U-Bahnstation wirklich hilfreich ist. Nur muss man eben zuerst darauf stoßen.

Eine bulgarische Besonderheit kann ich bestätigen: Kopfnicken signalisiert Nein. Auf die Frage, ob er mir einen Stadtplan geben könne, nickt der Verkäufer lächelnd. Als ich ihm das Geld reiche, wird das Nicken heftiger, bis mir klar wird, dass bei ihm nur Zeitungen, Fahrkarten und Zeitschriften zu kaufen sind.

Die Bojana-Kirche

„The door is very small!“ („Die Tür ist sehr klein!“) wiederholt der ältere Führer vorsorglich immer wieder, wenn er die Touristen in die Bojana-Kirche hineinlässt. Das geschieht nur in kleinen Gruppen und dann nur für 10 Minuten, denn es gilt, die wertvollen Innenwandmalereien (die schönsten stammen aus dem Jahr 1259), zu schonen.

Ihretwegen wurde dieses Baudenkmal in Sofias Vorort Bojana am Fuße des Vitoscha-Gebirges 1979 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Es handelt sich um das Werk eines nur mit dem Vornamen Vasilii bekannt gebliebenen „Zographen“ (Malers) – praktisch ein Vorläufer der europäischen Renaissance durch seine Maltechnik, die erstmals die Individualität der Porträtierten, Gesichtsausdruck und Seelenzustand, (vor allem der Stifter Sebastokrator Kalojan und seine Frau Desislava, und das Zarenehepaar Konstantin Tich der Stille, und Irina) wiedergibt.

Hier, in der kleinen Kapelle, die der Sebastokrator (zweitwichtigster Titel in der damaligen bulgarischen Staatshierarchie) in seiner Festung im Schutz der Wälder vor den byzantinischen Heeren errichtet hat, wird man auch an die Klöster der Moldau oder in Serbien erinnert. Nur ist Bojana älter, was man aber an den lebendigen, kräftigen Farben nicht merkt. Die Hinfahrt nach Bojana ist nicht so einfach. Zum Glück gibt es in Sofia Sammeltaxis – Kleinbusse, die man heranwinkt und die für 1,50 Leva (das sind 3 Lei) einen auf der ausgeschriebenen Fahrtroute schnell befördern.

Vitoscha

Ein Besuch in Sofia sollte unbedingt mit einem Ausflug auf den Hausberg der bulgarischen Hauptstadt, Vitoscha, verbunden werden. Der über 2000m hohe Berg liegt rund 25km weit entfernt, verfügt über gut markierte Wandertrassen und über mehrere Seilbahnen. Die bekannteste ist jene, die aus Simeonovo (ein anderer Sofia-Vorort) zur Aleko-Schutzhütte (1810m Höhe) fährt. Eine Fahrt in den kleinen Kabinen kostet 8 Leva.

Dabei hat man eine schöne Sicht auf Sofia und kann, wenn man bei der Zwischenstation aussteigt, auf einen Sessellift wechseln, der einen sehr nahe an den höchsten Gipfel (Cherni vrah, 2290m) bringt. Vitoscha wurde bereits 1934 zum Nationalpark erklärt, um Flora und Fauna zu schützen aber auch wegen eines geologischen Phänomens   – „steinerne Flüsse“ bei den Goldenen Brücken („Zlatni mostove“) - riesige Geröllbrocken, die von oben ins Tal  rollten.

Beim Wandern habe ich Ende März noch an manchen Bäumen weiß-rote Schnürchen angebracht gefunden. Es ist auch eine Form von Märzchen (mărţişor) –   sie werden als Frühlingssymbol und Glücks- und Gesundheitsbringer sowohl von Männern als auch von Frauen getragen, werden aber auch an knospende Bäume geknüpft. Wasserfälle und Seen gibt es auf Vitoscha, sowie gute Bedingungen für Mountainbiking oder für Reittouren.

Im Winter bis April herrschen gute Skifahrtmöglichkeiten. Mit einem Wort – wenige Hauptstädte in Europa haben das Glück, in direkter Nachbarschaft so eine leicht zugängliche und schöne Gebirgslandschaft zur Verfügung zu haben. Für die rund 1,2 Millionen Einwohner der Hauptstadt, aber auch für zahlreiche Touristen eine perfekte Abwechslung zum hektischen Großstadtleben.

Sofia entwickelt sich, wird immer attraktiver für Investoren und kann auch Touristen auf sich neugierig machen. Bulgariens Hauptstadt hat wohl nicht zufällig „Wächst, aber altert nicht“ als Motto.