Was heute ein erfülltes Leben ist

Spieglein, Spieglein nach der Wend‘, wer ist der Reichste im Parlament?

Foto: sxc.hu

In Reschitza hieß es zu jenen Zeiten, als Arbeit noch eine Ehre war und nicht selten der Enkel an der Seite des Großvaters in derselben Abteilung, oft sogar in derselben „Mannschaft“ und beim selben „Maasta“ seine Berufskarriere begann, ein anständiger (also guter) Arbeiter müsse in seinem Berufsleben imstande sein, sich ein Haus zu bauen und seine Frau bei Kindern und Herd zu halten. Man versteht: Die Frau, die selbst angestellt war, brachte den berufstätigen Mann in die Gefahr, für unfähig zu gelten. Wer sich die Reschitzaer Altstadt vom ehemaligen Arbeiterheim bergwärts – eigentlich in jedwelcher Richtung, also auch talwärts bis zum Hüttenwerk – anschaut, wird den architektonischen Ausdruck dieser von Arbeit geprägten Mentalität sehen.

Heute heißt es in dem von einem ganz anderen Kapitalismus geprägten Rumänien, dass ein Mensch ein erfülltes Leben hatte, wenn er eine Eigenwohnung besitzt – ziemlich egal, ob ein Appartement in einem von den Kommunisten errichteten Plattenbau, ein Haus oder eine Villa. Ist er Eigentümer mehrerer Wohnungen, Villen oder Häuser (einschließlich Ferienhäuser), dann wird er zweifelsfrei als vermögend oder reich bezeichnet und sozial auch so angesehen. Ein erfülltes Leben, das hat er dann sowieso.

Wendehalsigkeit und  Langzeitregieren zahlen sich aus

Wenn man die Vermögenserklärungen der am meisten zitierten Politiker Rumäniens durchforstet, dann kann man ziemlich problemlos ein Top20 der vermögendsten Politiker Rumäniens aufstellen. Oder derjenigen, die nach der Wende auf ein erfülltes Leben zurückblicken dürfen. Dass dieses Bild nicht als absolut und endgültig betrachtet werden kann, versteht sich ebenso, wie dass es wohl in nicht wenigen Fällen auch bezweifelt werden kann.

Wie urteilt man beispielsweise im Fall von Immobilienvermögen dieser Politiker, das nicht ihnen ganz gehört, wo sie nur Teilbesitzer sind oder wo die Häuser, Villen usw. auf dem Namen ihrer Ehefrauen im Grundbuch eingetragen sind (oder diverser „Tanten Tamara“, wie der hinlänglich medial breitgeklopfte Fall des Ex-Premiers Adrian Năstase), wie schätzt man möglichst objektiv ihren – in vielen Fällen nicht unbeträchtlichen – Grundbesitz usw. ein?

Damit soll nur gesagt sein, dass die Schätzung von Vermögenswerten der Politiker, trotz verpflichtender Transparenz der alljährlich verordneten handschriftlichen Aktualisierung von Vermögenserklärungen der „öffentlichen Personen“, viele Fragen und Schwierigkeiten auftut und dass also jede solche Schätzung auch (ungewollten?) Unterlassungsfehlern unterworfen ist.

Ebenso die (verpflichtende) Offenlegung ihrer Geldanlagen auf Bankkonten, wo unweigerlich „an Dritte ausgeliehene Summen“ bzw. „von Banken geliehene Kredite“ auftauchen, die mit Schläue und Hintertriebenheit zur Verwirrung der Neugierigen führen. Doch darüber vielleicht ein andermal.
Fakt ist, dass laut Vermögenserklärungen zwei Politiker den Top20 der vermögendsten Politiker anführen: Verteidigungsminister Gabriel Oprea und UDMR-Senator Attila Verestoy .

Der Parteichef der Wendehälsepartei UNPR, Verteidigungsminister Oprea, ein Drei-Sterne-General, der aus der Intendantur des Herres kommt – die er zeitweilig auch geleitet hat (die satirische Zeitschrift „Ca]avencu“ nennt ihn konsequent den „Unterhosen- und Sockengeneral“) – und der Massakrierer der Wälder der Westhänge in den Ostkarpaten, Verestoy, besitzen jeweils sieben Wohnungen. Oprea ist Besitzer von zwei Appartements, drei Wohnhäusern und zwei Ferienhäusern, der Langzeitsenator der Ewig-Regierungspartei UDMR (sie ist schon bald 20 Jahre an der Macht), Verestoy Attila, besitzt fünf Appartements, ein Wohn- und ein Ferienhaus.

Năstase ohne „patru case“

Auf Rang drei der Spitzenpolitiker im Top20 (die Liste ist ursprünglich von der Online-Publikation EconText zusammengestellt worden, die laufend solcherart Analysen, u. a. der Vermögenserklärungen von Bürgern Rumäniens veröffentlicht, die an exponierter Stelle tätig sind) liegt Ex-PNL-Premier Călin Popescu-Tăriceanu mit sechs Wohnungen. Dieses Trio hebt sich von allen anderen in puncto Wohnungsbesitz ab. Denn PSD-Chef Victor Ponta, ein Ex-Staatsanwalt und Schwiegersohn des Ex-Landwirtschaftsministers und passionierten Jägers Ilie Sârbu (der aus dem Banater Bergland – dem Bistra-Tal nördlich von Karansebesch – stammt, Theologie studierte und Chef der PSD Temesch ist), also Ponta besitzt „nur“ drei Wohnungen (zwei Appartements und ein Wohnhaus).

Überraschend die aktuelle Platzierung des Juristen, Ex-Premiers und Ex-PSD-Chefs Adrian Năstase (Spitzname in den 90er Jahren in der Bukarester Skandalpresse: „Năstase patru case“/Năstase vier Häuser). Năstase scheint laut seiner Vermögenserklärung verarmt zu sein, denn dort führt er nur noch zwei Wohnungen an. Allerdings ist bekannt, dass er sich offensichtlich umorientiert hat: Er sammelt intensiver Gemälde, Kunstgegenstände und Schmuck, nicht zuletzt auch weil deren Wertsteigerung seit der Finanz- und Immobilienkrise unvergleichlich größer ist.

Die weiteren Politiker des Top20, die alle mit je zwei Wohnungen (die auf ihren Namen im Grundbuch eingetragen sind) geführt werden, sind: Senatschef und Ex-Innen- und Verwaltungsminister Vasile Blaga, Raumordnungs- und Tourismusministerin Elena Udrea, Premier und Ex-Bürgermeister von Klausenburg Emil Boc, die mit der Arithmetik auf Kriegsfuß stehende Parlamentspräsidentin Roberta Anastase (die angeblich in diesem Frühjahr heiratet), der Poet, Ex-UDMR-Chef und Vizepremier Béla Márkó , UDMR-Chef und Kulturminister Kelemen Hunor, Umwelt- und Forstminister, UDMR-Vize und -Urgestein László Borbély, der durch seine rumänischsprachlichen Ausrutscher sprichtwörlich gewordene Bukarester PSD-Bezirkschef und Bezirksbürgermeister Marian Vanghelie, der Ex-PSD-Chef, zweieinhalbmalige Ex-Präsident und Drahtzieher des Umsturzes vom Dezember 1989 sowie der Bergarbeiterstürme auf Bukarest, der 81-jährige Ion Iliescu (der von sich selber sagt, er sei „sărac şi cinstit“/„arm und ehrlich“), Varujan Vosganian, ein talentierter Schriftsteller und wortgewaltiger Ex-Wirtschaftsminister der PNL-Regierung von Călin Popescu-Tăriceanu, PNL-Chef und Ex-Jugendminister Crin Antonescu (von dem es in den Bukarester Medien heißt, dass er nie ausgeschlafen sei), einer der PNL-Drahtzieher und Ex-PNL-Sprecher, der Jurist Puiu Haşotti, der Unternehmer und PC-Strippenzieher Dan Voiculescu, bekannt auch als Ex-Securitate-Informant „Felix“, sowie der Präsident und durch seine Rücksichts- und Taktlosigkeit sowie Rüpelhaftigkeit zum Auslöser der gegenwärtigen landesweiten Protestbewegung gewordene Traian Băsescu und der Bukarester Oberbürgermeister und Chirurg Sorin Oprescu.