Wie die PSD dem Rechtsstaat und der Demokratie die Särge zimmert

Im Mittelpunkt steht allein das Schicksal Dragneas / Gefährliches Manöver für Johannis

Kurz vor Jahresende hatte der Autor dieser Zeilen im Hinblick auf das neue Jahr und die rumänische Innenpolitik geschrieben, dass allem Anschein nach der damalige Premierminister Mihai Tudose es seinem Vorsitzenden Dragnea nicht erlaubt, ihm so einfach auf der Nase zu tanzen. Dass damit auch eine gedämpfte Hoffnung verbunden war, dass die Regierung nicht unbedingt alles umsetzen wird, was der Hauptbösewicht in der PSD-Zentrale will, dürfte klar gewesen sein.

Zwei Wochen und ein Skandal um die unbeholfene Gemeindeschulsekretärin Carmen Dan später nahm Tudose seinen Hut, weil er den internen Machtkampf in der Sozial-Demokratischen Partei rasch verloren hatte. Und an seine Stelle soll eine Unbekannte nachrücken, eine Landsfrau von Liviu Dragnea, aus dem Kreis Teleorman stammend, die seit fast neun Jahren im Europäischen Parlament sitzt, ein peinliches Englisch spricht und in Brüssel, so erzählt man sich, nur durch die viele Rumänen kennzeichnende große Einkaufslust aufgefallen ist.
So kann man sich also hierzulande täuschen. Denn jeder halbwegs vernünftige Mensch hätte annehmen dürfen, dass nach dem Rauswurf Sorin Grindeanus im Sommer 2017 die PSD nicht noch einmal ein solches Trauerspiel riskiert und doch noch zur Räson gekommen ist. Es kam wie immer anders. Die PSD hält ihrem Vorsitzenden die Treue und opfert jeden, der gegen Dragnea aufbegehrt. Es ist schon bemerkenswert, dass die Regierungspartei, trotz einer derart turbulenten Zeit wie sie sie wahrscheinlich nur noch 1997 (nach dem Machtverlust von 1996) oder 2005 - 2006 (als der allmächtige Adrian N²stase gefallen ist) erlebt hat, geeint zu bleiben scheint. Niemand verlässt das Schiff, niemand flüchtet zu anderen Parteien, niemand wagt Neugründungen.

Insofern erinnert die PSD unter Liviu Dragnea ein bisschen an ein südamerikanisches Kartell, zumindest was die scharfe Einhaltung von Verhaltensregeln und die unbedingte Loyalität zur Spitze anbelangt. Aber das tat die Sozialdemokratische Partei schon immer, deshalb konnte sie bei fast allen Wahlen größere Erfolge verbuchen als die dauerzerstrittene Opposition. Und deshalb erlaubt sie sich auch dieses Mal ins Fettnäpfchen zu treten, ohne jede Rücksicht auf innen- und außenpolitische Verluste. Sie hat noch einmal bewiesen, dass sie sich keinen Deut um das Wahlvolk und dessen Meinung schert, sie hat es einfach nicht nötig. Es geht ihr und ihrem Vorsitzenden nur darum, eine Mannschaft auf die Beine zu stellen, die buchstabengetreu das macht, was von ihr verlangt wird. Und dabei dem Rechtsstaat und der Demokratie die Särge zimmert, auf dass das von der EU dem Land auferzwungene und halbwegs funktionierende Gerichtswesen, auf dass Rechtsstaat und Demokratie vergessen und begraben werden.

Sechs Monate ging das mit Grindeanu, weitere sechs Monate ging das auch mit Tudose. Beide Männer kochten schließlich ihr eigenes Süppchen und wurden für Dragnea, der sich wahrscheinlich nur noch vor seiner möglichen zweiten Verurteilung fürchtet, zu gefährlich. Sie wurden geschasst, der erste, weil er angeblich das alberne Regierungsprogramm nicht schnell genug umgesetzt hat, der zweite, weil er mit der Innenministerin nicht mehr zurechtkam, und diese soll ja bekanntlich eine wichtige Stütze des Dragnea-Systems sein. Aber im Grunde geschah das nur deshalb, weil die von Dragnea gewollte Justizreform noch nicht unter Dach und Fach ist und der rege Widerstand gegen diese noch nicht gebrochen werden konnte.
Man schaue sich die Innenministerin genau an. Man schaue sich auch die ernannte Premierministerin Vasilica Viorica Dăncilă an. Man schaue sich viele andere Sozialdemokraten an, die von Dragnea groß gemacht worden und ihm heute untertänig sind. Arbeitsministerin Lia Olguţa Vasilescu, Finanzminister Ionuţ Mişa, selbst die Bukares-ter Oberbürgermeisterin Gabriela Firea-Pandele. Oder Vizepremierminister Paul Stănescu, Interimsregierungschef Mihai Fifor oder PSD-Generalsekretär Niculae Bădălău. Nicht vergessen darf man in dieser Riege den Trottel vom Dienst, SenatorŞerban Nicolae, ursprünglich Arbeiter in der Bukarester Fabrik für Feinmechanik, später Anwalt und einer der großen Justizreformer der PSD.

Nicht das sozialdemokratische Credo eint diese Damen und Herren, sondern ihre äußerst dürftige Bildung, ihre peinlichen Lebensläufe, ihre erkauften Diplome und Titel, mit entsprechenden Plagiatsvorwürfen, ihre lächerliche Ideenlosigkeit, ihr unsägliches Dauergeschwätz. Die Tatsache, dass sie im Grunde nichts können. Dass sie von Beruf nur Politiker sind. Ein Beruf, der keiner ist. Weil sie aber loyal waren, bekleiden sie jetzt hohe Ämter, spielen jene Rollen, auf die sie ihr mittelmäßig gebildeter, doch politisch hoch versatiler Strippenzieher verteilt hat. Und irgendwie fühlt man sich an den Hof Nicolae Ceauşescus erinnert, solche Figuren gab es auch dort, nur hießen sie eben anders. Carmen Dan, Viorica Dăncilă und all die anderen hätten zweifelsohne auch vor der Wende dieselbe Karriere gemacht.

Nun, das Übel ist getan, das Land wird bald von der ersten Frau in seiner Geschichte regiert, das Kabinett Dăncilă soll am 29. Januar den Segen des Parlaments bekommen. Die Dame ist ja, so ihr politischer Ziehvater, zivilisiert, nicht konfliktuell und sehr gesprächig. Außerdem verfüge sie über viel Erfahrung in der Europapolitik, wo sie, wie gesagt, seit fast neun Jahren die Hinterbank im Europaparlament gedrückt hat. Ob ihrer Regierung dieselben Schreckensgestalten angehören werden wie dem Tudose-Kabinett, ist inzwischen von geringer Bedeutung. Die PSD erweist sich als unerschöpfliches Reservoir politischer und wirtschaftlicher Inkompetenz, bis zum regulären Wahltermin in fast drei Jahren kommt sowieso fast jedes Parteimitglied an die Reihe und darf dann für ein paar Monate zumindest ein Ministerium leiten.

Verblüffend an der ganzen politischen Misere des Jahresanfangs bleibt zweifelsohne das Verhalten des Staatspräsidenten. Klaus Johannis hat durch seinen allzu rasch erteilten Auftrag an Viorica Dăncilă, die Regierung zu bilden, sehr viele seiner Anhänger enttäuscht und höchstwahrscheinlich auch jenen Teil der Justiz und der Nachrichtendienste brüskiert, die ihm die Treue halten und den Antikorruptionskampf noch nicht aufgegeben haben.

Nur, hätte Johannis, wie seinerzeit Sevil Shhaideh, Frau Dăncilă abgelehnt, hätte er damit rechnen können, dass die PSD Carmen Dan zu ihn schickt. Oder dass sie bereits mit seiner Amtsenthebung begonnen hätte, die Rumänien in eine noch tiefere Krise gestürzt und dem zweiten Bösewicht der Regierungskoalition, dem Senatsvorsitzenden Călin Popescu Tăriceanu, erlaubt hätte, in dem Monat als Interimspräsident dem Justizwesen kaum reparable Schäden zuzufügen und unter Umständen sogar den Weg für einen Premierminister Dragnea vorzubereiten. Auch wenn nachher Johannis zurückgekehrt wäre. Trotz des strategischen Kalküls aber, das sich der Präsident gemacht hat und das durchaus eine rationale Grundlage hat: Klaus Johannis ist seiner Wählerschaft und dem Volk ein Zeichen schuldig, er muss beweisen, dass seine Passivität nur einem taktischen Manöver gedient hat und nicht zur politischen Daueroption wird. Sollte er eine zweite Amtszeit anstreben, darf Johannis keinesfalls das Bild des auf Schloss Cotroceni ausharrenden Staatsnotaren abgeben.

Am Ende bleiben doch noch ein paar Fragen offen, man wird wohl mit ihnen leben müssen: Was denkt Japans Premierminister Shinzo Abe, der bei seinem Besuch in Bukarest keinen Amtskollegen vorfand, der ihn hätte empfangen können? Hat es ihm im Dorfmuseum von Bukarest gefallen? Kommt er wieder? Wenn er mit der für 2019 geplanten Abdankung des Kaisers von Japan nicht alle Hände voll zu tun hat und sich ein bisschen beeilt, könnte er vielleicht Frau Dăncilă noch im Amt erleben.