Wie effizient ist der Kampf gegen Drogen in Rumänien?

Können harte Strafen allein das Problem tatsächlich lösen?

Jugendliche sind besonders anfällig für gefährliche Drogenexperimente. Was ist wirksamer – Aufklärung oder abschreckende Strafen?

Droge oder Heilmittel? Cannabis gab es früher in jedem rumänischen Hausgarten - für die Herstellung von Hanfgewebe, aber auch von Süßspeisen. Noch heute trifft man an so manchem Straßenrand in der Dobrudscha wilde Hanfpflanzen an...

Schlafmohn kann Ausgangsprodukt für Drogen, aber auch für Medikamente gegen Schlafstörungen, Schmerzen und Unruhe sein.

Das Problem der Drogen in Rumänien sorgt in letzter Zeit immer häufiger für Schlagzeilen. Unlängst wurde es sogar im Nationalen Sicherheitsrat (CSAT) als Bedrohung für die nationale Sicherheit diskutiert. Gleichzeitig schaffen es die Medien, aus Einzelereignissen ein wahrhaftiges Mythos zum Drogenkonsum zu schaffen, denen der unkundige Gesetzgeber nur durch härtere Strafen und inkohärente Versprechungen zu zahlreichen Maßnehmen entgegenzukommen weiß, fast ohne jedwelche Auflärung zu den unterschiedlichen Drogentypen, und sicherlich ohne spezifische Lösungen für die unterschiedlichen Teilnehmer am Drogenmarkt und deren Altersgruppen, so wie wir es etwa in zahlreichen anderen EU-Ländern sehen. 

Obwohl im Gespräch zum Drogengesetz angeblich die Strafen für „Drogendealer“ verschärft werden, vergisst man zu sagen, dass auch die Nutzer, sei es für therapeutische oder entspannende Zwecke, gleichermaßen bestraft werden. Alles wird pauschaliert, alles in einen Topf geworfen und alles strengstens bestraft. Aber wird Strafe allein das Drogenproblem in Rumänien lösen?

Was sind eigentlich Drogen?

Ein Laie wird darunter in der Regel ein Rauschmittel verstehen, welches den Nutzer in eine Art Trance versetzt, die ihn unter Umständen bedauernswerte Taten verüben lässt und ihn süchtig macht. Teilweise wahr, insbesondere für sogenannte Hochrisikodrogen: Wirkstoffe oder psychotrope Stoffe, die allein oder als Bestandteil sonstiger Produkte wie Zigaretten oder Kuchen auf das zentrale Nervensystem einwirken und das Erleben, die Befindlichkeit und die Wahrnehmung der Person beeinflussen. In diese Kategorie fallen beispielsweise Heroin, Kokain, Extasy, LSD, aber insbesondere neue psychoaktive Stoffe (NPS) – auch Designerdrogen genannt –, wie  Crystal–3CMC, Fentanyl oder Oxycodon.

Wenige Menschen wissen, dass es auch Drogen gibt, die munter machen und die Leistungsfähigkeit steigern können, beruhigend wirken, das Wohlbefinden steigern, Schmerzen betäuben, den Schlaf fördern oder die Angst vertreiben. In manchen westeuropäischen Ländern werden sie unter bestimmten Umständen vom Arzt für therapeutische Zwecke eingesetzt, etwa zur Schmerzlinderung. 

Und die wenigsten wissen wahrscheinlich, dass bestimmte Cannabis-Produkte (CBD) gar keine Drogen sind, weil der Anteil an psychoaktivem Wirkstoff (THC) unter dem Grenzwert liegt, sie also praktisch als THC-frei gelten. Solche dürfen dann tatsächlich frei verkauft werden, unterliegen aber strengen Kontrollen, um dies tatsächlich zu garantieren. Sie sind oft Bestandteile von therapeutischen Naturprodukten oder von Lebensmitteln wie Tee, Schokolade oder Zigaretten.

Drogenmarkt in Europa und Rumänien

Cannabis (auch Marijuana, Hanf oder Gras genannt) gilt seit Jahren als die meistverkaufte Droge innerhalb der EU, inklusive in Rumänien, wobei hierzulande der Konsum in den letzten Jahren sehr stark zugenommen hat. Ein Grund dafür könnte der Ukraine-Krieg sein, der zu einer Umlenkung der Schmuggelrouten über Straßentransporte geführt hat, meinen Experten. 

Außerdem führt Rumänien die Statistik der aufgrund von NPS-Intoxikation eingelieferten Patienten an: deren Anzahl war im Jahr 2021 rund 55 Prozent größer als  für Cannabisintoxikationen.

Laut einem Bericht der Nationalen Antidrogen-Agentur (ANA) haben im Durchschnitt 10,7 Prozent der Rumänien bereits Drogen konsumiert, wobei der Prozentsatz bei der Fokusgruppe im Alter zwischen 15 und 34 Jahren sogar bei 16,7 Prozent liegt. Ein Soziologe, Antidrogenexperte und ehemaliger Chef der Bukarester Antidrogenabteilung innerhalb der DIICOT schätzt den Prozentsatz der Großstadtbevölkerung, die irgendwann einmal im Leben Drogen genommen hat, sogar auf 30 Prozent. Der größte Konsum würde in der Region Bukarest-Ilfov stattfinden, und zwar während Musikfestivals oder Großevents. 

Unterschiedliche Herangehensweisen der Länder

Zahlreiche EU-Länder haben die vielfältigen therapeutischen Wirkungen bestimmter Cannabis-Produkte erkannt, die sowohl THC-frei als auch THC-haltig sind und erlauben deren geregelte Vermarkung. So z.B. die Niederlande, aber auch Malta (seit 2021), wobei Deutschland, Luxemburg, Tschechien, Norwegen und sogar die konservative Schweiz den kontrollierten Verkauf bestimmter Produkte zu legalisieren gedenken.
Im Gegensatz dazu verschärft Rumänien die Strafen nicht nur für Drogendealer, auch der Konsum einer einzigen Cannabis-Zigarette kann mit Gefängnis ohne Bewährung bestraft werden.

Helfen strengere Strafen?

Dass ein Drogendealer nicht mit einer einfachen Strafe davonkommt, sollte auch abschreckend wirken. Jedoch leben Jugendliche – die einfachsten Opfer der Drogendealer - „in einem parallelen Universum“, wie sich die Vertreterin des Schülerausschusses Konstanza, Adriana Dudun², ausdrückte. Sie fühlen sich unsterblich, alleswissend. Für sie seien Flyer mit Theorie, Gesetzen und Strafen unverständlich. Sie unterliegen Gruppenzwang und sind anfällig für „Terribilismus“ – dafür, sich unbesiegbar und großartig zu fühlen. Deswegen sollte bei der Jugend eine „sozial-emotionale Re-silienz“ aufgebaut werden, die Hand in Hand mit einem erhöhten Selbstbewusstsein gehen sollte, wodurch die Jugend „die Stärke haben sollte, zu Drogen nein zu sagen“, erklärt Dudună.

Ebenfalls gebe es zahlreiche Social-Media-Influencer, beispielsweise Sänger, die zum Drogenkonsum aufrufen, deren Einfluss durch positive Influencer und durch Aufklärung der Jugendlichen ausbalanciert werden müsse, erklärt der Soziologie- und Logikprofessor an der Bukarester „Benjamin Franklin“-Schule, Florin Tudose. Er meint, dass viel mehr über Vorbeugung als über Bestrafung oder Therapie von Drogensüchtigen gesprochen werden sollte.

Der auf Drogenpatienten spezialisierte Psychotherapeut Eugen Hriscu befürchtet, dass höheren Strafen keine Abschreckung vom Konsum, sondern eher vom Hilferuf sein könnten. Kein Süchtiger würde sich mehr einliefern lassen, wenn ihm die Gefahr der Freiheitsstrafe drohen würde. Zusätzlich würde auch die Kriminalität steigen, wie in Russland, den Philippinen oder den USA der 1970er Jahre. Ebenfalls würde der NPS-Konsum steigen, zumal dieser mit herkömmlichen Testmitteln deutlich schwerer feststellbar sei, der jedoch viel gefährlicher wirkt, erklärte er für europalibera.ro. „Das Drogenproblem sollte vorhindert und behandelt, nicht ins Gefängnis gesteckt und vertuscht werden“, so Hriscu.

Auch der Oberste Justizrat (CSM) hatte seine Bedenken zur Pauschalierung der Gesetze des Konsums geäußert: So wie der Diebstahl einer Schokolade in einem Supermarkt nicht gleich zu bestrafen sei wie eine spezialisierte Einbrechergruppe, müsse man auch beim Besitz und Konsum unterschiedlicher Drogenarten unterschiedliche Maßstäbe setzen, wird dieser auf europalibera.ro zitiert. „Die Praxis des letzten Jahrzehnts hat gezeigt, dass die übermäßige Erhöhung der Strafen keine effiziente Lösung zur Kriminalitätsbekämpfung ist“,so der CSM in dessen Stellungnahme zum Gesetzesentwurf.

Gegen die Erhöhung der Strafen hat sich auch der Jugend- und Sportausschuss des Parlaments ausgesprochen, erklärt Hriscu für PressOne, insbesondere da es derzeit hierzulande noch kein einziges öffentliches Zentrum für Süchtige gibt.

Maßnahmen in Rumänien

Zuständig für die Vorbeugung des Drogenkonsums in Rumänien ist bereits seit rund 20 Jahren die dem Innenministerium unterstellte „Nationale Anti-Drogen-Agentur“ (ANA). Nur hat sich neuerlich herausgestellt, dass 80 Prozent des Budgets für Gehälter ausgegeben werden und nur 20 Prozent tatsächlich in Drogenbekämpfungsprojekte fließen. Auch der Rechnungshof hat im Oktober 2023 schlussgefolgert, dass die Agentur mit ihren rund 320 Mitarbeitern landesweit komplett ineffizient ist und man hinsichtlich ihrer Tätigkeit umdenken müsse, insbesondere soweit 90 Prozent ihrer Aktivitäten auf Anfragen der Justiz in Strafverfahren beruhen, nicht aber in der Prävention liegen. Ein Gesetz ohne dahinterstehende Strukturen zur Vorbeugung und Bekämpfung ist Null wert, erklärte ein Strafverfolger für Press One.
Umfassende 

Aufklärung nötig

Eine Massenaufklärung sei im Bereich Drogen nötig, ohne Schuldzuweisung und Bestrafung, sondern mit Lösungen – dafür steht Antidrogenexperte Cătălin Țone und meinte gleichermaßen Gesetzgeber, Gesetzeshüter, soziale Partner, Jugendliche und sonstige potentielle Konsumenten.

Bereits 2020 bemerkte für die ADZ Hanfanbauer Andrei Apetrei, dass die Gesetze zu restriktiv und manchmal widersprüchlich seien, weil sie „von Leuten gemacht werden, die nichts davon verstehen“. 
Umfassende Aufklärung würden auch die Eltern und die Lehrer benötigen, denn sie sind den Jugendlichen am nähesten, bemerken oft Änderungen in deren Verhalten, wissen jedoch allzu oft nicht, wie sie einer derartigen Situation begegnen sollen, erklärte Țone.

Gleichzeitig sollte auch auf die Nebenwirkungen der Drogensucht aufmerksam gemacht werden, die einen weiteren Druck auf das gesamte, auf öffentlichen Geldern fundierte Gesundheitssystem ausüben, erklärte Psychotherapeut Hriscu. Dabei führte er die Verdreifachung der HIV-Erkrankten in den letzten zehn Jahren an, oder die extrem hohe Anzahl an Hepatitis C erkrankten Drogensüchtigen (rund 70 Prozent). Verantwortlich sei für Hriscu ausschließlich der Staat, wegen seiner „Unfähigkeit zu Handeln“, entweder aus Unwissenheit oder wegen unzureichender Mittel.

Und sicherlich sei ein interministerieller Ansatz hilfreich, mit Einbeziehung des Familien-, Gesundheits- und Bildungsministeriums als soziale Partner. Auch weil es oftmals für Süchtige einfacher ist, mit einem Arzt des Gesundheitsministeriums oder einem Lehrer zu sprechen, als mit einem Polizisten.