Wie sind die Nationalflaggen entstanden?

Im Namen von Flaggen wird gejubelt, gekämpft und sogar gestorben

Trotz der 193 Flaggen vor dem UN-Sitz ist die Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen überhaupt kein Maßstab für die Existenz eines Staates. Wissenschaftler sprechen von einem Staat, wenn dieser Herrschaft über ein Gebiet und ein Volk ausüben kann.

Wenn du in Dänemark Urlaub machst, dann solltest du vor deinem Ferienhaus nicht die rumänische Flagge hissen, denn das ist verboten. Nach dänischem Gesetz dürfen nämlich nur die Flaggen der nordischen Länder, der Europäischen Union und der Vereinten Nationen von Privatpersonen geflaggt werden. | Fotos (2): Pixabay

Zum Staatsbegräbnis des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt wurde an dem Leichenwagen die Trauerstandarte der Bundesrepublik Deutschland befestigt: der Bundesadler auf schwarzem Hintergrund. Außerdem ist der Sarg des 2015 Verstorbenen mit der sogenannten Bundesflagge bedeckt, die in der Regel nur von staatlichen Behörden genutzt wird. | Foto: Wikimedia Commons

Vor dem Hauptsitz der Vereinten Nationen (UN) in New York City (USA) wehen die Flaggen von insgesamt 193 Staaten. Ihr Aussehen hängt oft mit einem historischen Ereignis zusammen, manchmal aber auch mit Eigenschaften, die der Bevölkerung zugeschrieben werden oder mit der religiösen Einstellung der Staatsgründer. In der Geschichte der Menschheit sind Fahnen und Flaggen außerdem eng mit kriegerischen Auseinandersetzungen verbunden. Die Legionen von Julius Caesar drangen mit Standarten nach Norden vor, auf denen der römische Adler zu sehen war und die Kreuzritter zogen mit vom Papst geweihten Fahnen in das Heilige Land. Sterben in der heutigen Zeit Soldaten, dann werden ihre Särge oft mit der Landesflagge bedeckt. Für euch beantworten wir die wichtigsten und spannendsten Fragen zur Vexillologie, wie die Lehre der Fahnen und Flaggen in der Wissenschaft genannt wird.


Was ist der Unterschied zwischen Flaggen und Fahnen?
Bei der Fahne handelt es sich um ein Einzelstück, welches fest an einer Stange befestigt ist. Sie ist oft mit Symbolen oder Schriftzügen dekoriert, manchmal sogar mit kunstvollen Wappen und komplizierten Darstellungen geschmückt. Jede Fahne ist nur ein einziges Mal vorhanden und wird dementsprechend gut gepflegt. Im Mittelalter wehte sie an Burgen oder Schlössern und war eine beliebte Kriegsbeute. Die Siebenbürger Sachsen haben mit sogenannten Bruderschaftsfahnen zu Gottesdiensten ihre Kirchen dekoriert.
Dagegen sind Flaggen ein einfach gestaltetes Massenprodukt, das leicht zu ersetzen ist. Bei ihnen handelt es sich meist um ein viereckiges, farbiges Tuch. Flaggen sind auch nicht direkt an einem Stock befestigt, sondern werden mit einer Leine aufgezogen. Im Gegensatz zu Fahnen können Flaggen stets durch gleich aussehende Exemplare ersetzt werden. Bei Fußball-Länderspielen sieht man in den Stadien häufig ein sogenanntes Flaggenmeer.
Auch zu den Flaggen und Fahnen gehören Standarte, Banner und Wimpel. Standarte wurden in früheren Jahrhunderten von Armeen genutzt und waren an einer Stange befestigte Abzeichen, die oft mit dem Bild eines Tieres geschmückt waren. Das höchstrangige Zeichen der römischen Legionen war der bereits erwähnte Adler. Heute sieht man die Standarte oft nur noch an den Fahrzeugen von Staatsoberhäuptern.

Welche Arten von Flaggen gibt es?
Flaggen werden in der Regel von staatlichen Behörden, Organisationen wie dem Roten Kreuz oder auch Firmen verwendet. Darüber hinaus gibt es auf Schiffen die Reederei-, Signal- und Erkennungsflaggen. Jedes im internationalen Schiffsregister eingetragene Handelsschiff muss außerdem am Heck die Handelsflagge führen, welche meist mit der Nationalflagge identisch ist.
Die Nationalflagge wiederum ist das sichtbarste Symbol eines Staates. Sie symbolisiert seine Selbständigkeit, Unabhängigkeit und Einheit. Sie wird insbeson-dere vor staatlichen Gebäuden wie Ministerien gehisst, man sieht sie aber auch vor Rathäusern oder Polizeistationen. In Rumänien ist der 26. Juni der Tag der Nationalflagge.
Neben Staaten haben auch viele große Organisationen ihre eigenen Flaggen. Zu den bekanntesten Flaggen gehören die des Roten Kreuzes, die weiße Kompassrose der NATO oder auch der von zwei Olivenzweigen umrahmte Erdkreis der Vereinten Nationen. Und auch die christlichen Kirchen nutzen eigene Flaggen: die katholische Kirche hat die gelb-weiße Flagge des früheren Kirchenstaates übernommen und die Protestanten führen eine weiße Flagge mit einem violetten Kreuz.

Wann werden Flaggen eingesetzt?
In allen Ländern regeln Bräuche und Gesetze, zu welchen Anlässen und an welchen Tagen die Flaggen gehisst werden. Dazu gehören Nationalfeiertage, historische und religiöse Gedenktage oder Trauertage. Geflaggt wird allerdings nur von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.
An Trauertagen wird die Flagge nur auf halbmast geflaggt, das heißt sie wird zuerst bis zur Spitze des Flaggenmastes hinaufgezogen und anschließend etwas oberhalb der Mitte des Mastes positioniert. Dieser Brauch geht auf das 17. Jahrhundert zurück. Nach dem Tod eines Königs sollte der Platz über der Flagge symbolisch dem unsichtbaren Banner des Todes vorbehalten bleiben.
Eine Flagge, die hingegen niemals halbmast gesetzt wird, ist die „Royal Standard“ – die offizielle Flagge der britischen Königin oder des britischen Königs. Denn das formale Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreiches ist nie tot. Stirbt der Regent, tritt der rechtmäßige Thronfolger unmittelbar an dessen Stelle.

Welches ist die älteste Nationalflagge der Welt?
Der Legende nach geschah es am 15. Juni 1219: König Waldemar II. von Dänemark kämpfte in der Schlacht von Lyndanisse – dem heutigen Tallinn – gegen die heidnischen Esten. Für die Dänen, die zuvor viele Schlachten gewonnen hatten, sah es an diesem Tag allerdings nicht gut aus. Doch als die Schlacht schon so gut wie verloren schien, sammelten sich die dänischen Bischöfe auf einem Hügel und riefen Gott um Hilfe an. Darauf soll sich der Himmel geöffnet haben und ein großes rotes Tuch mit einem weißen Kreuz schwebte zur Erde herab. Ein sichtbares Zeichen, welches den Dänen neuen Mut gab und sie schließlich zum Sieg über die Esten führte. Seither gilt der „Dannebrog“ als nationales Symbol der Dänen, welches allerdings erst 1854 zur Staatsflagge erklärt wurde.
Nationalflaggen im heutigen Sinn gibt es erst seit der Amerikanischen Revolution (1763 bis 1789) und der Französischen Revolution (1789 bis 1799). In dieser Zeit etablierten sich Flaggen als nationales Symbol, welches die Bürger eines Landes vertreten sollte. Diese Entwicklung wurde durch die Entstehung des bürgerlichen Nationalstaates eingeleitet, der seine Ursprünge in den beiden Revolutionen hat. In der Amerikanischen Revolution kämpften die „Dreizehn Kolonien“ um die Loslösung vom Britischen Königreich und in der Französischen Revolution das französische Volk gegen den König und dessen feudal-absolutistischen Ständestaat.
Ohne Zweifel ist allerdings der Dannebrog, zu dem sich die Dänen ununterbrochen seit über 600 Jahren bekennen, eines der ältesten nationalen Symbole.

Was sind die beliebtesten Farben für Nationalflaggen?
Die Gemeinsamkeit der britischen, französischen und niederländischen Flagge sind ihre Farben: Rot, Weiß und Blau. Der Kolonialismus der drei Länder trug dann auch ihre Flaggen in die Welt hinaus. Daher ist es wenig überraschend, dass es sich bei diesen drei Farben um die am häufigsten in Nationalflaggen verwendeten handelt. Lediglich ein einziger von der UN anerkannter Staat nutzt keine der drei Farben. Jamaika, eine ehemalige britische Kolonie, führt zwar das aus der britischen und englischen Flagge bekannte Andreaskreuz, verwendet aber Grün, Gelb und Schwarz als Farben.
Insgesamt ist die beliebteste Farbe bei Nationalflaggen Rot, danach folgt Weiß und etwa die Hälfte aller Nationalflaggen nutzt Blau. Gewisse Farbkombinationen stellen zudem die Verbundenheit von unterschiedlichen Ländern dar. So wurden auf dem Prager Slawenkongress im Juni 1848 die russischen Farben Weiß-Blau-Rot zu den panslawischen Farben erklärt. Währenddessen verwenden die meisten arabischen Staaten die Farben Weiß, Schwarz, Grün und Rot. Die panafrikanischen Farben sind wiederum Grün, Gelb und Rot.

Werden auch Symble auf Nationalflaggen verwendet?
Bis zum Sturz von Nicolae Ceaușescu war auf der rumänischen Flagge auch das Staatswappen zu sehen, welches aus Wald, Bergen, einem Ölbohrturm und einem roten Stern bestand. Der Stern stand dabei für die sozialistische bzw. kommunistische Weltanschauung und wurde auch von vielen anderen kommunistischen Staaten geführt. Nach der „Revolution“ entschied sich die Übergangsregierung aber für eine Flagge ohne Wappen.
Viele andere Länder führen hingegen noch immer einen oder mehrere Sterne in ihren Flaggen, diese haben allerdings verschiedene Bedeutungen. Während auf der brasilianischen Flagge ein ganzes Sternbild zu sehen ist, welches den Himmel über Rio de Janeiro zum Zeitpunkt der Proklamation der Republik zeigt, symbolisieren die 50 Sterne auf der Flagge der USA die 50 Bundesstaaten, aus denen das Land besteht. Der gelbe Stern auf der roten Flagge von Vietnam steht aber tatsächlich für den Kommunismus.
Viele islamische Staaten führen auf ihren Flaggen hingegen einen Halbmond. Dieser repräsentiert in den meisten Fällen die Religion des Islam und ist zum Beispiel auf den Flaggen der Türkei, Pakistans und Tunesiens zu finden. In der Flagge Nepals steht der Halbmond – zusammen mit einem Stern – allerdings für die Königsfamilie. Viele christliche Staaten zeigen wiederum das Kreuz in ihren Flaggen: zum Beispiel die Republik Moldau.