„Wir wollen das an unsere Kinder weitergeben“

Radu Nebert, Vorsitzender des Deutschen Forums in Klausenburg, im Gespräch mit ADZ-Redakteurin Veronika Zwing

Radu Nebert leitet das Demokratische Forum der Deutschen in Klausenburg seit 2016. Hauptberuflich ist er in seiner Firma KRN Designs als Grafikdesigner tätig – was er auch dazu nutzt, das deutsche Kulturerbe zu pflegen: Besonders originell sind die von ihm entworfenen Bastelbögen, mit deren Hilfe maßstabsgetreue Modelle von Siebenbürger Kirchenburgen nachgebaut werden können.

Das Forum existiert in Klausenburg seit bald 30 Jahren – wie lange sind Sie selbst schon dabei?
Eingeschrieben war ich im Forum schon 1991, aber wir Studenten waren damals eher beim Malteser Hilfsdienst aktiv. Aber die großen Feste, Weihnachten oder Ostern haben wir schon mitgemacht, ich kann mich deshalb noch gut an das alte Forum auf der Mo]ilor-Straße erinnern – in den Saal dort passten bis zu drei-, vierhundert Leute! Danach, tja, ist die Mitgliederzahl geschrumpft, und seit 1993 sind wir hier, auf der Str. Memorandumului 8. Bis etwa 2010, 2012 waren wir – also meine Generation, die Jungen, zu denen ich mich zähle (lacht) – nicht sehr aktiv. Dann aber schon, und so bin ich seit 2014 im Vorstand und seit 2016 Vorsitzender.

Hat es da einen Generationenwechsel gegeben?
Ja, aber ganz sanft, sozusagen. Man hat gedacht, es wäre gut, wenn man auch Jüngere, also die zwischen vierzig und fünfzig, einbeziehen würde. Aber Herr Professor Schreiber, der ja seit 1990 hier tätig und quasi unsere Hauptperson hier ist, die immer alles im Griff hat, hat auf unsere Bitte hin akzeptiert, weiterhin Vize-Vorsitzender zu sein und die Witze zu erzählen (lacht). Wir haben dann auch unsere Kinder mitgebracht, und sind so eine Clique – im guten Sinne – von zehn oder zwölf Familien, die sich regelmäßig treffen, wir gehen zusammen wandern oder machen Ausflüge. 

Ziemlich große Ausflüge...?
Allerdings, da sammeln sich schon mal 35 Kinder... Einmal im Jahr unternehmen wir eine große Ausfahrt, zum Beispiel zu den Kirchenburgen – das hat die Gruppe sehr zusammengeschweißt. 
Wir waren beispielsweise einmal in Kleinschelken. Wir hatten unser Basislager im Pfarrhof, und von dort aus sind wir herumgefahren. Wir haben die Kinder dort laufen lassen, wir wollten ja abends auch ein bisschen gemütlich zusammensitzen. Zuhause sprechen fast alle Rumänisch oder Ungarisch, aber schon am zweiten Tag haben wir gemerkt, dass die Kinder miteinander Deutsch sprechen – einfach, weil das die gemeinsame Sprache war. Das war schon ein Erfolg – weil es kein Zwang war, nicht von den Eltern her kommend, sondern sie haben einfach selber damit angefangen.

Richten Sie Ihre Aktivitäten auf die Kinder aus, oder gibt es da besondere Angebote?
Wir wollen ihnen schon ein Beispiel sein und sie in diese Richtung beeinflussen, aber als Zwang geht das nicht. Wir wollen zeigen, dass die deutsche Sprache nicht nur nützlich ist, sondern etwas Lebendiges, und dass die Gemeinschaft nicht nur aus den Familienmitgliedern besteht, sondern auch aus der deutschsprachigen Gemeinde. Wir haben deshalb auch Treffen, aber eher unregelmäßig. Und dann haben wir natürlich Feste, die wir für die Kinder ausrichten – zum Beispiel das Adventssingen, das läuft so, dass die Eltern singen und die Kinder, naja, auch … (lacht). Aber wir sorgen dafür, dass sie auch Spaß haben, sie konnten zum Beispiel mit Ton basteln. Oder die Faschingsfeier, die machen wir jetzt zum vierten, fünften Mal, alle kommen verkleidet und bereiten sich tagelang vor.

Eine besondere Tradition haben wir mit der Klasse meines Sohnes vom Coșbuc-Gymnasium. Die haben gefragt, ob sie hier feiern können, und jetzt ist das seit vielen Jahren eine Tradition. Die letzte Feier war im Oktober – wir wollten keine Halloween-Feier, aber ein Erntedank-Fest ist jetzt auch nicht Sache der Jugend... Wir haben es dann „Hello Herbst“ genannt, und etwa vierzig Kinder haben hier gefeiert und sich ausgetobt. Die wissen jetzt, dass sie hierher kommen können. 

Ein demografisches Problem scheinen Sie also nicht zu haben? 
Woran es uns fehlt, sind Mitglieder aus der Generation, sagen wir, zwischen sechzehn und dreißig. Dort ist bei uns eine große, große Lücke – es gibt diese Leute in Klausenburg, aber sie haben mit dem Forum nichts zu tun. 
Es kann sein, dass wir auch nicht das richtige Angebot für diese Altersgruppe haben, aber wir haben auch große Konkurrenz – es gibt ja den Gutenberg-Verein für Deutsch sprechende Studierende. Und das deutsche Kulturzentrum ist ja auch sehr aktiv, die bringen zeitgenössische Musik und Kunst, also eher ein Angebot für die Jugend.

Wie viele deutsche Klausenburger sind etwa im Forum aktiv?
In der letzten Volkszählung haben sich im Kreis Cluj etwa 700 Menschen als Deutsche bekannt, wir haben knapp unter 100 aktive Mitglieder. Ich würde sagen, dass das nicht ausreichend ist. Wir bemühen uns, man muss ja auch Zuversicht verbreiten, damit die Leute hierher kommen, und das ist vielleicht nicht der Fall gewesen. Wir haben persönlich unsere Freunde und Bekannten eingeladen, die noch etwas mit der deutschen Sprache zu tun haben. Aber die meisten haben einen Beruf, dann sind da die Kinder... 

War in der Vergangenheit ein größerer Anteil der Deutschsprachigen Forumsmitglieder? 
Naja... Nach der Wende, bis 1992 oder wann die letzte große Auswanderungswelle war, hatten wir über 2000 Mitglieder in Klausenburg – ich habe hier die Karteien gefunden. Aber damals ging es ja auch um die Pässe – viele sind wahrscheinlich nur gekommen, um zu zeigen, dass sie Deutsche sind, und danach hat man nie wieder von ihnen gehört. 

Werden diese restlichen etwa 600 Menschen im Kreis Klausenburg, die sich als Deutsche bezeichnen, aktiv eingeladen? 
Es ist kompliziert – viele kennen wir nicht, die Zahl haben wir nur aus dieser Volkszählung. In Klausenburg war es von Anfang an so, dass die deutsche Gemeinschaft ziemlich verstreut war, nicht so wie auf dem Lande. Die meisten sind nicht von hier, sondern zum Studieren hergekommen und dann geblieben, viele unserer Mitglieder als Universitätsprofessoren. Und dazu hat sich das noch alles noch schön aufgeteilt in verschiedene Kirchen, wörtlich genommen, aber auch wie man auf Rumänisch sagt, „bisericu]e“, und wir versuchen jetzt, alles wieder miteinander zu verdrahten und vernetzen...

Stichwort Kirche – gibt es da eine Zusammenarbeit?
Ja, zu Ostern und zur Reformation feiern wir gemeinsam und haben dann auch ein Konzert in der evangelisch-lutherischen Kirche, wir laden da zum Beispiel den Stadtpfarrer Bruno Fröhlich aus Schäßburg ein, oder den Jugendbachchor mit Steffen Schlandt. Solche Festveranstaltungen gab es bis vor wenigen Jahren nicht – aber, wie es beim letzten Mal unser Pfarrer Fejér Oliver gesagt hat: Es ist schon zur Tradition geworden, dass wir ein, zweimal im Jahr zusammen feiern. 
Gemeinsam mit dem Kulturzentrum haben wir auch den Film „Katharina Luther“ gezeigt – der dauert zweieinhalb Stunden, und danach gab es noch eine Stunde lang sehr ernste Diskussionen (lacht). Da gab es vieles, was die Leute nicht gewusst haben über den Reformator, über seine Meinung zu Juden oder Frauen... 

Steht das Forum heute noch in Kontakt mit Verbänden von Ausgewanderten? 
Es gab Kontakt mit der Landsmannschaft in Österreich – viele sind nach dem Zweiten Weltkrieg dorthin geflüchtet. Der Herr Dr. Fritz Frank, der in Linz lebt, war sehr aktiv und deshalb auch zu unserer Zehnjahresfeier hier. Inzwischen ist er, wenn ich mich nicht irre, 96 Jahre alt – wir telefonieren aber noch. 
Sonst gibt es kaum Kontakt – ich war voriges Jahr in Mannheim zum 35. Siebenbürgisch-Sächsischen Kirchentag, und die Leute waren neugierig und haben gefragt – warum wissen wir nichts über Klausenburg? Das liegt da-ran, dass die Familien mehr aus den Ortschaften ausgewandert sind. Und wenn man nur hier studiert hat und dann weitergezogen ist, dann ist das eher so, dass man kein Klausenburger geworden ist... 

Was gibt es außer den Kulturreisen für Aktivitäten im Forum?
Da gibt es den Chor „Viva la Musica“, der besteht seit bald einem halben Jahrhundert und nimmt auch an Chorfestivals teil. Dann haben wir unsere Vorträge am Dienstag, da sind jetzt nicht mehr dreißig Leute da wie früher, aber schon so zehn, fünfzehn. Und wir haben die Kulturtage im Oktober – wir versuchen schon, die Kultur in den Vordergrund zu stellen. Wir hatten auch immer viele Mitglieder oder Freunde des Forums, die künstlerisch aktiv waren, der Professor László Ferenc zum Beispiel hat die Mozart-Gesellschaft gegründet und geleitet, die auch noch besteht. Und natürlich der Orgelspieler und -professor Erich Türk, er ist bei uns im Vorstand und bereitet als Kulturreferent die meisten Musikveranstaltungen des Forums vor. Fotografie- und Kunstausstellungen, Autorenlesungen oder regelmäßige Bildervorträge gehören auch zu unserem Angebot.
In unserem großen Saal hängt ein abgewandeltes Zitat von Richard von Weizsäcker – „Die glaubwürdigste Politik ist die Kultur“ – daran versuchen wir uns zu halten.

Sie werden von der Abteilung für interethnische Beziehungen der Regierung unterstützt – machen Sie denn auch „interethnische Sachen“? 
Ja, eigentlich... es ist noch vieles zu tun in dieser Richtung. Wir machen aber zum Beispiel mit beim kulinarischen Festival für Schüler, „Culinaria“, und stellen dort sächsische Rezepte vor – obwohl man ja bei der siebenbürgischen Küche schwer sagen kann, wer sich von wem ein bisschen was geliehen hat... Einmal haben zwei Jugendliche eine Hanklich gebacken und dort vorgestellt – das war ein großer Erfolg. Da waren auch türkische und ungarische Köche, Armenier, eine jüdische Gruppe... Deren Leiter war mein Kollege am deutschen Lyzeum, wir haben uns dort nach 30 Jahren wieder erkannt – obwohl wir beide in Klausenburg leben! Wir Jüngeren aus den Minderheiten kennen uns wenig untereinander, die ältere Generation hat solche Kontakte besser gepflegt.

Es klingt aber, als würden Sie es als Hauptaufgabe des Forums sehen, die Gemeinschaft hier zu pflegen? 
Ja – und auch die Traditionen, wir haben ja die älteren Leute hier unter uns, die können uns noch Sachen erzählen von den Vorfahren, Dinge, von denen wir wenig wissen und vor zehn Jahren vielleicht gar nicht Interesse daran hatten, diese Sachen zu kennen. Das kommt eher ein bisschen später, dass man sich für diese Geschichten interessiert. Wir sind so wie eine Familie, mit alten Tanten und mit jungen Enkelkindern, und jemand muss das Ganze irgendwie in der Hand haben und die Familie zusammenbringen... das ist für viele wichtig. 

Gibt es auch spezielle Angebote für die älteren Mitglieder? 
Ja – wir haben ja einige hilfsbedürftige Mitglieder, die über 80 Jahre alt sind. Sie werden von unserer Sozialreferentin zweimal im Jahr besucht, und über die Saxonia-Stiftung unterstützen wir sie auch finanziell. Es ist keine große Summe, aber bei den wirklich geringen Pensionen hilft es schon. Und dann haben wir noch eine Partnerschaft mit der Vereinigten Aktion für Rumänien, das ist eine Gruppe enthusiastischer Leute aus Berlin, die seit vielen Jahren zweimal im Jahr kommen und auch selber etwas Geld mitbringen, sie unterstützen diese älteren Leuten, aber nicht nur die Deutschen, sondern auch zum Beispiel Menschen, die in Pata Rât leben müssen.

Zum Abschluss – wie blicken Sie in die Zukunft?
Ich denke, dass hier vieles gut läuft, aber man kann auch noch vieles verbessern – wie gesagt, das Problem mit den jungen Erwachsenen, die uns fehlen... Dort müssten wir mehr tun. Aber beim Adventssingen dieses Jahr sind drei junge Leute zum ersten Mal hier gewesen, die haben eifrig mitgesungen, und es hat ihnen auch gefallen – das haben sie jedenfalls gesagt! (lacht) Ratzfatz geht das nicht, aber grundsätzlich bin ich zuversichtlich, die Kinder fragen schon – wann treffen wir uns wieder? Also, das ist ein Zeichen dass es eine lebendige Gemeinschaft gibt. Es wäre schön, wenn die Kinder in diese Gemeinschaft hineinwachsen. 
Die Kerngruppe hier, wir waren alle Klassenkollegen bei der Frau Katharina Cloos, wir haben von ihr eine sehr gute Erziehung bekommen – sie ist ja in Klausenburg als Lehrerin sehr bekannt, wir haben sie auch hier geehrt. Sie hat uns gelehrt zusammenzuhalten, und dass wir etwas unternehmen und auch mit Lust und Freude etwas fertigbringen. Wir haben damals viel gesungen in der Schule – das hat uns dann gefehlt, wir haben das hier im Forum wiederentdeckt und wollen es an unsere Kinder weitergeben.