„Wir wollten die Pandemie als Chance nutzen“

Ein Gespräch mit Laura Laza, Leiterin der Österreich-Bibliothek Klausenburg

Laura Laza leitet seit zwei Jahren die Österreich-Bibliothek Klausenburg. | Foto: privat

Die gemütliche neue Leseecke der ÖB, finanziert mit Crowdfunding

Der Lesesaal der Bibliothek

Dr. Laura Laza ist Universitäts-Lektorin am Departement für deutsche Sprache und Literatur an der Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg – seit Mai 2020 leitet sie außerdem die Österreich-Bibliothek (ÖB). Im Gespräch mit ADZ-Redakteurin Veronika Zwing erzählt sie vom trotz Pandemie bunten Leben in der Bibliothek.

Eine Bibliothek ist ein Ort der Begegnung, wo gemeinsam geschmökert und gearbeitet wird – wie ist die ÖB Klausenburg bislang durch die Pandemie gekommen?

Am Anfang sind die Besuchszahlen natürlich zurückgegangen, sehr stark sogar – obwohl wir nur kurz, ich glaube zwei Monate lang wirklich geschlossen waren. Die meiste Zeit war die ÖB geöffnet, genau wie die Universitäts-Bibliothek Klausenburg (BCU). Man konnte zwar nicht hier lernen oder arbeiten, aber Bücher ausleihen und zurückbringen. Aber unser Publikum sind ja hauptsächlich Studierende, und die waren nicht mehr da, physisch nicht – viele sind nach Hause, zu ihren Eltern gezogen, weil der Unterricht online war.

Aber: Es wurde in der Zeit sehr viel digitalisiert und der Zugang zu den Beständen auch digital ermöglicht, damit die Studierenden von Zuhause aus den Bestand der Bibliothek nutzen können – das war sehr gut, und dieses digitale Angebot wird auch weiterhin stark genutzt. Es steht allen offen, die einen BCU-Ausweis haben – und den kann man jetzt ganz einfach online beantragen. Es ist einiges Gutes durch Corona passiert, finde ich. Die Digitalisierung funktioniert eben, und es sind viele Prozesse einfacher geworden, und unkomplizierter.

Ein anderes Beispiel, was die Pandemie angetrieben hat, ist die Fernleihe, man kann Bücher anderer Bibliotheken im In- und Ausland über die Bibliothek hier ausleihen . Solche Angebote gab es schon früher, aber sie wurden kaum wahrgenommen – aber jetzt funktioniert es sehr gut: Du füllst einfach online ein Formular aus, und ein wenig später bekommst du den Zugang zu diesem Buch, das z. B. einer Bibliothek in Hermannstadt oder München gehört.

In der ÖB haben ja auch immer Veranstaltungen stattgefunden – musste das pausiert werden?

Nein, gar nicht – sie haben nur anders, online stattgefunden. Wir mussten bei schon geplanten Veranstaltungen das Format ändern, neue Veranstaltungen haben wir im Online-Format geplant – wir wussten, dass diese Pandemie ein paar Jahre dauern wird. Es war beispielsweise für das Frühjahr 2020 eine Lesereise der österreichischen Autorin Verena Mermer mit ihrem Roman „Autobus Ultima Speranza“ geplant, gemeinsam mit dem Österreichi-schen Kulturforum Bukarest. Die konnte dann natürlich so nicht stattfinden. Aber wir haben das online gemacht – es gab eine Lesung und ein Gespräch mit Frau Dr. Mariana L˛z˛rescu von der ÖB Bukarest, und eine literarische Werkstatt für die Studierenden. Und es nahmen sehr viele Gäste teil– bei der Online-Lesung sogar um die 40 Leute, es wurden Fragen gestellt und diskutiert.

Das war auch noch ganz am Anfang, während des Lockdowns, als wir alle zuhause waren und es noch wenig Angebot gab, da war das alles ein bisschen aufregender. Inzwischen hat das Interesse für die online-Veranstaltungen nachgelassen.

Andere Projekte waren eine größere Herausforderung – wie gestaltet man etwa einen Weihnachtsabend online? Frau Kerstin Katzlberger, damals Österreich-Lektorin, hat das sehr gut gemacht, sie hat 2020 und 2021 ein Weihnachtsquiz organisiert. Das war sehr schön, aber ich hoffe, dass wir uns dieses Jahr hier in der Biblio-thek treffen können.

Wir übernehmen von den Online-Veranstaltungen, dass es ein abendfüllendes Programm gibt – dieses Jahr mit Brettspielen zu Österreich. Wir sind ja die Österreich-Bibliothek (lacht).

Sehen Sie trotzdem eine Zukunft für Online-Veranstaltungen?

Oh ja, es gibt große Vorteile. Zum Beispiel: Du brauchst kein Budget für Veranstaltungen – alles was du brauchst, ist ein Zoom-Account. Wir wollten von Anfang an die Chancen nutzen, die uns die Pandemie gegeben hat – wir wollten nicht herumsitzen und uns beklagen– jetzt ist Pandemie, wir können gar nichts machen… Wir haben uns überlegt, wie können wir das optimieren, wie können wir auch von der Situation profitieren?

Und wir haben gemerkt, dass manches online wirklich besser funktioniert. Zum Beispiel die Alumni-Treffen, wo Absolventinnen der Germanistik den Studierenden von ihrem beruflichen Werdegang erzählen – da konnten wir auch Leute einladen, die nicht mehr in Klausenburg leben, sondern in Deutschland oder Österreich etwa.

Manche Veranstaltungen wären anders gar nicht möglich gewesen. Wir hatten zum Beispiel eine mit der Löwenherz-Buchhandlung in Wien – das ist eine queere Buchhandlung, und Herr Schmidt von der Buchhandlung hat sie uns online präsentiert, live, und es konnten Fragen gestellt werden. Es war sehr interaktiv – dabei hat er in Wien gesessen und wir hier in Cluj. Also, es ist schon sehr cool, was Online-Veranstaltungen ermöglichen. Man hätte die Technik davor schon gehabt, aber man wäre eben nicht auf die Idee gekommen.

Ich sehe da eine große Chance, auch, um Projekte nachhaltiger zu denken – man kann Ideen umsetzen, die man vorher nicht umsetzen konnte, und auf der anderen Seite Ressourcen sparen– es müssen nicht mehr Leute „um die halbe Welt fliegen“, damit eine Veranstaltung stattfinden kann.

Weil Sie das Budget angesprochen haben – wie  werden solche Veranstaltungen sonst finanziert?

Also, die Bibliothek wird von der Babe{-Bolyai-Universität finanziert, die Räumlichkeiten usw., aber für die Projekte muss man natürlich Gelder auftreiben. Man muss sich bei jedem Projekt überlegen, ob es überhaupt finanzierbar ist und woher es finanziert werden kann. Bei Veranstaltungen ist das meist das Österreichische Kulturforum Bukarest, wofür wir auch sehr dankbar sind. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten – etwa Crowdfunding, mit dem wir gerade die gemütliche Leseecke für die Bibliothek finanziert haben.

Derzeit haben wir andere Projekte im Blick: Wir haben einen Literaturwettbewerb gestartet, für Schülerinnen und Schüler der 10. bis 12. Klasse. Wir wollen so natürlich auch diejenigen, die gut Deutsch sprechen, auf die deutsche Linie der Universität aufmerksam machen. Und wir wollen durch diesen Wettbewerb auch die Zusammenarbeit zwischen Schülerinnen und Studentinnen anregen. In einer ersten Phase reichen sie Texte ein, die sie in einer weiteren Phase zusammen mit einem „Tandempartner“, also Studierenden der Germanistik, gemeinsam bearbeiten, und dazu wird eine Literaturwerkstatt stattfinden. Die leitet der Schriftsteller Robert Kraner aus Österreich, der auch Literaturwerkstätten veranstaltet.

Gibt es über das Kulturforum hinaus Zusammenarbeit mit österreichischen Institutionen?

Ja, wir arbeiten sehr gut mit dem Referat für Österreich-Bibliotheken des österreichischen Außenministeriums zusammen. Wir haben zum Beispiel Pakete mit Preisen bekommen, die wir bei Wettbewerben vergeben können – Bücher, Sachpreise allgemein, wir haben sogar Fußbälle bekommen (lacht). Das passt gut, denn wir wollen ja auch in Zukunft mehr Projekte mit Schulen machen. Und dann natürlich die Bücher: Das Ministerium stellt den Österreich-Bibliotheken jährlich eine Summe zu Verfügung, für die neue Publikationen bestellt werden können, und sie finanzieren zudem die Abos für die Zeitungen und Zeitschriften aus Österreich, die hier aufliegen.

Und auch die österreichische Gesellschaft für Literatur ist sehr aktiv – es gibt ja das Literaturprogramm SchreibART des Außenministerium, und die Österreichische Gesellschaft für Literatur hat in der Pandemiezeit Interviews mit allen Autorinnen und Autorinnen dieses Programms geführt und online gestellt.

Daraus haben sich dann weitere Projekte ergeben – wie zB. die Übersetzung dieser Interviews. Unsere Kollegin Daniela Vladu hat an der Germanistik als Projekt mit den Studierenden schon das Interview mit der Autorin Barbi Markovic übersetzt und will ein weiteres mit Radek Knapp übersetzen. Die sind dann auf der Seite der Gesellschaft für Literatur zugänglich, und man kann auf rumänischer Sprache dieses Interview verfolgen – so können Literaturinteressierte aus Rumänien erfahren, was in der österreichischen Literaturlandschaft überhaupt passiert, das regt auf jeden Fall den Dialog an, das ist ein sehr gutes Projekt.

Gibt es auch wissenschaftliche Aktivitäten oder Veranstaltungen?

Bis zur Pandemie wurden ja regelmäßig wissenschaftliche Tagungen abgehalten, das möchten wir in Zukunft wieder machen – auch in Zusammenarbeit mit der Germanistik, aber derzeit ist noch nichts Konkretes geplant.

Es finden aber Projekte hier statt – die Übersetzung der Habsburger-Reihe von Prof. Dr. Rudolf Gräf und Dr. Lajos-Loránd Mádly, oder ich arbeite beispielsweise mit Dr. Mag. Ursula Schneider und Dr. Annette Steinsiek vom Brenner-Archiv in Innsbruck an einem Projekt zum Schriftsteller Wolf von Aichelburg. Ursprünglich ging es um die Edierung von Gedichten, aber inzwischen ist aus dem Projekt eine Monographie geworden. Wir haben auch gerade den Anerkennungspreis beim Wettwerb „Literaturdialoge“ des österreichischen Außenministeriums in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Literatur bekommen. Die Summe, die wir dabei gewonnen haben, können wir jetzt nutzen, um weiter in dem Projekt zu forschen.
Wissenschaftliche Projekte besprechen wir in der Österreich Bibliothek auch mit dem wissenschaftlichen Betreuer, dem Historiker Dr. Lajos-Loránd Mádly. Wir beraten uns, wenn es um Projekte und Veranstaltungen geht.

Was wäre Ihnen für die Zukunft ein Anliegen?

Mir fehlt ein bisschen die Wahrnehmung der ÖB in der deutschsprachigen Klausenburger Community. Wir haben zum Beispiel einen Buchklub mit Studierenden – aber der wäre ja eigentlich nicht so gedacht, dass nur unsere Germanistik-Studis kommen, die besprechen ja sowieso Texte in ihren Lehrveranstaltungen. Es gibt so viele deutschsprachige Studierende hier, an der Deutschen Linie der UBB oder über Erasmus, oder Medizinstudentinnen – vielleicht hätten manche von ihnen ja Lust, bei einem Buchklub mitzumachen? Das sehe ich als Aufgabe für die Zukunft, auch diese Leute besser zu erreichen. Ich habe momentan noch wenig Ideen, wie man das noch besser macht, Aushänge in Bars oder Clubs? Sind die jungen Leute noch auf Facebook oder Instagram unterwegs, wo wir auch aktiv sind? Oder nur auf TikTok? So etwas können wir nicht machen (lacht). Es gibt wahrscheinlich neue Wege, die Jugendlichen zu erreichen, und die müssen wir noch kennenlernen.

Danke für das Gespräch!

Die Österreich-Bibliothek Klausenburg ist Teil der Deutschen Studienlinie der Babeș-Bolyai-Universität und befindet sich auf str. Horea 7, sie ist montags bis freitags von 9. bis 15 Uhr geöffnet. Mehr Informationen zur Bibliothek finden sich unter: oesterreich-bibliothek.jimdofree.com. Ein Ausweis kann online beantragt werden unter bcucluj.ro/ro/informatii/înscrierea-în-biblioteca.


Etwa 65 Österreich-Bibliotheken wurden in 28 Ländern eröffnet, seit Ende der 1980er Jahre das Projekt des österreichischen Außenministeriums entstand, in den Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas solche Institutionen einzurichten. Sie sollen Interessierten den Zugang zu Literatur und Informationen aus Österreich erleichtern sowie die deutsche Sprache und österreichische Kultur verbreiten. Die erste Bibliothek entstand 1986 in Krakau als „Österreichischer Lesesaal“, die bisher letzte 2015 in Zagreb.