Wort zum Peter- und Paulstag

Am 29. Juni feiert die Christenheit das Peter- und Paulsfest. Dieser Feiertag geht in der Westkirche auf die Mitte des 4. Jahrhunderts zurück und wurde später dann auch von der Ostkirche übernommen. Eine ganze Reihe von Kirchen stehen unter dem Patrozinium Peter und Paul, und noch viel mehr Altäre werden von den beiden „Apostelfürsten“ mit dem Schlüssel (Petrus) und dem Schwert (Paulus) flankiert.

Es ist bemerkenswert, dass die – gewöhnlich im selben Atemzug genannten – Apostel Petrus und Paulus sehr unterschiedliche Typen waren, die als Führungspersönlichkeiten auch schon mal aneinander geraten konnten (Galater 2,11).

Simon, der von Jesus den Beinamen Petrus („Fels“) bekam, war ein wankelmütiger Typ (er verleugnete Jesus - Lukas 22,54f), der am See Genezareth das Fischerhandwerk von seinen Vorfahren übernommen hatte. Obwohl er Familie hatte, ist er trotzdem bereit, alles stehen und liegen zu lassen, und Jesus als Jünger nachzufolgen.

Saulus, der nach seiner Bekehrung – dem sogenannten „Damaskus-Erlebnis“ – den Namen Paulus bekommt, stammte aus der damaligen jüdischen Diaspora, u. zw. aus Tarsus. Er gehörte der gebildeten Schicht an, hatte die römische Staatsbürgerschaft, was damals für einen Juden gar nicht selbstverständlich war, und stand auf der Höhe der damaligen, natürlich griechischen, Kultur. Jähzornig konnte der zölibatär lebende Pharisäer Paulus mitunter sein.

Während Petrus in der Auflistung der zwölf Apostel immer als erster geführt wird, ist Paulus der letzte, da er erst nach dem Auferstehungsereignis zum Zwölferkreis dazukommt. Nach eigenem Bekunden ist Paulus es gar nicht wert, ein Apostel zu sein, da er zunächst die christliche Gemeinde verfolgt hatte (1. Korinther 15,9). Beide erleben menschliches Scheitern einerseits und kommen andererseits zur Erkenntnis, dass sie auf Gottes Gnade angewiesen sind. Beide krempeln ihr Leben radikal um, weil sie merken, dass menschliches Erfolgsstreben vor Gott nichts bringt, wohl aber der Glaube, dass Gott sich des Menschen aus Gnaden angenommen hat und immer neu annimmt.

In theologischer und liturgischer Hinsicht wird der Unterschied zwischen den beiden in der Präfation dieses Feiertags wie folgt beschrieben: „Petrus hat als erster den Glauben an Christus bekannt und aus Israels heiligem Rest die erste Kirche gesammelt. Paulus empfing die Gnade tiefer Einsicht und die Berufung zum Lehrer der Heiden.“

Petrus und Paulus sind Repräsentanten der Urkirche par excellence und sie stehen für eine Institution, die ihren Weg sucht, die nach Identität ringt, die um Ausrichtung bemüht ist. Eine der wichtigsten Fragen damals, ob auch die Heiden in die christliche Verkündigung miteinbezogen werden sollen, wurde zugunsten der Mission beantwortet. Während Petrus für die judenchristliche Gemeinde zuständig blieb, wurde Paulus zum Heidenapostel und verbreitete das Christentum in der ganzen damals bekannten Welt, dem Mittelmeerraum.

Für die heutige Zeit kann daraus Folgendes abgeleitet werden: Das Ringen um die Wahrheit kann und muss nicht immer konfliktfrei sein, einerseits; andererseits jedoch – und das können wir dem Umgang der beiden Apostel Petrus und Paulus miteinander entnehmen – darf es keine Auseinandersetzung nur um ihrer selbst willen geben. Wenn das höhere Ziel nicht aus den Augen verloren geht, dann kann und muss Kirche Unterschiede oder Gegensätze, ja vielleicht sogar Konflikte aushalten. Es ist ein starkes Signal für die Einheit der Kirche bis auf den heutigen Tag, dieser beiden so unterschiedlichen Apostel am selben Tag zu gedenken.

Im ländlichen Raum hat sich im Laufe der Kirchengeschichte der Peter- und Paulstag zu einem Erntebittfest etabliert. In Siebenbürgen wurde er vielerorts durch das Kronenfest gefeiert, welches zum ersten Mal im Jahr 1764 urkundlich belegt ist. Der Peter- und Paulstag war jenes Fest, welches nach einer alten Bauernregel „dem Korn die Wurzel brach, dem Mais die Fahne aufstach, den Äpfeln den Geschmack gab“.

Heute arbeiten immer weniger Menschen in der Landwirtschaft, und so wird das Erntebittfest zunehmend seines Sinnes entleert. Wo Kronenfeste heute noch gefeiert werden (z. B. Kerz oder Malmkrog), haben sie eine ganz andere, nicht weniger wichtige Bedeutung: Es sind gemeindeübergreifende Feste, die dazu dienen, in der aktuellen Situation über „Hattertgrenzen“ hinweg Gemeinschaft zu haben.

In der siebenbürgisch-sächsischen Tradition hatten die Namenstage eine große Bedeutung, aber auch diese Tradition rückt in unserer heutigen Zeit immer mehr in den Hintergrund. Gerade deshalb wollen wir es uns nicht nehmen lassen, allen Leserinnen und Lesern der ADZ, die den Namen Peter oder Petra, Paul oder Paula tragen, hiermit herzlich zu gratulieren!