WORT ZUM SONNTAG: Die Gräfin von Canossa

Der Name „Canossa“ erhielt seine historische Berühmtheit durch die Buße des Kaisers Heinrich IV., als er vor der Burg als Büßer drei Tage lang (26. - 28. Januar 1077) stand und danach sein Kirchenbann durch Papst Gregor VII. gelöst wurde. Die Eigentümerin der Burg war damals die Markgräfin Mathilde von Tuscien. Jahrhunderte später rief der deutsche Reichskanzler im Kulturkampf gegen die katholische Kirche trotzig aus: „Wir gehen nicht nach Canossa!“ Zu seiner Zeit hatte Canossa keine politische Bedeutung mehr. Aber der Name „Canossa“ erstrahlte im 19. Jahrhundert wieder, nicht als Stern am Himmel der Politiker, sondern als Stern am „Himmel der Heiligen“ durch die Markgräfin Magdalena von Canossa, einer späten Nachfahrin der Gräfin Mathilde. Die „Canossaburg“, in der die hl. Magdalena geboren wurde, lag nicht bei Reggio nell Emilia, wie die alte Burg, sondern in der Stadt der „romantischen Liebe“ Verona.

Ihr Leben begann am l. März 1774 mit der Geburt im Canossa-Schloss zu Verona. Sie war die Tochter des Grafen Ottavio Canossa und der ungarischen Gräfin Therese Szluha. Schon mit fünf Jahren verlor sie den Vater durch den Tod. Zwei Jahre später verlor sie auch die Mutter, aber nicht durch den Tod. Die Witwe heiratete den Grafen Zenetti von Mantua und ließ ihre fünf Kinder treulos im Stich. Magdalena litt sehr darunter. Da vernahm das Kind in seinem Innern eine Stimme: „Wenn du das Bedürfnis nach dem Vater fühlst, so bin ich, Jesus, der Beschützer der Waisen. Und wenn du am Herzen einer Mutter dich aussprechen und weinen willst, so hast du ja die himmlische Mutter, die Schmerzensmutter. Hab also Mut und Vertrauen und bete!“

Magdalena gelangte unter die Obhut ihres Onkels und Vormunds Girolamo. Mit 14 Jahren erkrankte sie schwer und war dem Tode nahe. In dieser Notlage reifte in ihr der Entschluss, sich ganz in den Dienst Gottes zu stellen. Als Bewerber aus adeligen Familien um ihre Hand anhielten, erklärte sie, sie habe sich schon den schönsten, reichsten und liebenswürdigsten Bräutigam erwählt: Jesus Christus. Statt auf Bällen zu glänzen, betreute sie Kranke, alte Leute und erzählte unwissenden Kindern von Gott und seiner Güte. Als 17-Jährige trat sie bei den Orden der Karmeliterinnen in Verona ein. Alles gefiel ihr im Kloster, aber zwei Dinge bedrückten sie: Das Gitter und die Unmöglichkeit, sich unmittelbar der Nächstenliebe zu widmen. Nach einigen Monaten verließ sie den Karmel. Sie fühlte sich weder für ein Leben in der Welt, noch für ein Leben der Beschaulichkeit berufen. Am liebsten wollte sie das Leben beider Schwestern aus dem Evangelium nachahmen, das beschauliche Leben der Maria von Bethanien, aber auch das tätige Leben der Martha. Zunächst aber vertrat sie Mutterstelle an den jüngeren Geschwistern.

Napoleon weilte mehrmals für kurze Zeit im Palast Canossa zu Verona. Dort lernte er Magdalena persönlich kennen. Er war voller Bewunderung für die junge Markgräfin und zollte ihr Anerkennung für ihre Sorge um die Angestellten und Armen. Nach seiner Kaiserkrönung im Jahr 1804 weilte er dreimal als Gast im Palast Canossa. Dabei erreichte Magdalena, dass er ihr das ehemalige Augustinerinnen-Kloster in Verona zur Betreuung der Armen übergab. Sie verließ nun das Schloss Canossa, um sich ganz der Betreuung der Armen, Kranken und Kinder zu widmen. Ihr gesellten sich gleichgesinnte Gefährtinnen zu. Die Gemeinschaft wuchs und wählte sich den bezeichnenden Namen „Tochter der Liebe“. Der Einfluss ihrer Persönlichkeit auf andere war so stark, dass das Volk ihre Gemeinschaft „Canossianerinnen“ nannte. Sie half bereitwillig, wenn es dabei um die Ehre Gottes ging. So unterstützte sie die beiden Grafen Antonio und Marcantonio Cavanis, die in Venedig verwahrloste Knaben von der Straße wegholten. Sie verlangte, dass man das Gleiche für verwahrloste Mädchen unternehme. Ebenso unterstützte sie die Gründung des „Instituts der heiligen Familie“, die Gründung der „Kleinen Schwestern der Schmerzensmutter“, den edlen Priester Rosmini beim Plan für das „Institut der Söhne der Liebe“ und den Priester Antonio Provolo bei der Gründung des „Instituts für Taubstumme“.

Auf die Vorwürfe, dass sie als Gräfin durch ihre Tätigkeit den Adel herabsetze, entgegnete sie: „Darf ich auf Grund der Tatsache, dass ich als Markgräfin geboren wurde, etwa nicht die Ehre haben, Jesus in den Armen zu dienen?“ Drei Päpste bewunderten ihre Tätigkeit: Pius VII., Leo XII., Gregor XVI. Sie sagte ihren Todestag am Fest der Schmerzensmutter voraus. Sie starb an diesem Fest am 10. April 1835 im Alter von 61 Jahren. Papst Pius Xll. sprach sie am 7. Dezember 1941 selig, Papst Johannes Paul II. am 2. Oktober 1988 heilig. Viele Gläubige verehren diese Heilige. Im Gegensatz zu Bismarck „gehen sie nach Canossa“.