Zugebissen: Die Änderung, die nichts bewirken soll

In der ersten Szene des Films „Das fünfte Element“ wacht Bruce Willis in seiner Schlafkombüse auf und bestellt von einem Automaten ein Päckchen Zigaretten. Drinnen sind sechs Zigaretten, wobei der Filter mehr als zwei Drittel einer Zigarette ausmacht. Er zündet sich eine an. Während der gesamten Prozedur schreit ihn der Automat an, er müsse das Rauchen lassen, da es seiner Gesundheit schadet. 

Das Geschäftsmodell von IKEA wird als Wendepunkt in der Beziehung zum Kunden betrachtet. Der Kunde bezahlt nicht nur das eigentliche Produkt, sondern die Möglichkeit, die Möbel selber zusammen zu bauen. Zugegeben – heute sieht das ein wenig anders aus: Nachdem die Pakete, die alle Bestandteile eines Schrankes beinhalten, im Haus sind, muss inzwischen noch ein Fachmann bezahlt werden, der diesen zusammenbaut, denn meistens übersteigt dieses die körperlichen Möglichkeiten und das Verständnis eines Otto-Normalverbrauchers.

Während sich die Welt bemüht, die Möglichkeiten und die Herausforderungen durch die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz zu meistern (es wird über neue ethische Normen nachgedacht; man versucht zu verstehen, was uns die Funktionsweise der künstlichen Intelligenz über das menschliche neuronale Netzwerk sagt, usw.) kämpft man in Rumänien gegen den Einsatz von Selbstbedienungskassen in einer der großen Supermarktketten. 

Verfolgt man die Debatte, verwandelt sich das amüsierte Lächeln in ein Kopfschütteln, um dann zur bitteren Grimasse zu werden. Die Klagelieder für die Jobs der armen, von den okkulten Mächten des Westens ausgebeuteten Kassierer gehen Hand in Hand mit dem zornentbrannten Schreien für die „uns als Kunden zustehende Dienstleistung, dass uns jemand die Ware einscannt.“ 

Dass dem Durchschnittseinwohner Rumäniens eine gewisse Angst vor Änderung innewohnt, die er aber nie als selbstverschuldet wahrnimmt,  müsste man als Axiom betrachten. Nichts Neues unter der Sonne, könnte man also denken, wenn man sich zum Beispiel den Widerstand des Metropoliten Grigore gegen die Einführung des lateinischen Alphabets in der Moldau im 19. Jahrhundert vor Augen führt: „Wer seid ihr, dass ihr es wagt, die rumänische Sprache zu zerstören und es wagt, euch an dem rechtmäßigen Gesetz und Glauben zu vergreifen? Was sollen diese Irrlehren? (…) 

Wo bleiben Alpha und Omega, wenn ihr, ihr Gesetzlosen, das Omega aufgegeben habt? Das Gesetz ist hin, der Glauben ist hin, seit jene Zeiten vorbei sind in denen Menschen wie ihr verbrannt wurden.“ 

Vergessen wird dabei, dass die Entwicklung technischer Mittel, von der Hacke bis zur künstlichen Intelligenz, die Menschheit zu dem gemacht hat, was sie heute ist. Vergessen wird auch, dass die großen technischen Entwicklungen langfristig immer mehr Arbeitsplätze geschaffen als abgebaut haben. 

Natürlich musste die rumänische Politik, in ihrer typischen von Scheuklappen bestimmten Weise, reagieren. Wie die ADZ bereits berichtete, überlegen die rumänischen Sozialdemokraten zum Schutz der Kassiererinnen, eine neue Steuer zu erlassen. Das Wie und Warum sind egal, solang der Groschen in der Kasse klingt. 

Andrerseits sind diejenigen, die ihre Stimme gegen die Zahlautomaten erheben, wohl die gleichen, welche sich wegen der Schlangen an der Kasse beschweren, und die eine funktionierende moderne digitalisierte Verwaltung, usw. fordern. Es ist und bleibt erstaunlich, wie genau Ion Luca Caragiale diese Dualität festgehalten hat: „Von Zweien Eines, erlauben Sie mir: Es soll geändert werden, akzeptiere ich. Aber dann soll alles beim Alten bleiben. Oder: Es soll nicht geändert werden, akzeptiere ich. Aber dann soll hie und da manches geändert werden...und zwar in den wesentlichen Punkten.“  

Inzwischen dreht sich die Erde weiter und die Schlangen der konsumdurstigen Rumänen verlagern sich vor die Zahlautomaten. Es ändert sich was, aber es bleibt alles beim Alten.