Zugebissen: Falsche Signale

In den ersten Januartagen sorgte eine Maskerade für Schlagzeilen, die den rumänischen Brauch des dörflichen Neujahrsumzugs mit einer Parodie auf Putins Krieg in der Ukraine verquickte. In Berzunți, Kreis Buzău, defilierten auf offener Straße auf einmal „russische Soldaten“, „Panzer“ und „Raketenträger“, dekoriert mit dem Schreckenszeichen „Z“, unter den Fenstern der überraschten Bürger vorbei, und ein falscher „Putin“ rief zu „Gewalt“ und zum „Vergewaltigen“ auf. 

Die ukrainische Botschaft reagierte prompt empört: Just an diesem Tag war die Ukraine massiv von russischen Raketen angegriffen worden! Man verlangte eine Untersuchung und forderte, das russische „Z“, das wohl inzwischen an „Beliebtheit“ dem Hakenkreuz an Nichts nachsteht, müsse dringend verboten werden.

Während der Bürgermeister von Berzunți im Fernsehen erklärte, in seiner Gemeinde hätte der traditionelle Umzug „immer auch einen aktualitätsbezogenen Charakter“, eröffnete die Polizei Ermittlungen im Hinblick auf das gesetzliche Verbot zur Nutzung faschistischer, rassistischer oder xenophober Symbole und der Huldigung von Verbrechern gegen den Frieden und die Menschlichkeit.

War die Parade nun tatsächlich eine Straftat, bloß geschmacklos oder Kriegskritik durch Parodie? Und die Reaktionen darauf: selbstverständlich, überempfindlich, oder „kann man so oder so sehen“? Selten sind die Dinge nachtschwarz oder blütenweiß. Die Diskussion darüber, wo die Grauzone in Dunkelschwarz übergeht, ist aber sicher sinnvoll.

Bloß… und jetzt stellen Sie sich vor, wie ich mich gerade nachdenklich am Kopf kratze, weil ich mich frage, wo der Unterschied ist:

In der selben Nacht und nicht nur in Berzunți, sondern im ganzen Land – ach was, in ganz Europa! – vom kleinsten Kuhdorf bis zur Millionenmetropole, erschütterten lautstarke Explosionen den Himmel. Kaum ein Balkon oder Garten, von dem aus kein Leuchtkörper in die Höhe schoss, sich in der Luft in mehrere Feuerkugeln teilte und in einem spektakulären Funkenhagel niederprasselte. Genau wie am 24. Februar 2022, um sechs Uhr morgens! Für unsereins gottlob nur auf dem Bildschirm... 

Drüben aber mögen sich an jenem Tag vor dem ohrenbetäubenden Krach nicht nur Hunde und Katzen unter dem Sofa versteckt haben, wie hierzulande an Silvester, sondern auch Kinder, von beherzten Müttern hastig zur Flucht zusammengepackt – Buggy, Koffer, Katzenbox – oder Omas, zum Abschied weinend umarmt, während die Väter ihr Ränzel zum Einrücken schnürten. Doch niemand beschwert sich über die geschmacklose Silvesterknallerei, die „Kriegsparodie zum Neujahr“, wo doch zeitgleich das Nachbarland mit echten Raketen beschossen wurde... 

Kein Funken Mitgefühl – wenn schon nicht mit den Haus- und Wildtieren, dann doch wenigstens mit den Geflüchteten hier, von denen so manche zum zweiten Mal am Beinahe-Herzinfarkt vorbeigeschrammt sein mögen. 
Kein Tönchen der Kritik. Von niemandem, nirgendwo, nichts.

Uns sitzen zwei drückende Krisen im Nacken, deren Auswirkungen wir lauthals beklagen: der russische Angriffskrieg in der Ukraine und der weltweite Klimawandel. Und trotzdem vergeht mancherorts kein Wochenende, an dem nicht irgendjemand aus irgendeinem Anlass böllert: Geburtstag, Namenstag, Hochzeit, Taufe, Party... und gedankenlos die Luft verpestet. 

Welch großartiges Zeichen wäre es gewesen, hätten wir dieses Jahr auf private und öffentliche Feuerwerke verzichtet und das gesparte Geld für die Ukraine gesammelt. Für die Opfer von echten Raketenangriffen – oder, wenn es schon unbedingt blitzen und krachen muss, für eine Abwehrrakete. 

Das wäre ein echtes Signal für das Neue Jahr gewesen! 

Und ein Leuchtfeuer für die Menschlichkeit.