Adventsstimmung in Charlottenburg

Es ist auch ein Aufbäumen gegen das Vergessen

Der lokale Kirchenchor interpretiert besinnliche Weihnachtslieder Foto: Siegfried Thiel

Zwei Konsuln, ein professionell geführtes Orchester, dazu ein lokaler Kirchenchor und großes Interesse an einer kleinen Gemeinschaft, in abgelegenen Dörfern - auch so könnte man das Adventskonzert mit Weihnachtsmarkt in Charlottenburg, im Banater Hügelland beschreiben. Ana-Maria Dascălu, Moderatorin und über weite Strecken Initiatorin dieses Adventsfestes, das seinesgleichen im ländlichen Raum Rumäniens suchen muss, befindet sich im Grunde auf den „Spuren von Sprache und Kultur“, wie sie es zu nennen pflegt. Dass es sich dabei um deutsche Kultur und Sprache handelt, sagt sie kurz darauf: „Schon die Namen der Ortschaften weisen darauf hin. Neuhof/ Bogda (Gemeindezentrum), Charlottenburg, Altringen, Buchberg/ Sintar und Lichtenwald/ Comeat, dazu Buzad“. Und diese Region gilt es zu fördern, touristisch und auch wirtschaftlich. Eine Region, die „lange Zeit ein wenig vergessen war“ (Ana Maria Dascălu) und nun durch die Nutzung des kulturellen Potenzials aufgewertet werden soll.

Zumindest im Bereich des Immobilienhandels scheint der Aufwärtstrend zu funktionieren. Innerhalb von zirka sechs Jahren hat der Preis mancher Häuser um das Vierfache zugelegt, sagt der Bürgermeister der Gemeinde, Iasmin Iov²nu]. Durch Musik-Festivals und Gastronomie-Feste will er auch 2024 den Ort touristisch weiter attraktiv machen. „Wir hoffen, durch diese Veranstaltungen das kulturelle Erbe der ehemaligen deutschen Banater Dörfer ins Rampenlicht zu bringen und diese Initiative im kommenden Jahr fortzusetzen“, sagt Ana-Maria Dascălu. Ihr Gatte, Bogdan Dascălu, meint: „Es war ein erster Versuch, eine vielschichtige Veranstaltung von dieser Größenordnung auf die Beine zu stellen. Bei einer ersten Auflage will man ersteinmal testen, wie es läuft oder laufen könnte. Wir können mit dem Erreichten restlos zufrieden sein“, resümierte er, als sich ein Erfolg der Veranstaltung abzeichnete.

Zwischen den Auftritten des Charlottenburger Kirchenchors und jenem der Profi-Musiker aus Temeswar kommen Menschen zusammen, die sich bisher noch nie gesehen hatten. Vor der Kirche sind Zelte aufgebaut, Dorfbewohner haben Kleingebäck mitgebracht und kleine Lagerfeuer vermitteln nicht nur Wärme an diesem kalten Wintertag, sondern auch Idylle auf dem kleinen Weihnachtsmarkt mit seinen Souvenirs, dem traditionellen Glühwein, den Gesprächen und dem Blick auf die kreisförmig um die Kirche angelegte Straße. Der ortsansässige 86 Jahre alte Peter Trimper sagt: „Ich hätte nie gedacht, dass so etwas noch möglich ist“. Er trauert unverkennbar der deutschen Gemeinschaft von einst nach und verurteilt die Auswanderung der Rumäniendeutschen in gleich mehreren Facetten. Ana-Maria Dascălu und ihr Gatte Bogdan Dascălu sind begeistert, dass ihre Initiative, alle lokalen Kräfte zu bündeln, kein Flop war. Sie sehen eine Chance hier in der Neukolonisierung der Region auch mit Deutschen und genau genommen gehören sie durch ihre deutschen Wurzeln ja auch dazu; genauso wie Maria Haiduc, die es bereits vor einigen Jahren vorgemacht hat, als sie  zwar aus Temeswar wegzog, aber nicht wie viele Landsleute in den Westen Europas, sondern nach Altringen, ins Banater Hügelland. „Dieses vereinsamte Dorf liegt uns am Herzen“, sagt sie.

Deutschlands Konsulin Regina Lochner - als Ehrengast der Veranstaltung - nennt die Ortschaft eine „schmucke Ansiedlung mit langer Geschichte“ bevor sie zusammen mit dem Honorarkonsul Spaniens in Temeswar, Jose Miguel Vinals Arino und den weiteren Gästen in einer übervollen Charlottenburger Kirche der deutsch, rumänisch und ungarisch zelebrierten heiligen Messe, dann der Interpretation von Weihnachtsliedern und zuletzt dem professionellen Auftritt des „Orchestra Clasica Timisoara“ - mit Enrico Cannata als Dirigent - lauscht. Möglich gemacht haben es die Kommunalverwaltung, die römisch-katholische Kirche, der Temescher Kreisrat, das Deutsche Forum im Banat, die Vereine Johann Scharnel und Comeat - Lichtenwald, der Kulturverein Fucina Italica Griselini aus Temeswar und die Rumänisch-Deutsche Kulturgesellschaft Temeswar. Einen hohen Stellenwert bei dem Neu-Aufleben kultureller und geistiger Werte der einstigen deutschen Bewohner des Ortes misst man allgemein Pfarrer Ioan Cădărean und seiner zusehends wachsenden und aktiv werdenden römisch-katholischen, deutsch geprägten, Kirchengemeinde zu. „Ohne Pfarrer Cădărean hätte es dieses Fest bestimmt nicht in dieser Form gegeben“, sagt Peter Trimper, der einzige noch im Ort verbliebene Deutsche, der in Charlottenburg geboren wurde. Ioan Cădărean selbst freut sich, dass sich hier erneut eine Kirchengemeinschaft zusammenfindet, die die Messe besucht, das Kirchweihfest begeht und nun auch in der Adventszeit etwas bewegt.  „Kirche ist nicht nur Glaube und Kultus, sondern auch Kultur und das passt gut zusammen“, so der Pfarrer, der von Lippa aus ganze elf Ortschaften als Seelsorger betreut.