... alter pars

Anfang der 70er Jahre besuchte ich die Redaktion der Bukarester „Neue Literatur“. Damals war sie noch in der schönen Villa auf dem „Ana-Ip²tescu“-Boulevard untergebracht´. Eine der ersten Freundschaftsgesten mehrerer von mir, dem Temeswarer Germanistik-Student, bewunderter Redakteure war, mich zu warnen. Ich soll mit einem ihrer Kollegen sehr vorsichtig reden, sagte Anemone Latzina, indem sie mich mütterlich beiseite nahm. Ähnliches hörte ich von Arnold Hauser, von Helga Reiter, Elisabeth Axmann und nicht zuletzt von Gerhardt Csejka. Selbst mir, dem damals (noch) kaum zu Mißtrauen und Vorsicht neigenden, war klar: in der "Neuen Literatur" gab es eine „undichte Stelle“, einen Spitzel der Securitate, und jeder wußte, wer das ist. Den mied man am besten, oder man biss sich auf die Zunge, als auf seine Fragen zu antworten. Bernd Kolf sprach damals nur von der „C-Laus“.

Im Vorfrühling 2011 – die BZ berichtete – enttarnte die Behörde für das Studium der Securitate-Akten CNSAS den Spitzel „Moga“, der auch als „Marin“ an seine Führungsoffiziere von der Securitate Berichte über die rumäniendeutschen Schriftsteller und seine Kollegen in der Redaktion der „Neuen Literatur“ schrieb: Claus Stephani.

Stephani, ein ansonsten verdienstvoller Volkskundler, wehrte sich, nicht indem er den in der rumänischen Gesetzgebung aufgezeigten Rechtsweg beschritt, sondern mittels einer Anwaltskanzlei in Bayern, die sich vorgebliche Verleumder - die früher von ihm Bespitzelten - oder gegen Wissenschafler vorging, die sich mit der Endzeit der Ceau{escu-Ära beschäftigen.

Jüngst (27. September) gab es am Oberlandesgericht München ein Urteil im Berufungsverfahren, das der Leiter des Instituts für Deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der Ludwig-Maximilian-Universität München, Prof. Dr.h.c. Stefan Sienerth, gegen ein Urteil angestrengt hatte, das ihm verbietet zu behaupten, hinter den Decknamen „Moga“ und „Marin“ habe sich Claus Stephani verborgen, wie es der CNSAS bezeugt. Er darf das endgültig nicht mehr.

Zu erwarten ist, dass demnächst auch andere durch „Moga/Marins“ Spitzeleien betroffene – vor allem Herta Müller, Richard Wagner und Ernest Wichner – von der deutschen Justiz mundtot gemacht werden.

Das Argument – mit dem sich die drei Münchner Richterinnen ganz und alleinig (offensichtlich einseitig, ohne „auditur alter pars“) den Argumenten von Sienerths Gegenseite angeschlossen haben – lautet, hinter den Pseudonymen „Moga“ und „Marin“ habe sich nie eine reale physische Person versteckt, dahinter könne sich nur ein „Konstrukt“ (vulgo ein Phantasiegebilde der Securitate) verbergen. Der Securitate unbequeme Wahrheiten aufzudecken wird jetzt unter Beihilfe deutscher Gerichte unterbunden. Und die Securitate erlangt postwendend Deutungshoheit über die jüngste Vergangenheit. Werden im Dezember auch Richard Wagner und die Siebenbürgische Zeitung mundtot gemacht?

Den für Richter so bequemen Präzedenzfall gibt es ja nun.