Angst, Hoffnung, Skepsis: Die Debatte um den Euro

Letztendlich hängt alles von der Wirtschaftslage ab

„Schauen Sie mal, meine Schürze hat zwei Taschen: In die eine kommen die Euro-Münzen und in die andere die Scheine“, sagt Mihaela schelmisch, denn ein wenig Hoffnung ist bei der 23 Jahre alten Kellnerin mit dem Euro schon verbunden. Ihre Hoffnung geht in Richtung Aufschwung der Wirtschaft, mehr Profit in der Wirtschaft und mehr (Trink) Geld. Psychologisch gesehen, würde Rumänien mit dem Euro ebenfalls an der Tafel der Erlesenen sitzen, glauben viele. „Auch für Investoren wird es einen psychologischen Standortvorteil geben“, vermuten Bürger, die sich mit diesem Phänomen beschäftigen und manch ein Unternehmer sagt auf Anhieb: Firmen mit ausländischen Verträgen werden die Wechselgebühren nicht mehr bezahlen müssen.

Die Maastricht-Kriterien sind jedoch streng und „Rumänien kann derzeit nur ein einziges Beitrittskriterium für den Euro-Raum einhalten“, sagt der Temeswarer Wirtschaftsprofessor Nicolae Ţăran. Allein die Verschuldung der öffentlichen Hand habe eine positive Bilanz aufzuweisen. Bei der Inflationsrate würden bereits die Mankos beginnen, sagt Ţăran. Und das Sparen der Wechselgebühren? „Firmen, die ihre Waren ausführen, sind derzeit bevorzugt: Sie gewinnen durch den Wechselkurs. Nach der Euro-Einführung wird dieser Vorteil wegfallen“, sagt Ţăran.

2015 soll auch in Rumänien der Euro eingeführt werden und trotz schwieriger Wirtschaftslage und pessimistischer Aussichten für manch Euro-Land, hält Rumänien an seinem Ziel fest. „Der Übergang zum Euro im Jahr 2015 ist zwar ein realisierbares aber hoch gestecktes Ziel, sagt der IWF-Chefunterhändler für Rumänien Jeffrey Franks. Trotzdem glaubt Franks, dass Rumänien den eingeschlagenen Weg gehen muss, „um den Druck beizubehalten“. „Mit dem Euro wird es auch zu erheblichen Preissteigerungen kommen. Denken Sie nur, was der Euro für Auswirkungen auf die Preise in Deutschland hatte. Und ich sagte ´Deutschland´“, prophezeit Wirtschaftsprofessor Nicolae Ţăran.

Einer vor Kurzem durchgeführten Meinungsumfrage von GfK Romania nach sind die Bürger Rumäniens in diesem Jahr leicht optimistischer als im vergangenen Jahr. So glaubten im Oktober 2010 fast Dreiviertel aller Befragten, dass ihre finanzielle Lage schlechter sei als ein Jahr zuvor. Bei der Umfrage im Herbst d.J. fanden nur noch sechs von zehn der interviewten Bürger, dass sich ihre Finanzlage im letzten Jahr verschlechtert hat. Trotzdem behaupten 77 Prozent, dass Rumäniens Wirtschaft in den letzten zwölf Monaten wenig erfolgreich war. Für das kommende Jahr vermuten 40 Prozent der Befragten eine Verschlechterung der Wirtschaftslage ihrer Familie. Fast 40 Prozent sehen keine besonderen Veränderungen in ihrem Haushalt und 13 Prozent hoffen auf mehr Geld.

Gerade unter solchen Voraussetzen sieht Wirtschaftsprofessor Ţăran eine falsche Auffassung der Bevölkerung zum Thema Euro in Rumänien. „Die Preise werden gewaltig anziehen“, sagt Ţăran. Die Preise sind derzeit unter dem reellen Wechselkurs. Ein Kaffee zu einem Euro in einer Durchschnittskneipe könne man sich mit dem Euro als Zahlmittel so gut wie gar nicht vorstellen. Preissteigerungen von 50-60 Prozent werde die Euro-Annahme mit sich bringen, sagt der Wirtschaftsprofessor. Auch der finanzielle Inflationsausgleich wird mit der Einheitswährung nicht mehr möglich sein, weil Rumänien unter den neuen Bedingungen nicht mehr wettbewerbsfähig sein kann und die Exporte sinken. Das Resultat der sich daraus ergebenden Situation bezeichnet er schlicht als „Armut“.

Stephan Rambacher ist Werksleiter in der Rumänienniederlassung des deutschen Unternehmens Werzalit. Er sieht den großen Vorteil der Euro-Einführung darin, dass das Budget der jeweiligen Firma planbarer ist, da „die Risiken der Wechselkursveränderungen wegfallen“. Als Beweis, dass die Deutschen das wirklich so meinen: Allein Werzalit beabsichtigt, an ihrem Standort in Lugosch/Lugoj Investitionen in Höhe mehrerer Millionen zu tätigen, dabei geht ihre Produktion zu 85 Prozent in die Auslandsmärkte und Eybl-Prevent ist kurz davor, nach Detta/Deta einen zweiten Standort in Lugosch zu eröffnen. Auch Eybl versorgt momentan nur den Auslandsmarkt. Der dortige Werksleiter Ernst Holzheimer glaubt schon aufgrund der Gesamtsituation im Euro-Raum, dass diese Währung 2015 in Rumänien nicht als Zahlungsmittel verwendet werden kann.

Als habe sich Kellnerin Mihaela zwischendurch dann doch mit dem Leu als Währung auf lange Zeit angefreundet, steckt sie in eine Tasche ihrer Schürze das Geld für die Getränke und in die andere das Trinkgeld. Nur Scheine, denn beim schwachen Leu haben Münzen einfach keinen Wert.