Auf der Donau ins „wilde“ Banat (7)

Die frühe Ansiedlungszeit der Banater Schwaben im Spiegel der Literatur/ Romane von Karl Wilhelm von Martini, Adam Müller-Guttenbrunn und Gerda von Kries

Mißfinkos ist wie ausgewechselt, genießt sichtlich das bunte Treiben in der Stadt und klärt seinen Begleiter auf über den Grund der Ausgelassenheit der Menschenmassen, die in die Straßen Temeswars strömen:

„Na, amice, siehst denn nicht, wie neben uns die Straße lebendig wird. Das ganze Banat zieht zu Roß und zu Wagen herbei, um in der großen Messe, welche zu Ehren der Befreiung vom Türkenjoche gestiftet worden, ein Pater noster zu beten. Nach der Messe ist feierliche Procession und da trollt man mit, lacht und scherzt mit alten Cumpanen, beguckt hübsche Weibsen, macht Connexionen und erlaubt sich im tollen Gedränge – verschiedene Plaisieren.“ (Martini)

 

Die Stadt war drei  Jahrzehnte nach ihrer Eroberung durch Prinz Eugen im totalen Umbruch und Aufbau begriffen. Für den  stadtgeschichtlich interessierten Leser dürfte das Temeswarer Lokalkolorit, das der Erzähler im Roman „Pflanzer und Soldat“ expressis verbis für die Zeit um 1750 nachzeichnet, von besonderem Reiz sein.  Die beiden Reiter waren beispielsweise durch das „Wiener Tor … unbefragt und unbelästigt in die Festung und Hauptstadt“ gekommen. Martin wäre am liebsten in die erste Herberge, in die vom Gastwirt angepriesene „Arche Noah“ eingekehrt,  doch Mißfinkos war „nicht gewillt, sich mit ´einfältigen Bauernlümmeln´ in der ´Arche´ einpferchen zu lassen“. Es zog ihn in „die flotte Kneipe zur ´Goldenen Jungfer´“.(Martini)

Und flott geht es in den Kneipen und engen Gassen zu. Der unerfahrene Martin leiht sein letztes Geld dem außer Rand und Band geratenen Mißfinkos, der es beim Glücksspiel und Zechgelage durchbringt. Weiteres Ungemach sucht Martin schicksalhaft heim. Er wird von der Stadtwache aufgegriffen, kann sich nicht ausweisen und wird kurzerhand zum Militär eingezogen:

"M.(Martini) artin wußte noch immer nicht, ob er wache oder träume, (…) noch daß er der hohen Ehre teilhaftig geworden, ein Mitglied des kaiserlichen Regiments  Artimcloit zu sein. Von diesem Regimente lag eine Compagnie als Besatzung im Castell Mehadia, tief im wilden Hochlande, knapp an der türkischen Grenze und dort auch sollte der Sohn und Sprosse des patricischen Geschlechts der Initrams  ´in Stand und Gebühr´ genommen werden" (Martini)

 

Damit nahm die  Banat-Erkundung unseres Haupthelden eine entscheidende Wendung. Die Wege des ungarischen Land-Adeligen und Martin Initrams trennen sich für einige Zeit, und Martin lernt das Militärleben und den Bereich der Österreichischen Militärgrenze im Banat dort kennen, wo die fortbestehende Spannung zu den nahe stationierten türkischen Truppen nicht nur spürbar war,  sondern sich hin und wieder in Überfällen  gefährlich entlud. Zu dieser permanenten Konfliktlage kamen die Widerstände und Unruhen der alteingesessenen rumänischen Bevölkerung gegen die neue Militärmacht hinzu.

Den Erzähler spricht Mehadia vor allem als landschaftlich wunderbar gelegener Ort seiner frühen Jugend an, den er in märchenhafter Erinnerung bewahrt hat, wie dies die bereits zitierte Widmung eingangs des Romans zeigt. Diese Erinnerungen bilden den Hintergrund zu den Erlebnissen, über die er aus der Sicht seines Urgroßvaters berichtet. Die Beschreibungen der urwüchsigen Landschaft an der Cerna und an der Donau prägen weite Teile des nun folgenden Romangeschehens bis in die Schlusskapitel des zweiten Bandes, wobei es an abenteuerlichen Geschichten nicht fehlt.In den „Casematten“ des Castells Mehadia zählt Martin also zu den 120 Mann, die zu dieser Zeit(um 1750) dort als „Grenzverteidiger österreichischer Hausmacht“ stationiert waren, dies nicht nur gegen Feinde von außen:

"(Es) mußte mit Geschick, Umsicht und Energie gegen die Frevler am Landfrieden zu Felde gezogen werden. Kurz vor Martins Eintreffen im Castelle hatte man daher die Bahn drakonischer Repressalien betreten, schnell aburteilende Standgerichte düngten die Grenzcantone mit dem Blute gefangener Bandenführer, deren verödete Berggehöfte niedergebrannt, deren Vieh confiscirt wurde. Und die durch Alter, Einsicht und Viehreichtum einflußreichsten Eingeborenen oder deren Söhne und Töchter hatte man ausgehoben und als Geiseln nach den festen Plätzen gebracht, wo sie mit ihrem Kopfe für die Sicherheit der Reisenden, der militärischen Commanden, der Posten, der Geld- und Gütersendungen zu haften hatten."(Martini)

 

Fortsetzung folgt