„Costel“, die Herberge für Leute auf Reisen

Temeswars erstes Hostel ist einfach anders

Vlad Corduneanu kommt aus Bokschan und ist einer der drei Inhaber des Hostels „Costel“.

„Unser Hostel ist anders, weil wir auch hier wohnen“: Radu Cevdarie überzieht die Betten.

Große Kulleraugen: Bronco weiß, wie er die Herzen der Gäste erobern muss. Fotos: Zoltán Pázmány

Mit leisem Quietschen geht das Metalltor auf, und der Gast beschleunigt seine Schritte. Die Freude, nach der langen Reise endlich mal ein Dach über dem Kopf zu haben, ist groß. Das braun gestrichene Gebäude, in dem der Tourist heute Nacht schlafen wird, ist mir grünen Wandverzierungen im Barockstil versehen. Es könnte aus einer anderen Ära stammen und gerade das ist der außergewöhnliche Charme der Einrichtung in der Nähe des Trajansplatzes. Wer die Tür zur Lobby öffnet, der sieht links an der Wand ein Schild hängen - mit einer Inschrift auf Französisch: „Ceci n´est pas un hostel“. Das hier ist keine Jugendherberge, liest Vlad Corduneanu laut vor.

Und damit hat der 31-Jährige völlig recht. Denn die Herberge in der historischen Altstadt von Temeswar/Timişoara ist kein Hostel unter vielen, sondern das einzige Hostel in der Stadt an der Bega. Es heißt „Costel“ und bietet seinen Gästen nicht nur kostengünstige Übernachtungen, sondern auch jede Menge Spaß.

Das Hostel „Costel“ gehört drei Freunden, die sich vor etwa zwei Jahren bei einem Glas Bier ernsthaft Gedanken darüber gemacht haben, wieso es in der Hauptstadt des Banats noch kein einziges Hostel gibt. Sie waren viel herumgereist und überall gab es Herbergen, in denen wenig anspruchsvolle Reisende eine billige Bleibe für die Nacht finden konnten. Als sie an dem Abend nach Hause gingen, wurden sie am Domplatz von einer Gruppe Deutscher angehalten. „Kennt ihr ein Hostel?“ fragten diese. Die Jungs hoben unschlüssig die Schultern. Vor zwei Jahren gab es in Temeswar keine einzige Einrichtung, in der junge Leute zu günstigen Preisen übernachten konnten. Die drei jungen Männer aus Bokschan/Bocşa, Temeswar und Hermannstadt/Sibiu fassten die Entscheidung, selbst eine solche Gaststätte zu eröffnen.

Die Wahl des Namens war absoluter Zufall. Denn als sich Vlad Corduneanu (31), Radu Cevdarie (26) und Alex Smaranda (27) beim Bürgermeisteramt Temeswar erkundigten, welche Papiere für die Eröffnung eines Hostels nötig seien, fragte die Angestellte vom Rathaus verdutzt: „Costel? Cine-i Costel?“ (deutsch: Wer ist Costel?) Die Frau hatte sich entweder verhört, oder das Wort „Hostel“ war ihr damals noch fremd. Für Vlad, Radu und Alex war das ein glücklicher Zufall. Sie hatten zwar noch keine Papiere bei der Hand, dafür aber einen witzigen Namen, der sich schnell ins Gedächtnis einprägt: Hostel „Costel“.

Ein Business aus Leidenschaft

Das Hostel „Costel“ befindet sich in der Petru-Sfecta-Straße Nr. 1, nur eine Viertelstunde Fußweg von der Innenstadt entfernt. Die Location ist ideal, denn von hier kann man schnell die drei Must-Sees in Temeswar erreichen: die Festung, den Domplatz und das Stadtzentrum.  Im Hostel „Costel“ sind Snowboards zu Regalen geworden, auf denen Vinylplatten ruhen. Die Herberge ist ein Ort mit Persönlichkeit, in dem kein Möbelstück dem anderen gleicht. Das Gebäude, in dem das Hostel untergebracht ist, stammt aus dem Jahr 1921. Es könnte sogar sein, dass Ziegelsteine aus der ehemaligen Temeswarer Festung für den Bau verwendet wurden.


Die drei Hostel-Besitzer Vlad Corduneanu, Radu Cevdarie und Alex Smaranda haben es selbst renoviert. Zeit fanden sie vor oder nach dem Job, denn das Hostel ist immer noch keine Hauptbeschäftigung für die drei, sondern nur ein kleines Business nebenbei. „Hauptsache, es läuft von allein, ohne Verluste“, sagt Vlad Corduneanu. Das Hostel „Costel“ entstand sozusagen aus purer Leidenschaft, denn wer wagt es, in finanzschwachen Zeiten ein eigenes Business zu eröffnen?

Von den alten Gegenständen, die sie im gemieteten Altbau fanden, verwerteten sie so viele wie möglich. Ein perfektes Zusammenspiel von Alt und Neu, von Geschichte und Moderne charakterisiert den Ort. Das Hostel hat auch ein süßes Maskottchen: den Hund Bronco, ein brauner Mischling mit kurzem Fell, den die Gäste sofort ins Herz schließen. Es ist nicht zu übersehen: Das Hostel „Costel“ ist anders. „Ich glaube, die familiäre Atmosphäre macht den Unterschied. Wir wohnen auch hier“, sagt der Absolvent der Nikolaus-Lenau-Schule, Radu Cevdarie, von Beruf Architekt.

Dass die drei Hostel-Besitzer mit viel Leidenschaft gearbeitet haben, merkt man schnell. Begeistert erzählen sie von ihren Gästen, mit denen sie gern in Kontakt treten. „Wir hatten Leute, die für einen Tag kamen und eine Woche blieben, weil es ihnen bei uns gefallen hat“, verrät Vlad Corduneanu, studierter Psychologe, zur Zeit im IT-Bereich tätig. Seit der Eröffnung des Hostels, im Juli 2011, übernachteten Leute von allen Kontinenten im „Costel“. „Temeswar ist leider keine touristische Stadt. Sie befindet sich irgendwo zwischen Budapest und Belgrad, auf dem Weg nach Hermannstadt“, sagt Vlad Corduneanu. Die meisten Touristen, die nach Rumänien reisen, wollen in die Maramuresch, nach Siebenbürgen oder ins Delta. Dass Temeswar trotz niedrigerem Bekanntheitsgrad gute Chancen auf den Titel einer europäischen Kulturhauptstadt hat, bestreiten die Hostel-Inhaber nicht. „Temeswar hat viel Potenzial: historische Gebäude, Grünanlagen, eine bemerkenswerte Geschichte“, erläutert Radu Cevdarie.

Auf der Suche nach den deutschen Vorfahren

Bis zu 25 Personen können gleichzeitig im Hostel Costel übernachten. Es gibt vier Zimmer, für zehn, sieben, sechs und zwei Personen. Die Preise beginnen bei 9 Euro pro Nacht. Eine Übernachtung im Doppelzimmer kostet 15 Euro pro Person. Die meisten der Gäste waren Ausländer. Aus Deutschland, Frankreich, Brasilien, Australien: Die Leute kamen von überall her. Unter den Gästen waren auch Jugendliche aus Deutschland, die die Geburtsorte ihrer Eltern im Banat sehen wollten. Die meisten Reisenden werden im Sommer erwartet. Aus Rumänen waren eher wenige Gäste im Hostel zu Gast. „Wenn der Rumäne einen Ausflug unternimmt, erzählt er nicht, was er gesehen hat, sondern wie das Hotel war. Ob das Essen geschmeckt hat, zum Beispiel“, sagt Radu Cevdarie. Das sei der Unterschied zwischen den jungen Rumänen und Leuten aus Westeuropa. Für Ausländer sei es wichtig, eine nette Unterkunft zu finden – und schöne Orte zu besichtigen.
„Die meisten unserer Gäste befinden sich auf der Durchreise. Es sind hauptsächlich junge Leute“, sagt Vlad Corduneanu. Die Gäste finden das Hostel über das Internet – die beste Werbung, glauben die Hostel-Betreiber. Für Leute auf Reisen war das Hostel auch gedacht.

Die meisten Gäste von „Costel“ bleiben doch länger als geplant. Denn wer im Hostel „Costel“ übernachtet, der bekommt von Vlad ein paar witzige Häppchen Temeswarer Geschichte erzählt und dazu auch ein gutes Stamperl Schnaps. Nach dem Rundgang durch die Altstadt dauert es dann nicht mehr lange, bis sich Touristen auf der Durchreise in Temeswar verlieben.