Das bestehende System ändern

Musikproduzent Sebastian Arnold möchte musikalische Grenzen sprengen

Der in Berlin lebende Sebastian Arnold gab im Club Setup aus Temeswar ein Konzert. Es war die zweite Station seiner Rumänientournee, die durch die deutschen Kulturzentren des Landes führt.

Sebastian Arnold lädt zu einem interstellaren Ausflug ein. Die One Man Band aus Berlin braucht dafür nur sein Schlagzeug. Gelegentlich schleichen sich zwar noch Keyboard und Synthesizer dazu, machen aber den Drums nicht den Platz streitig. Sie sind lediglich Begleithilfen, sollen ergänzen und nicht ersetzen. Denn dem experimentierfreudigen Musiker geht es um den Live-Charakter seiner Musik. Fast alle Töne müssen von ihm kommen. Damit bricht er mit Konventionen des Electro-Genres. Und das gewollt. Im Grunde möchte er sich auch gar nicht in die Schublade stecken lassen. Seine Musik ist vielmehr ein Crossover aus unterschiedlichen Musikstilen, die er auf der Bühne zusammenbringt.

Dass sich Musiker oft auf ein Genre fixieren, hat Arnold schon immer gestört. „Niemand macht das, wozu er Lust hat“, findet der Künstler.

Geboren und aufgewachsen in Freiburg, zwischenzeitlich in Rottweil, hat es Sebastian Arnold 2005 nach Berlin verschlagen. Die lebendige Musikszene habe ihn in die Hauptstadt getrieben. Entgegen seiner musikalischen Bestrebungen entschied sich der Freiburger für ein Informatikstudium. Seine eigensinnige Musik fand ihren Ursprung in der traditionellen elektronischen Musik. Am heimischen Rechner produzierte er die ersten Tracks, die sich auch auf sein Debütalbum „Mad Scientist Drummer“ verliefen. Im Schlagzeug fand er schnell eine Alternative, was aus seinem Debütalbum gleichzeitig auch ein Übergangswerk machte: von den ersten Gehversuchen als Electro-Producer zum Live-Electrodrummer. Dem Informatikstudium sei dank hat Arnold die erforderliche Steuerelektronik selbst gebastelt. Instrumente, wie sie der Musiker während seiner Liveauftritte verwendet, können im Laden nicht gekauft werden. Alles wurde von ihm selbst entwickelt und auf seine Bedürfnisse angepasst.

Das Cover seines zweiten Albums „Attempt to Change a Running System“ wirkt geradezu irreführend: Das einsame Schlagzeug auf deutscher Heide deutete auf einen unplugged Drummer hin. Dabei ist Sebastian Arnold genau das Gegenteil. Als würde er eine Raumkapsel bedienen, so hatte ein Fan Arnolds Liveauftritte beschrieben. Diese sind für den Freiburger stets eine Herausforderung. Da spielt er schon mal bis zu 10 Minuten lange Schlagzeugpassagen wie ein Roboter, während er den Computer gleichzeitig als Musikinstrument, ohne vorprogrammierte Beats. Es entsteht ein Rollentausch: Der Mensch wird zur Maschine und die Maschine wird vermenschlicht. Darin liegt das Besondere an Sebastian Arnolds Musik. Er bringt zwei Welten zusammen und lässt sie miteinander kommunizieren. Der Name seines zweiten Albums unterstreicht das künstlerische Vorhaben des ambitionierten Musikers gekonnt. Da dringt der Informatiker durch, der ein bestehendes System verändern will, statt sich auf das dogmatische „Never change a running system“ einzulassen, weil ja etwas kaputt gehen könnte. Das Risiko nimmt er gerne in Kauf.

Seine experimentelle Seite entdeckte er dank der Freiburger Band „Beeah“. Er beschreibt sie als eine „verrückte Zusammenstellung von unterschiedlichen Genremusikern“. Eine Crossoverband, die auf Improvisation setzt und sich durch den deutschen Underground schlägt. „Beeah“ diente auch als Namensgeber von Sebastian Arnolds Plattenlabel. Hier erschienen seine bisherigen zwei Alben. Sein drittes Album  wurde diese Woche veröffentlich, trägt den passenden Namen „Interstellar Getaway“ und beinhaltet Tracks, deren Titel noch aussagekräftiger für Arnolds Musik sind. Zumindest „Driving a Spaceship“ lässt vermuten, woher der Musiker sich inspirieren ließ. Auch das erste Musikvideo sollte bereits im Netz stehen. Neben sich selbst, vertritt Arnolds Plattenlabel „Bleeah Music“ noch sechs weitere Künstler. Das Stichwort „Crossover“ oder zumindest „eigensinnig“ fällt dabei jedes Mal. Denn dem Freiburger geht es in erster Linie um gerade das: Musikalische Grenzen sprengen und seine eigene Musik finden, die nicht in irgendeine Schublade passt.