„Das Buch ist nicht ersetzbar“

„Ich habe auch einen Bezug zum Kind in mir selbst“ – Dirk Walbrecker auf Besuch in Temeswar. Foto: Zoltán Pázmány

Er ist der Schöpfer von „Geheimbund Murmel“ und „Die Geisterhandys“: Dirk Walbrecker zählt zu den erfolgreichsten deutschen Kinder- und Jugendbuchautoren Deutschlands. Seine Bücher wurden in mehreren Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Jedes Jahr unternimmt der Autor Lesereisen durch die deutschsprachigen Länder. Ende September besuchte Dirk Walbrecker zum ersten Mal auch Rumänien. Im Deutschen Kulturzentrum Temeswar hielt der Autor eine Werkstatt und eine Lesung für Kinder. BZ-Redakteur Robert Tari sprach mit dem Schriftsteller über die Zukunft des Buches und die Unterschiede zwischen Kinder- und Jugendbüchern.

Sie sind als Kinder- und Jugendbuchautor seit über 25 Jahren sehr erfolgreich. Davor waren sie lange Jahre als Lehrer und in der Filmbranche tätig. Wie kommt man dazu für Kinder und Jugendliche zu schreiben?

Ich glaube, dass das sehr verschieden ist. Entscheidend ist sicher, dass das Kind in dir selber noch weiterlebt. Du musst einen Bezug zu Kindern haben. Es ist nicht so, dass jeder Kinderbuchautor oder Kinderbuchautorin auch Kinder hat. Es gibt auch welche, wo man sagt: Hm, seltsam. Aber irgendwas muss da mitschwingen und bei mir kann ich es nur ganz persönlich sagen: Ich liebe Kinder, ich habe Kinder immer gemocht. Ich habe auch einen Bezug zum Kind in mir selbst. Es war mir immer wichtig zu sagen: Ich möchte mich weiterfreuen, ich möchte weiterhin spinnen, ich möchte weiterhin kreativ sein. Vieles durfte ich als Kind nicht, ich bin streng erzogen worden und jetzt darf ich einfach fantasieren, spinnen und so weiter. Hinzu kommt, dass mich einige Probleme der Jugend interessieren wie zum Beispiel das Problem der Selbstfindung. Ich habe einen Jugendroman geschrieben, den gibt es schon in der neunten Auflage und heißt „Pralle Töne“, darin geht es um Drogen und Musik. Ich liebe Musik, ich kann persönlich keine Instrumente spielen, nur ein ganz klein bisschen Piano, aber ich liebe die Musik von der Klassik bis zu Rock, Pop, Jazz usw. Und wie wir wissen, sind einfach unglaublich viele Musiker draufgegangen. Absolute Top-Musiker sind aufgrund von Drogen gestorben. Und ich habe einen Roman dazu geschrieben, in einer relativ einfachen Sprache und filmisch aufbereitet, wurde aber nicht verfilmt, und das Buch ist dauernd Klassenlektüre.

Was ist schwieriger zu schreiben, Kinder- oder Jugendbücher?

Es ist eine Typenfrage, glaube ich. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die diese Bandbreite wie ich haben, die durchaus auch kleine Kinder vom Kindergarten an ansprechen können. Ich würde sagen: Ein gutes, richtig gut gemachtes Bilderbuch, nicht nur von den Illustrationen, sondern auch von der Geschichte, ist manchmal schwieriger als einen Kinderroman zu schreiben. Damit jedes Wort wirklich präzise ist und damit Bild und Text wirklich koordiniert sind und miteinander gut zusammenpassen, ist eine besondere Kunst. Es gibt wenige, die beides können. Paul Maar war ja hier, der kann beides. Er ist auch einer, der die Bandbreite hat von Bilderbuch über Kinderbuch bis hin zum Erwachsenenbuch. Aber das sind nur relativ wenige. Viele sind Spezialisten. Nur Krimis, nur Fantasy oder, oder, oder. Ich hatte von Anfang an Lust  mal für die Kleinen zu schreiben und dann mal für die Älteren.

Man spricht immer öfters davon, dass die Menschen aufhören zu lesen. Glauben Sie, dass das klassische Buch aussterben wird?

Also die Tendenz ist da. Wenn man sich die letzten Jahrzehnte anschaut, was kulturell passiert ist und ich teilweise auch miterlebt habe. Ich habe ursprünglich Germanistik und Theaterwissenschaften studiert, dann kam ich zum Film und da hieß es: Theater ist tot, in Zukunft ist es nur noch Kino. Dann kam der Fernsehboom – neue Sender, neue Sender, neue Sender. Dann hieß es: Film, Kino ist tot, wir haben jetzt alle unser Kino zu Hause. Museum war sowieso schon tot. Tatsache ist: In ganz Europa, in den USA, Kanada, überall gehen die Menschen ins Museum. Sie gehen auch ins Theater. Es funktioniert. Und so wird es mit dem Buch genauso sein. Es werden ein paar abspringen. Es werden einige umsteigen auf E-Book und iPad. Aber das was wir hier stehen haben, diese Bücher werden nie verschwinden. Weil das Buch nicht ersetzbar ist. Das ist ein Kulturgut, das über Jahrtausende da ist - in den verschiedensten Kulturen. Es hat nichts mit Religionen oder Mentalitäten zu tun. Selbst die Roma, die lange Zeit nur mündlich erzählt haben, haben auch irgendwann geschrieben. Inzwischen gibt es eine richtige Roma-Literatur. Das Buch ist was Sinnliches. Du kannst es anfassen. Immer wenn meine Schwester ein Buch zum Geburtstag bekam, hat sie er zuerst genommen und erst einmal daran gerochen. Wie das Buch riecht, war das erste Qualitätsmerkmal. Das hatte mit dem Inhalt noch gar nichts zu tun. Ich glaube an die Zukunft des Buches. Nicht weil ich Optimist bin, sondern weil es auch einfach diese Kulturgeschichte gibt. Mal ist das eine Medium wichtiger und mal ist es das nächste. Jetzt brauchen wir die vielen Spielmedien. Fernsehen ist für viele nicht mehr so attraktiv. Das Niveau ist auch gesunken, das muss man auch dazu sagen.