Das Gruselmärchen ist noch längst nicht aus

Zur DSTT-Premiere „Hänsel und Gretel“

Die armen Kindchen im Walde: Hänsel (Boris Gaza) und Gretel (Ramona Olasz) in der ersten DSTT-Premiere dieses Jahres. Foto: DSTT

Draußen ein frostiges Wintermärchen: eine von Schnee und Eis belagerte Stadt, durchdringende Kälte aus Sibirien, vor der Oper, allem zum Trotz, eine 50köpfige lautstarke Demo mit den bekannten Anti-Parolen „Nieder mit dem, mit dem und noch einmal nieder!“ Drinnen, im DSTT-Saal, ein lustiges Völkchen, zur Hälfte eine unruhige Kinderschar, in richtiger Feststimmung: Die Temeswarer Schaubühne brachte als erste Premiere des Jahres das Märchen-Musical „Hänsel und Gretel“ nach den Brüdern Grimm in der Bühnenfassung von Simona Vintilă (Buch) und des bekannten Temeswarer Rockmusikers Ilie Stepan (Musik) auf die Bühne.
 

 „Vor einem großen Walde wohnte ein armer Holzfäller mit seiner Frau und seinen zwei Kindern; das Bübchen hieß Hänsel und das Mädchen Gretel“: So beginnt eines der bekanntesten Märchen der Welt, gefunden von Jacob und Wilhelm Grimm, das vor zwei Jahrhunderten 1812 in Berlin in dem schmalen Bändchen „Kinder- und Hausmärchen“ veröffentlicht wurde, und u.a. mit so unsterblichen Gestalten wie Rotkäppchen, Hans im Glück, Schneewittchen, Aschenputtel, Dornröschen oder den Bremer Stadtmusikanten bevölkert war. Es ist eines der wenigen Märchen der Brüder Grimm, das nicht mit „Es war einmal...“ beginnt, und auch nur die banale Geschichte einer vor Armut und Hungersnot geplagten Familie eines Holzfällers erzählt. Eine Geschichte, die heute und auch hierzulande im Hatzeger Land, gerade jetzt, da wir das schreiben, spielen könnte, nicht wahr. Das Gruselmärchen lauert im Wald auf die armen Kinder, Hänsel und Gretel, wie immer in den Geschichten von Gut und Böse, mit einem verlockenden Lebkuchenhaus , einer bösen Hexe und freundlichen Elfen.
 

In der Bühnenfassung und der Spielleitung von Simona Vintilă knüpft das junge Ensemble damit an die am DSTT erfolgreiche Tradition der Märchenmusicals wie „Schneewittchen“ oder „Die Schöne und das Biest“ an. Zum Schmunzeln der Eltern und zum Gaudi der Kleinsten wird die Story als Komödie durchgespielt.

Prickelnde Dialoge, Situationskomik aber auch viel Ulk und Nonsens werden aneinandergereiht: So blödeln Hänsel und Gretel, in ihrer Angst, darüber, dass man doch auch einen Prinzen im dunklen Wald finden könnte, vielleicht Prinz Charles, meint Hänsel (Boris Gaza). „Nein, nein“, wehrt Gretel (Ramona Olasz) ab.“Nur keinen Prinzen mit Glatze!“ Die Hexe (Tatiana Sessler), als typischer Modefreak unserer Zeit, singt „Ich bin die Hexe Sexy. Hexy, so sexy bin ich!“ Gar brandaktuell wird es auf der Bühne, als man die Hexe wegschaffen bzw. in den Backofen stecken muss. Die beiden Elfen Sledda und Feanor zücken sofort Demo-Tafeln mit dem populären Aufruf „Weg mit der Hexe!“ Am Ende macht die Hexe so richtig Politik, sie schwört, keine Kinder mehr zu fressen und bekehrt sich gar zum braven Leben als Vegetarierin.
 

Zu den Highlights des Abends kommt es vielmehr bei Gesang und Tanz: Ilie Stepan komponierte wieder einmal eine rockige Originalmusik, Dana Borteanu verfasste die Liedertexte und sang Lied um Lied als begleitende Erzählerin. Es spielten noch, mit viel Aufwand und Spielfreude, Isolde Cobeţ, die jüngsten Darsteller Anne-Marie Waldeck und Aljoscha Cobeţ (u.a. erste Premiere der beiden am DSTT) sowie Franz Kattesch (als Vater in seiner ersten Rolle nach seiner Rückkehr zum DSTT).


Für die Choreographie zeichnete Liana Iancu, das Light-Design Botond Nosz (Großwardein), Bühnenbild und Kostüme stammten von Ioana Popescu.

„Mein Märchen ist aus, dort läuft eine Maus...“, heißt es in den Kinder- und Hausmärchen von 1812. Nach Vorstellungsschluss verwandelte sich die Bühne zum Spielplatz der Kleinsten. Liebe Zuschauer, das Gruselmärchen ist doch noch längst nicht aus.