Der Fall Bodnariu: Banater zeigen Solidarität

Temescher Jugendamt nahm 2015 fast 200 Kinder in Obhut

Ein komplexes Verfahren: Das rumänische Jugendamt holt Kinder nur in schwerwiegenden Fällen auf der Stelle ihren Eltern weg. Meist darf das Kind bei der Mutter bleiben.
Symbolfoto: Zoltán Pázmány

Auf dem Foto sehen sie glücklich aus: Zwei kleine Jungs, zwei Mädchen, die schwangere Mutti, der Papa. Inzwischen ist auch Baby Ezekiel zur Welt gekommen, doch die einst lächelnden Gesichter der Erwachsenen sind heute von Schmerzen verzerrt. Wer das Bild sieht, der weiß es: Darauf abgelichtet ist die Familie Bodnariu, deren minderjährige Kinder das norwegische Jugendamt im November vergangenen Jahres übernommen hat. Der Grund: Die Eltern Ruth und Marius Bodnariu sollen den Kleinen körperliche Strafen erteilt haben bzw. sie religiös indoktrinieren wollen. Die pentekostalen Eltern dürfen die Kinder, die nun, fern von Mutter und Vater, bei drei Pflegefamilien untergebracht sind, ab und zu besuchen. Das Baby war zu dem Zeitpunkt, als es von der Mutter weggenommen wurde, noch gestillt.

Der Fall Bodnariu sorgte rumänienweit für Schlagzeilen. In Bukarest kam es zu Protesten vor der norwegischen Botschaft, doch auch in anderen Städten riefen die Bürger zur Solidarität mit der betroffenen Familie auf. Vor einigen Tagen kamen in Arad knapp 2000 Menschen zusammen - in Temeswar/Timi{oara trafen sich Anfang Januar rund 500 Leute, um vor der Temescher Präfektur gegen die Bestimmungen in Norwegen zu protestieren, die es erlauben, dass das norwegische Jugendamt Barnevernet einfach so die Kinder von ihren Eltern wegnehmen kann. „Ich finde, dass die Kinder von ihren leiblichen Eltern großgezogen werden müssen. Sie sollen nur dann weggenommen werden, wenn sie geschlagen oder sexuell belästigt werden – wenn das Kind geschützt werden muss“, sagt Cristina Rus, die sich zu den Protestlern in Temeswar gesellte. Die dreifache Mutter möchte Gerechtigkeit für die Familie Bodnariu. „Eine genaue Untersuchung, mit Augenzeugen und Beweisen, muss durchgeführt werden, bevor die Kinder aus der Familie geholt werden, nur, weil jemand der Ansicht ist, dass sie nicht richtig erzogen werden“, sagt sie.

Dass die Bodnarius ihre Kinder misshandelten, konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Die Eltern gaben zwar zu, ab und an körperliche Strafen angewandt zu haben, es ging dabei lediglich um kleine Ohrfeigen, behaupteten sie. Etwas anderes habe aber zusätzlich dazu geführt, dass das Jugendamt von der Leitung der Schule, die die beiden Mädchen besuchen, verständigt wurde: Die Mädchen sollen in der Schule religiöse Lieder gesungen bzw. von Gott erzählt haben. Das Fazit der norwegischen Behörden: Die Kinder werden religiös indoktriniert und haben bei ihren leiblichen Eltern nichts zu suchen.

Dass so etwas hierzulande vorkommen könnte, dass derartige Beweggründe das Jugendamt dazu veranlassen könnte, Kinder von ihren Eltern zu trennen, ist kaum vorstellbar. Dennoch passiert es, dass Kinder aus der Familie geholt werden. Das Jugendamt schreitet ein, wenn die Kinder geschlagen oder vernachlässigt werden. Oft ist Alkohol im Spiel, ein gewalttätiger Vater, menschenunwürdige Lebensbedingungen. Insgesamt 189 Kinder waren es 2015 im Verwaltungskreis Temesch/Timi{, die aus ihren Familien entfernt wurden. Sie wurden jeweils in Krisenzentren, in Ersatzfamilien, bei professionellen Pflegekräften oder in Waisenhäusern untergebracht.

„Das Verfahren, das dem rumänischen Jugendamt erlaubt, Kinder aus ihren Familien zu entfernen, ist sehr komplex“, erklärt Smaranda Marcu, die Pressesprecherin des Temescher Kinderschutzamtes. Das Jugendamt darf das lediglich nach einem längeren Beobachtungsprozess tun, infolge dessen nachgewiesen wird, dass die Kinder belästigt worden sind bzw. wenn es sich Extremfälle handelt, bei denen den Minderjährigen die medizinische Betreuung oder die Ernährung verweigert wurde . „Wir setzen sehr viel auf die psychologische Beratung - sowohl für die Kinder, als auch für die Eltern“, sagt Smaranda Marcu. „Wenn all unsere Hilfsversuche für die betroffene Familie scheitern und wir bemerken, dass die Eltern nichts Positives mitnehmen, dass sich da nichts ändert, erst dann werden die Kinder aus diesem Umfeld entfernt. In der nächsten Etappe wird die Integration in die Familie ihrer Verwandten versucht – bis hin zur Verwandtschaft vierten Grades“, fügt die Pressesprecherin hinzu. Soll auch dieser Versuch scheitern, so werden die Kinder in Notfalleinrichtungen eingewiesen. „Dabei werden Geschwister auf keinem Fall getrennt“, erklärt Smaranda Marcu. Allein, wenn es um schwere Vorfälle geht, bei denen das Leben des Kindes in Gefahr ist, wird der Minderjährige auf der Stelle von der Familie getrennt, betont sie.

Voreilig habe das norwegische Kinderschutzamt Barnevernet gehandelt, sind zahlreiche Rumänen überzeugt. Der Fall Bodnariu ist kein Einzelfall. Seit Jahren laufen Prozesse von Eltern gegen den norwegischen Staat und das dortige Kinderschutzamt.  Rumänische Politiker fordern ebenfalls Klarheit in dieser Situation.