„Die Rolle einer Kulturhauptstadt besteht nicht darin, bereits existierende Kulturevents und Festivals zu finanzieren“

Interview mit Simona Neumann, Geschäftsführerin des Vereins „Temeswar – Kulturhauptstadt Europas“

Gute Noten in Brüssel, schlechte in Temeswar – wieso?

Nachdem der „Verein Temeswar – Kulturhauptstadt Europas“ zum Umsetzen des Projektes nach dem Gewinnen des Titels ein Jahr lang monitorisiert wurde, hat die Expertenjury seitens der EU einen Bericht vorgelegt, der für uns ein sehr gutes Arbeitsinstrument darstellt, damit wir sehen, welche Aspekte - vor allem was das Kulturprogramm betrifft - einer weiteren Verbesserung bedürfen, diese haben wir bereits ins Auge gefasst für 2018. Die Schlussfolgerung der Jury lautete: ‚Die Jury ist sehr zufrieden mit der Tätigkeit und den Fortschritten, die TM2021 bereits seit der Nominierung verzeichnet hat (mit Ausnahme der finanziellen Probleme). Sie begrüßt den Teamgeist, der ein Ass ist, und betrachtet die Kriterien, die für die Selektion der Projekte in Betracht gezogen werden, eine sehr gute Praxis. Die Jury erkennt die Aktivität an, die eine solide Basis für die Kulturhauptstadt 2021 darstellt, indem in die Entwicklung der Kapazitäten des Kultursektors und in die lokalen Partnerschaften und damit in die langfristige Nachhaltigkeit des Projektes investiert wird. Trotzdem will die Jury erneut die relevanten öffentlichen Verwaltungsebenen auf die Notwendigkeit der Sicherung von konstanten Finanzierungsströmen aufmerksam machen“.

Wie aber wird die Beziehung mit der Stadtverwaltung weiter aussehen?

Die Beziehung mit der Stadtverwaltung ist eine sehr wichtige. TM2021 ist ein Projekt der Stadt, der Temeswarer Gemeinschaft. Wir haben zusammen diesen Weg begonnen und die Kandidaturdokumentation wurde auf diese Beziehung aufgebaut. Demzufolge müssen jegliche Missverständnisse, die im Laufe der Umsetzung des Projektes aufkommen sollten, mit viel Ruhe, in guter Zusammenarbeit und im Sinne des Findens von praktischen Lösungen betreut werden. Die Stadtverwaltung ist Mitglied im Verein und Mitglied im Vorstand. Die Stadtverwaltung war sowohl in der Interviewphase im Laufe der Kandidatur als auch beim Monitoring-Interview in Brüssel, im Oktober 2017 vertreten. Sie wird vom Verein über die Lage des Projektes mehrmals im Jahr unterrichtet, das beinhaltet sowohl die narrativen als auch die finanziellen Berichte. Das kommt zur direkten Kommunikation hinzu, die wir konstant führen. Somit hege ich keine Zweifel daran, dass wir weiterhin zusammenarbeiten werden und dass wir uns alle wünschen, dass dieses Projekt ein erfolgreiches wird.

Beschreiben Sie, bitte, in ein paar Worten, die Beziehung des Vereins mit den Kulturinstitutionen der Stadt und wie diese in das Projekt einbezogen werden.

Der Verein hat in seiner Zusammensetzung zurzeit 70 Kulturinstitutionen und selbstständige Organisationen, Bürgerorganisationen, Privatpersonen, Vertreter der Geschäftsleute, der Universitäten. Die selbstständigen Kulturinstitutionen und -organisationen haben zur Aufstellung des Kulturprogramms beigetragen, während der Kandidatur und nach dem Erlangen des Titels haben wir begonnen, konstant mit ihnen zusammenzuarbeiten, damit die vorgeschlagenen Projekte etappenweise umgesetzt werden, so wie es die Umsetzungsstrategie des Projektes TM2021 vorsieht. 2017 hatten wir zirka 200 Treffen mit dem Kultursektor und im Juni 2017 haben wir das Programm für 2017 bekannt gemacht. Der Veranstaltungskalender für das laufende Jahr wurde gestern bekannt gemacht. Was alle verstehen müssen, ist, dass die Rolle einer Kulturhauptstadt nicht darin besteht, bereits existierende Kulturevents und Festivals zu finanzieren, sondern neue Programme mit Hilfe der lokalen und europäischen Partnern zu konzipieren, so dass wir „Leerstellen“ im Kultursektor damit füllen, und dadurch den Bedürfnissen entgegenkommen, die er schon vor einigen Jahren formuliert hat: die Entwicklung der Kapazität des Kultursektors, die Ausbildung von Fachleuten im Kulturbereich (Kulturmanager, Produzenten von Events und Vorstellungen, Kulturvermittler usw.) sowie das Heranziehen eines neuen Publikums in Richtung Kultur und Kunst und künstlerische Interventionen im Rahmen von bereits bestehenden Festivals und Programmen, die von den Kulturinstitutionen angeboten werden. In diesem Jahr werden wir einige größere Events in öffentlichen Räumen darbieten, und gegen Ende des Jahres werden wir eine Aufforderung zur Einreichung von Projekten veröffentlichen, die nicht in der Kandidaturdokumentation beinhaltet sind, die sich aber an die Thematik halten müssen, die wir ankündigen werden.

Der Vorsitzende des Architektenverbandes Filiale Temeswar hat in einem öffentlichen Brief ausgesagt, dass die Attacken vor zehn Tagen ein schlechtes Licht auf die Solidarität der Temeswarer und der Institutionen werfen, die an demselben Strang ziehen sollten. Welches ist Ihre Meinung?

Ich bin mit der Aussage des Herrn Vlad Gaivoronschi einverstanden. Er ist in diesem Projekt als Mitglied im Vorstand schon seit Beginn der Kandidatur und kennt ihn sehr gut. Wenn es uns bisher gelungen ist, ein sehr gutes Image zu haben, und zusammengearbeitet haben und Weisheit in der Lösung der Probleme gezeigt haben, mit denen wir uns konfrontiert haben, so sind in der Sitzung im Bürgermeisteramt vor zehn Tagen neben den natürlichen Meinungsverschiedenheiten, die durch argumentierte Fragen und Antworten konkretisiert wurden, auch eine Reihe von völlig unbegründeten Anschuldigungen ausgedrückt worden, die bloß auf Meinungen basierten. An die Öffentlichkeit sind auch unvollständige und z.T. falsche Informationen geraten sowie Spekulationen aller Art. Leider auch Beleidigungen seitens einer kleinen Gruppe, Beleidigungen, die die menschliche Würde verletzen. Dies zeigt, dass wir noch viel zu tun haben, um uns die Normen der demokratischen Kommunikation anzueignen, aber es stellt einen Anfang dar. So zeigt sich, dass auch die Kultur zu diesem Prozess beitragen kann.