„Dieser Wettbewerb wird für Temeswar ein Prüfstein sein“

Interview mit der Kulturmanagerin Simona Neumann

„Die Zeit reicht aus. Ich weiß aber nicht, ob das Geld ausreichen wird“ – Simona Neumann ist die neue Geschäftsführerin des Vereins „Temeswar Kulturhauptstadt“

Temeswars Projekte wie „Street Delivery“ sollen künftig auch in anderen Städten aus Rumänien und im Ausland bekannt gemacht werden Fotos: Zoltán Pázmány

Der Verein „Temeswar Kulturhauptstadt“ hat seit Januar eine neue Geschäftsführerin. Simona Neumann muss nicht nur den Aufbau des Vereins weiter voranbringen, sondern auch die Kandidatur der Stadt Temeswar planen. Zwei Jahre hat die Stadt noch Zeit. Die größten Herausforderungen sind finanzieller Natur. Aber auch an der Denkweise muss noch gearbeitet werden. BZ-Redakteur Robert Tari sprach mit Simona Neumann über die Herausforderungen des Vereins und der Stadt um 2021 Kulturhauptstadt Europas zu werden

Bürgermeister Nicolae Robu hat kürzlich angekündigt, dass die Stadt in Zusammenarbeit mit dem Interkulturellen Institut Temeswar einen Expertenrat zusammenstellen möchte, der sich mit der Strategie der Stadt für den Titel Kulturhauptstadt Europas 2021 befassen soll. Der Name des Vereins, der überhaupt wegen der Kandidatur Temeswars besteht, ist dabei nicht gefallen. Inwiefern sind Sie an diesem Vorhaben beteiligt? 

Das Rathaus, der Verein „Temeswar Kulturhauptstadt“ und das Interkulturelle Institut arbeiten nicht getrennt oder unabhängig voneinander. Es ist nicht so, dass wir nicht wissen, was der andere tut. Schließlich sind die beiden erwähnten Einrichtungen Gründungsmitglieder unseres Vereins. Diese gestartete Initiative, um eine Plattform für Experten aufzustellen, wo sie an einer Kulturstrategie arbeiten können, finde ich persönlich sehr gut und es wird für uns sehr förderlich sein, weil dieser Expertenrat uns in unserer Arbeit unterstützen wird. Als ich Anfang des Jahres gesagt habe, dass ich die Strategie der Stadt noch in diesem Jahr auf den Weg bringen möchte, meinte ich nicht, dass sich darum ausschließlich unser Verein bzw. die Geschäftsführung kümmern muss. Überhaupt ist das Interkulturelle Institut durch Corina Răceanu als Vorstandsmitglied in unserem Verein vertreten und dadurch vertritt es auch unsere Interessen und verfolgt unsere gemeinsamen Ziele. Corina Răceanu ist eine erfahrene Kulturmanagerin, die es versteht, die notwendigen bürokratischen Hürden zu überbrücken, um ein vernünftiges und funktionierendes Kulturprojekt auf den Weg zu bringen. Ich werde mich als Geschäftsführerin selbstverständlich an den Sitzungen beteiligen, weil ich für die Kandidatur der Stand zuständig bin und diese beiden Themen Strategie und Kandidatur laufen Hand in Hand. 

Es wird gesagt „Viele Köche verderben den Brei“. Ich war oft dabei, wenn sich Arbeitsgruppen trafen, die an dem Aufbau des Vereins zusammen werkelten. Es kam oft zu Meinungsunterschieden und es fiel oft schwer einen gemeinsamen Nenner zu finden. Finden Sie diesen demokratischen Weg - jeder darf seinen Senf dazu geben- nicht etwas hinderlich?

Nun, die Alternative wäre gar nichts zu tun oder einen ausländischen Experten anzuheuern, der uns vordiktiert, was wir zu tun haben, wobei das gar nichts mehr mit der Stadt und ihren Menschen zu tun hat. Das möchten wir nicht. Was bisher geleistet wurde, haben Temeswarer geleistet und zwar Bürger, die sich an die öffentlichen Einrichtungen der Stadt mit ihren Vorschlägen und Ideen gerichtet haben. Wir können von einem seriösen und gesunden Anfang sprechen und von einem demokratischen Verfahren. Und so ist es überall. Ich habe mich kürzlich mi dem Organisationsteam getroffen, das an der Kandidatur der französischen Stadt Marseille gearbeitet hat. Marseille ist in diesem Jahr europäische Kulturhauptstadt. Und sie haben mir erzählt, dass es Hunderte von Sitzungen gab, ehe man drei vernünftige Ideen formulieren konnte. Zum Beispiel musste die Frage beantwortet werden: Was möchten wir als Stadt mit dieser Kandidatur erreichen? Vier Arbeitsgruppen suchten nach einer Antwort sechs Monate lang. Das waren vier Sitzungen im Monat, insgesamt 24 Sitzungen in dem Zeitraum. Nur um drei Sätze zu formulieren. Natürlich vernünftige, relevante Sätze, mit denen der Großteil einverstanden ist. Sonst könnte ich mich an einem Nachmittag hinsetzen und drei Sätze aufs Papier schmieren, die dann als Leitlinie unserer Kandidatur dienen sollen. So einfach ist das nicht. Ich glaube dieser Wettbewerb wird für Temeswar ein Prüfstein sein. Am Ende wird sich zeigen, ob die Stadt reif genug ist, diesen Titel zu tragen. Dafür müssen die Menschen sich in Geduld und Toleranz üben. Sie müssen lernen, die Meinung des anderen zu respektieren, überhaupt dem anderen zuzuhören und auch fähig sein, eine gute Idee anzunehmen und darauf etwas aufzubauen. Das ist ziemlich schwer. Ich musste sogar öffentliche Einrichtungen davon überzeugen, dass sie, wenn sie für eine kulturelle Veranstaltung Werbung machen, auch die Kandidatur der Stadt erwähnen und unseren Verein. So richtig wollten sie sich darauf nicht einlassen, sondern haben so getan, als würden sie uns einen Gefallen tun. Sie suchten dann nach Kompromisslösungen, indem sie nur auf manchen Plakaten unser Logo mit draufpackten. Und diese Einrichtungen sind Mitglieder in unserem Verein. Sie müssen anfangen zu begreifen, dass der Verein nicht mir gehört oder einem privaten Unternehmen oder einer Familie. Das Gleiche gilt für unsere Kandidatur. Nicht wir als Verein kandidieren, sondern wir als Stadt. Das betrifft jedes Mitglied. 

Zwei Jahre bleiben Temeswar, um sich auf die Kandidatur vorzubereiten. Zwei Jahre hat es gedauert, um überhaupt den Verein auf die Beine zu stellen. 

Ich habe den Verein im Januar übernommen, aber ich kann nicht behaupten, dass er gut auf den Beinen steht. Weil er keinen eigenen Sitz hatte sowie kein Personal und kein Geld hat. Somit fehlt noch ein festes Fundament, worauf man etwas Vernünftiges aufbauen kann. Ein funktionierender Verein besitzt eine klare Struktur und eine feste Basis. In jeder Stadt, die sich für den Titel beworben hat, wurde eine Zusammenarbeit zwischen Institutionen, Privatbürgern sowie Unternehmen auf den Weg gebracht. Doch bei uns war zum Beispiel schon der Mitgliedsbeitrag ein Problem: Jährlich mussten die eingeschriebenen Mitglieder, unabhängig davon ob es Unternehmen, öffentliche Institutionen, Nichtregierungsorganisationen oder Privatbürger sind, den gleichen Geldbeitrag zahlen. 100 Lei im Jahr ist nicht viel. Das sind umgerechnet weniger als acht Lei im Monat. Was kann man mit so einem Haushalt machen?

So weit ich weiß, besteht der Verein gegenwärtig aus 150 Mitgliedern.

Ja, aber davon haben nur 50 ihren Mitgliedsbeitrag gezahlt. Sämtliche Kosten wurden von Freiwilligen übernommen oder sie haben für umsonst gearbeitet. Wir haben zwar auch viele Sponsoren und wir hoffen, dass es immer mehr werden, aber der Beitrag war viel zu gering. Darum haben wir auf der Generalversammlung im Mai entschieden, dass künftig Unternehmen sowie öffentliche Institutionen monatlich 1000 Lei zahlen müssen. Für Privatbürger bleibt es bei 100 Lei im Jahr und Nichtregierungsorganisationen müssen 200 Lei im Jahr zahlen.

Sind viele aufgrund dieser Änderung ausgetreten?

Nur zwei private Kleinunternehmen sind ausgetreten. Keines der öffentlichen Einrichtungen hat protestiert, weil sie begriffen haben, wie gering die Summe wirklich ist. 1.000 Lei im Monat stellt die Hälfte eines Beamtengehalts dar. Mit dem Geld kann ich nicht einmal eine Putzfrau im Monat bezahlen. 

Reichen dann überhaupt zwei Jahre, damit Temeswar sich auf die Kandidatur vorbereiten kann?

Die Zeit reicht aus. Ich weiß aber nicht, ob das Geld ausreichen wird. Wir müssen für die nächsten zwei Jahre einen ordentlichen Haushalt festlegen. Denn wir werden Experten zu Rate ziehen müssen, die an der Kandidatur anderer Städte mitgewirkt haben. Städte, die diesen Titel erhalten haben. Wir brauchen sie, damit wir nicht von Null anfangen. Damit wir nicht das Rad neu erfinden müssen. Die Mitglieder müssen aber auch begreifen, dass dieser Verein kein klassischer ist. Unsere Aufgabe besteht nicht darin, Projekte vorzuschlagen und durchzuführen. Das war anfangs wichtig, damit wir die Sache ins Rollen bringen können. Aber unsere Aufgabe besteht darin, die einzelnen Akteure zusammenzuführen, sie an einen Tisch zu setzen und sie dazu bewegen zusammenzuarbeiten. Für mich wäre es einfacher, ein Projekt zu schreiben und es dann Schritt für Schritt durchzuführen. Aber das ist nicht Sinn der Sache. Ich muss mit den Medien sprechen, Werbung für die Stadt und für ihre kulturelle Tätigkeit machen. Aber auch das muss vernünftig gemacht werden. Ich kann nicht jeden Tag eine Presseerklärung geben, weil ich nicht jeden Tag etwas Neues zu sagen habe und weil wir mit anderen Städten konkurrieren. Wir können unsere Strategie nicht einfach im Internet veröffentlichen, um so für andere Städte eine Inspirationsquelle zu sein. Wir müssen ein Gleichgewicht finden: Zum einen transparent sein, damit die Bürger wissen, was passiert und überhaupt das etwas passiert, zum anderen müssen wir darauf aufpassen, nicht zu viel zu verraten, um so der Konkurrenz einen klaren Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

Wie würden Sie die Tätigkeit des Vereins beschreiben? Was muss er konkret machen?

Pressevertreter wissen: Das Rathaus macht das, das Interkulturelle Institut macht das, aber was macht eigentlich der Verein? Nehmen wir ein Beispiel: Das erste internationale Jazzfestival JazzTM. Er wurde von der Stadtverwaltung organisiert. Wir als Verein spielten aber auch eine kleine aber nicht unwesentliche Rolle: Wir mussten Werbung für die Veranstaltung machen. Das beinhaltet zum Beispiel Plakate auf den Straßen aufstellen. In der Stadt haben Sie wahrscheinlich Plakate zu diversen Veranstaltungen wie AccesArt oder Street Delivery gesehen. Doch wir haben auch in anderen Städten Werbung für diese Events gemacht. In den wichtigsten Verkehrskreuzungen Bukarests, in Arad, Reschitza, Großwardein und Hermannstadt haben wir Plakate aufgestellt, um auf unsere kulturellen Angebote hinzuweisen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie auch in Klausenburg schließlich aufgestellt wurden. Es gab dort zuerst einige Komplikationen, aber ich habe das nicht mehr überprüft. Außerdem haben wir auch im Ausland Werbung für unsere Veranstaltungen gemacht. In Budapest und Szeged zum Beispiel sind Banners erschienen. Für JazzTM haben wir Journalisten aus dem Ausland eingeladen. Und wir möchten weiterhin Journalisten vorwiegend aus Ungarn, Serbien, Österreich und Deutschland nach Temeswar bringen.

Der Verein besitzt zur Zeit nur zwei feste Mitarbeiter: Sie und noch eine Kollegin, die Sie in der täglichen Arbeit unterstützt. Wann soll das Personal aufgestockt werden?

Je weiter wir mit unserer Tätigkeit fortschreiten, desto mehr Leute werden wir brauchen. Auch ein größerer Sitz wird benötigt. Aber alles hängt vom Geld ab. Ich muss zuerst wissen, welchen Haushalt wir für die nächsten zwei Jahren haben werden. Und das muss ich spätestens bis Ende des Jahres erfahren. Aber es wird sehr schwierig werden. Wir haben für die Werbemaßnahmen 100.000 Euro zusammengetragen. Doch das Geld ist nur für Werbung in anderen Städten und im Ausland gedacht. Mit der Zeit wäre es sinnvoll, wenn wir ein kleines Team hätten, dass sich ausschließlich mit Marketingfragen befasst. Ich habe mit dem stellvertretenden Bürgermeister Dan Diaconu darüber gesprochen und er hat sich sehr offen gezeigt. Unserer aktueller Vereinssitz auf der Alba Iulia Straße birgt viele Vorteile: Es liegt in der Innenstadt, weshalb wir leicht zu erreichen sind. Doch wir bräuchten mehrere Büroräume. Ich würde gerne das aktuelle Büro in eine Informationsstelle umwandeln für Bürger, die sich gerne über die Kandidatur erkundigen wollen oder helfen möchten. Dank den Medien wissen immer mehr Menschen, dass es uns gibt. Uns besuchen oft Bürger, die einfach nur mit einer Information helfen wollen oder die sich gerne als Freiwillige für unsere Sache engagieren möchten. Ich muss mich leider wiederholen, wenn ich sage, dass wir anders sind, als Vereine. Nicht wir führen die Projekte der anderen durch, sondern die, die Projekte machen und kulturell engagiert sind, sind auch bei uns Mitglied, weil sie eben Projekte machen wollen. Wir sind nur das Bindeglied. Wir erinnern die Menschen daran, dass wir alle das gleiche Ziel verfolgen und für eine gemeinsame Sache kämpfen.