Ein Meister aus dem Bergland oder Mit Märchen gegen die kommunistische Zensur

Zu Erwin Josef Țigla (Hrsg.), Alexander Tietz und seine Welt . Deutsche Vortragsreihe Reschitza, Verlag Banatul Montan Reschitza 2018

Der Volkskundler Alexander Tietz, hier 1970, war zeitlebens ein großer Naturfreund und begeisterter Wanderer Foto: privat

Ein hierzulande in den Sechzigern kaum Bekannter, Alexander Tietz aus der Arbeiterstadt Reschitza , hat laut dem ehemaligen NW-Redakteur Hans Fink das Kunststück vollbracht, 1967 im kommunistischen Rumänien über damals vom Regime Verbotenes und Verschwiegenes bzw. Herkunft und Geschichte der Deutschen im Banater Bergland, auf seine besondere Art zu berichten. In einer trüben Epoche - Die deutsche Minderheit, eine sogenannte „mitwohnende Nationalität“, hatte wohl offiziell Rechte, ihre Geschichte war jedoch aus den Geschichtsbüchern verbannt- schaffte Tietz, was andere in jenen traurigen Zeiten sich weder trauten noch versuchten: Der bescheidene Volksgutsammler und Lehrer Alexander Tietz (1889-1978) war kein bekannter Name der Literaturszene und auch kein Dissident: Was er schrieb und veröffentlichte, waren keine politischen Manifeste, beim Regime beliebte Arbeiterliteratur oder gar wissenschaftliche Studien: 1956 brachte er bekanntlich das alle überraschende Buch „Sagen und Märchen aus dem Banater Bergland“ heraus, es folgten „Das Zauberbründl“(1958) und „Wo in den Tälern die Schlote rauchen“ (1967). Mit seinen Sagen, Märchen, Legenden und Volkserzählungen durchbrach er mit Wucht ein Tabu zum Thema „deutsche Minderheit“  und die von der absurden kommunistische Zensur vorgegeben Schemen für die Literatur der mitwohnenden Nationalitäten. Und zwar entweder Lob von Partei, Vaterland und Arbeiterklasse oder… die graue Mauer des Schweigens.

Eigentlich hat Alexander Tietz viel mehr Kunststücke vollbracht, kann man sagen: Sein nicht gerade umfangreich zu nennendes  Gesamtwerk zählt heute zu den wertvollsten Schätzen unserer deutschen  Literatur und des Kulturerbes der Berglanddeutschen, des Banats wie auch der gesamten deutschen Minderheit Rumäniens. Das wahre so erstaunliche Vermächtnis dieser Kulturpersönlichkeit - man sollte es in unserer Zeit öfter sagen und betonen-  ist die beharrliche und großzügige Art und Weise, wie Tietz einer Landschaft, die des Banater Berglands, eine Sprache verlieh, seine Heimat von sich berichten ließ, Menschen , ungeachtet ihres Alters, der Bildung oder der Beschäftigung mit frischem Gemüt sozusagen „wie den Leuten eben der Schnabel gewachsen war“ frei erzählen ließ. Und nicht zu vergessen ein anderes nicht weniger wertvolles Kunststück des Meisters aus dem Banater Bergland: Wie das auch Horst Schuller-Anger in seiner Studie „Die Inter-Nationalität in den Texten von Alexander Tietz“ betont, hat Tietz die historisch und real existierenden sich gegenseitig befruchtenden multiethnischen, multikulturellen und multikonfessionellen Beziehungen im Banater Bergland aufgedeckt und unbekannte Gewährsleute, talentierte Volkserzähler aller Volkszugehörigkeiten zum Wort kommen lassen.

Der von Erwin Josef Țigla als Herausgeber zusammengestellte und im Rahmen der nun schon stattlichen Buchreihe des Kultur- und Erwachsenenbildungsvereins „Deutsche Vortragsreihe Reschitza“ (94. Band des Reschitzaer Kulturvereins) mit Unterstützung der rumänischen Regierung herausgebrachte Sammelband ist  der von Initiator E.J.Țigla beharrlich verfolgten Aktion des DFBB zur Wiederentdeckung von Alexander Tietz in der Zeitspanne 1990-2018 gewidmet. Eine rumänische Fassung von 2019  erweiterte zudem die Reihe der Übersetzungen der Werke von Alexander Tietz. Der Band mit seinen 392 Seiten (außerdem eine interessante Zeittafel des Banater Berglands mit Beginn von 1706, eine reichhaltige Bibliographie-Auswahl, im Anhang etliche Abbildungen von und um Al. Tietz, Medaillen, Werke, Bücher über Alexander Tietz sowie als Beigabe ein Stammbaum der Familien Tietz und Diaconovici)  vereint Bekanntes und Unbekanntes. So erstmals Unveröffentlichtes von Alexander Tietz , die 13 „Briefe von der Alm“ . Diese eingangs rumänisch verfassten „Scrisori de la sălaș„ wurden von E.J.Țigla als Herausgeber in deutscher Übersetzung durch Hans Liebhardt im Jahr 2000 im ADZ-Verlag veröffentlicht. Eine höchst interessante Lektüre bietet zudem das Kapitel „Biographisches, Erinnerungen“ mit Tietz -Beiträgen in Zeitungen und Zweitschriften sowie Studien u.a. von Johann Wolf, Franz Heinz, Hans Liebhardt, Damian Vulpe, Herta Drozdik-Drexler, E.J. Țigla, Nina May.