“Es ist eine Achterbahnfahrt”

Interview mit Andreea Iager-Tako und Norbert Tako, den Initiatoren des Plai-Festivals

“Wir wollten ein Festival, das die Multikulturalität dieser Region zelebriert.” - Nobert und Andreea Iager-Tako Foto: Privat

Das internationale Musikfestival Plai wird jährlich von tausenden von Musikbegeisterten besucht. Am Anfang stand ein Wunsch und eine Idee: Einige der bedeutendsten Vertreter der Musiksparte World Music nach Temeswar zu bringen. Andreea Iager-Tako und Nobert Tako sowie eine Gruppe von Freiwilligen arbeiten seit 2006, um Plai am Leben zu erhalten. BZ-Redakteur Robert Tari sprach mit den beiden Initiatoren über die Hürden sowie über persönliche Vorlieben.

In den letzten acht Jahren hat sich Plai zum wichtigsten Festival für World Music in West-Rumänien etabliert. Woher aber die Idee für ein solches Event?

Andreea Iager-Tako: Die Idee für das Festival entsprang aus einem persönlichen, egoistischen Wunsch. Wir haben uns eine Veranstaltung für unsere Stadt gewünscht, eine Veranstaltung die näher an uns geografisch liegt, wo wir mit Freude hingehen können, weil sie unseren Vorstellungen entspricht. Ein Event für uns und unsere Freunde. Wir sind eine recht untypische Organisation, weil unsere Entwicklung sehr organisch verlief. Ursprünglich waren wir nur eine handvoll Freiwilliger, die sich vorgenommen hatten, ein Festival auf die Beine zu stellen, das uns gefallen würde. Es gab und gibt Festivals und Events in der Stadt, aber wir wollten was anderes. Wir wollten ein Festival, das die Multikulturalität dieser Region zelebriert. Jene Mulitkulturalität mit der wir aufgewachsen sind, die wir als einzigartig empfinden und die so besonders ist, dass man sie erhalten und dafür werben soll. Und es sollte nicht ausschließlich um die Musik gehen. Es sollte auch die Menschen nachdenklich stimmen und sie auf den Gegenüber aufmerksam machen, sie zusammenbringen und sie dazu aufmuntern, sich persönlich mehr zu engagieren. Zumindest in den drei Festivaltagen sollte man als hartarbeitender Mensch, dem alltäglichen Trott entkommen und sich eine Verschnaufpause gönnen. So haben wir uns damals zusammengetan, sowohl als Organisationsteam als auch als eine Gruppe von Freiwilligen. Und es ging überraschend schnell und einfach, weil sich sehr viele Menschen in der Idee wiederfanden. Plai hat nichts revolutionäres an sich. Wir haben nicht das Rad neuerfunden. Es musste was passieren. Das hatten sowohl wir, als auch unsere Freunde gespürt. Wir haben dann einfach den Entschluss gefasst, ein Festival zu organisieren und es gab damals weder einen Verein, weder die finanzillen Mittel. Und trotzdem besuchten mehr als 2000 Personen unsere erste Auflage. Das war ein Zeichen für uns, dass die Stadt Plai gebraucht hat.

Große Namen der Weltmusik sowie erfolgreiche Künstler traten bereits im Rahmen des Festivals auf. Wie schwer ist es, sie für Plai zu gewinnen? Es gab bestimmt auch viele Absagen.

Nobert Tako: Wir hatten Glück, denn einer der ersten großen Musiker, den wir einladen wollten, war 2006 Al Di Meola. Wir haben seinen Agenten angeschrieben und dieser war sehr zuvorkommend, verständnisvoll und flexibel. Er hat sofort verstanden, was wir mit dem Festival erreichen wollten und wie wir es erreichen wollten. Er nahm auch persönlich an der ersten Auflage teil. Und wir hatten es ihm und Al Di Meola nicht leicht gemacht. Obwohl er uns zugesagt hatte, musste er auf eine Bestätigung von unserer Seite aus lange warten. Erst Ende August, nur zwei Wochen vor dem Festival konnten wir auch zusagen und das obwohl wir die ersten Gespräche im Juli geführt hatten. Man kriegt selten eine positive Antwort, wenn Anfragen und Zusagen so spät geschickt werden. Selbst die zwei Monate waren zu kurz. Durch Al Di Meolas Zusage öffneten sich uns Türen. Es war deutlich einfacher Paco de Lucia zu überreden, weil sich die beiden Künstler sehr nahe stehen. Und auch Jean-Luc Ponty sagte zu, eben weil er mit Di Meola zusammengearbeitet hat. Das waren die ersten beiden Jahre. Ab dem dritten wurde es einfacher für uns. Wir hatten inzwischen mehrere große Namen, die bei uns mitgemacht haben, das war und ist ein starkes Argument. Aber es gab immer wieder in den letzten Jahren negative Antworten von Künstlern. Inzwischen sind es aber meist terminliche Gründe, weshalb viele nicht teilnehmen können. Sicherlich spielt auch das Honorar, das wir zahlen können, oft eine entscheidende Rolle. Aber zumindest erhalten wir eine schriftliche Antwort von den Künstlern. Das war in den ersten Jahren nicht der Fall. Meist hörten wir gar nichts von den Musikern, nachdem wir sich angeschrieben hatten.

Welche Gruppen oder Künstler wünscht ihr euch seit Jahren?

N.T.: Die Freiwilligen wünschen sich seit Jahren die Gruppe Beirut.

A.T.: Wir stehen auch in Verhandlungen mit ihnen.

N.T.: Wir haben öfters versucht etwas mit ihnen zu vereinbaren. Aber irgendwie passt der Monat September nicht. Es hat nichts damit zu tun, dass sie nicht kommen wollen. Es klappt einfach terminlich nicht. Wir hoffen, dass wir in den nächsten Jahren es doch schaffen werden, sie nach Temeswar zu holen. Es gibt natürlich auch andere Künstler...

A.T.: Anoushka Shankar.

N.T: Mit ihr führten wir auch mehrmals Verhandlungen. Sie hat inzwischen ein Kind. Manu Delago singt mit ihr zusammen. Sie haben ein gemeinsames Projekt und sie hatte im Frühjahr eine Tournee. Grund weshalb sie nicht kommen kann, obwohl sie es möchte. Sie hat mehrmals bestätigt, dass sie bei Plai singen würde. Aber wie gesagt, sie ist momentan sehr beschäftigt. Sie plant ein neues Album, nach “Traveller”. Sie steht klar ganz oben auf unserer Liste und wir hoffen, dass sie ebenfalls vielleicht in den nächsten Jahren teilnehmen wird. Weitere Wunschkandidaten sind Bands wie zum Beispiel The Cat Empire...

A.T.: Auch Zaz wollten wir seit 2008 für unser Festival gewinnen. Damals befürchteten wir, dass sie nicht sehr bekannt ist. Inzwischen möchte alle Welt sie hören. Wir haben den richtigen Zeitpunkt erwischt. Nicht nur für Plai sondern auch für Rumänien. Zaz singt zum ersten Mal im Land. Sie ist auf dem Weg ein großer Star zu werden. In den nächsten Jahren hätte es schwieriger werden können, sie zu gewinnen. Das gleiche trifft auf Vio Farka Toure zu, er ist der Sohn von Ali Farka Toure. Wir wollten ihn schon lange für unser Festival gewinnen. Es gibt sehr viele Künstler, die für uns das darstellen, was wir durch dieses Festival erreichen wollen. Wir müssen immer aufpassen, Künstler einzuladen, die sowohl unser Stammpublikum mögen würde, als auch andere zum Festival lockt. Denn obwohl es inzwischen die achte Auflage ist, kämpfen wir immer noch sehr hart um jedes verkaufte Ticket. Dieses Festival hängt noch immer von dem Kartenerlös ab. Die Musiker wollen natürlich gerne im Rahmen unseres Festivals auftreten, aber ihr Honorar bleibt das Gleiche. Und für unsere Besucher ist es noch immer nichts selbstverständliches eine gewisse Summe für die Tickets zu zahlen. Darum müssen wir noch immer sehr überzeugend sein.

Wieso eigentlich World Music? War es stets DAS Genre, das ihr fördern wolltet?

N.T.: Von Anfang an ging es uns um die Förderung von Weltmusik. Natürlich versteht man unter World Music sehr viel und als Genre ist es sehr offen. Es scheint eine Nische zu sein. Aber es gibt sehr unterschiedliche Bands und Musiker, die in diese Nische fallen. Ich fühle mich persönlich sehr verbunden zu dieser Art von Musik. Durch Weltmusik habe ich neue Klänge entdeckt, die in anderen populäreren Genres wie etwa Pop oder Rock nicht anzutreffen sind. Zumindest wenn wir von den klassischen, “reinen” Gruppen sprechen. Es ist schwer in jenen Genres innovativ zu sein. Weltmusik bringt neue Nuancen. Jede traditionellen Klänge, die in diese Musik einfließen, erneuern Genres wie Rock, Pop oder Jazz.

A.T.: Für mich ist es die Erfahrung bei einem solchen Konzert dabei zu sein. Wir beide sind in erster Linie leidenschaftliche Konzertbesucher. Und durch Weltmusik habe ich erkannt, dass unabhängig von der Sprache, die wir sprechen, Musik vereint Menschen verschiedenster Kulturen. Durch Weltmusik fühlt man sich nicht mehr fremd. Man fühlt sich als ein Volk. Diese Musik ist nicht nur zum Tanzen, sondern es vermittelt eine Botschaft. Und für uns ist eben das wichtig. Eine Message zu haben und nicht bloß Partymucke.

Könnt ihr mir Beispiele von erfolgreichen rumänischen Künstlern geben, die auch in die Sparte Weltmusik fallen?

N.T.: Ich kann jetzt in diesem Augenblick nur ein Beispiel nennen: Subcarpati.

A.T.: Es gibt natürlich auch andere. Mit Subcarpati haben wir zusammengearbeitet. 2008 trat auch Fanfara Ciocarlia bei Plai auf. Ein Künstler mit dem wir kollaboriert haben und der uns sehr wichtig ist, ist Grigore Lese. Seine Musik leistet auch einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung sowie Erhaltung der traditionellen, rumänischen Musik. Auch das Nuovo Tango Quintet ist ein passendes Beispiel. Auch wenn sie keine rein rumänische Musik spielen, sondern eher eine Mischung. Aber ich bin mir sicher, dass sie als Musiker ihre Spuren hinterlassen werden und ihren Beitrag zur Förderung rumänischer Weltmusik leisten.

Sprechen euch Künstler auch an? Sind darunter auch viele Newcomer?

N.T.: Wir hatten in den letzten zwei Jahren auch internationale Newcomer mit einem großen Potenzial. Zum Beispiel Fatoumata Diawara im letzten Jahr: Sie war auf Platz Eins in den World Music Charts stolze sechs Monate lang. Das ist schon beeindruckend. Und sie wollte unbedingt bei Plai mitmachen. Und natürlich konnten wir ihren Wunsch nicht abschlagen. Aber die Umstände variieren. Jeder Künstler ist verschieden und so auch die Erfahrungen mit ihnen.

Was würdet ihr jemanden raten, der in eure Fußstapfen treten möchte und ein ähnliches Projekt auf die Beine stellen will? Was braucht man, um es zu schaffen?

N.T.: Zu allererst müssen sie sich die Frage stellen, ob sie es wirklich machen wollen. Sollte die Antwort ein klares ja sein, dann müssten sie einfach nur den Mut und die Stärke aufbringen nicht aufzugeben.

A.T.: Man muss es wollen. Das ist sehr wichtig. Es passieren sehr viele Sachen, während den Vorbereitungen, die nicht so laufen, wie man es sich wünscht oder vorstellt. Und das entmutigt. Wir hatten das Glück, dass das Publikum immer so positiv auf unsere Arbeit reagiert hat und das Feedback war immer sehr gut. Auch innerhalb unserer Gruppe gibt es oft Leute, die das Handtuch schmeißen wollen und andere die sie immer wieder ermutigen, weiterzumachen. Es ist eine Achterbahnfahrt. Was man besonders im letzten Monat vor dem Festival erlebt, kann sich niemand vorstellen. Aber da muss man durch. Denn es macht einen stärker. Die finanzielle Seite ist immer schwierig. Diese muss erfolgreich überbrückt werden. Wir haben auch bei der ersten Auflage viele gravierende Fehler gemacht und so finanzielle Verluste eingebüßt. Aber das Wichtigste ist, niemals aufgeben.