Gerhardusfest wird schrittweise interkonfessionell

Temeswarer Diözese begeht Bistumsfeier in Tschanad

Pater Asztrik, Leiter des Benediktiner-Konvents aus Pannonhalma (Ungarn), zelebrierte die Festmesse.

Statue des Hl. Gerhardus vor der Tschanader Kirche. Trotz scharfer Biegung der Landstraße, raste noch nie ein Fahrzeug in den Sockel. Für Dorfbewohner ein „Zeichen von oben“.

Am Verkaufsstand mit religiösen Gegenständen war der Andrang am größten.
Fotos: Siegfried Thiel

„Von hier ist die christliche Lehre der gesamten Gegend ausgegangen“, sagte Martin Roos, Bischof der heutigen Temeswarer Diözese – vor fast 1000 Jahren als Tscha-nader Diözese gegründet. Am 24. September ist nämlich Gerhardusfest im westrumänischen Tschanad/Cenad.

Der erste Bischof war damals der Hl. Gerhard von Sagredo. „Die Bezeichnung ´Wallfahrt´ ist bei unserem Fest nicht ganz abwegig“, sagt Nikolaus Crăciun, Bürgermeister der Großgemeinde Tschanad. Andere finden, es sei „etwas anderes als Wallfahrt“, sagt Pfarrer Andreas Reinholz aus dem Wallfahrtsort der Banater  Maria Radna: „Dieser Tag und das Fest hier widerspiegeln den Anfang der Diözese, Treue zu Kirche und Ehre den Ahnen gegenüber“.

Ein wenig Feiertag für jedermann

Kein Zweifel, an diesem Tag sucht jeder seinen besten Anzug aus dem Kleiderschrank. Aber nicht nur Tschanader aller Konfessionen zeigen sich vor und in der Kirche, sondern auch Gläubige aus Ungarn, nach Deutschland ausgewanderte Tschanader und Priester aus der gesamten Gegend reisen zu diesem Anlass gerne an.

Wie immer waren Schüler des Katholischen Lyzeums Gerhardinum aus Temeswar/Timişoara zugegen, und aus dem gesamten Banat fanden sich Gäste ein. So waren diesmal zwei Kleinbusse mit Gläubigen aus dem nahezu 100 Kilometer entfernten Vinga im Verwaltungskreis Arad anwesend. Dass es 2011 trotzdem weniger waren als im vergangenen Jahr, könnte daran gelegen haben, dass weniger Gläubige aus Ungarn gekommen waren – im vergangenen Jahr befanden sich diese neben Wallfahrt auch auf einer Werbefahrt mit der Fähre. Eine Brücke über den Marosch/Mureş-Fluss bei Tschanad soll in Zukunft Rumänien und Ungarn verbinden.

Heute ist es auf jeden Fall eine Feier, die sich gewaltig von jenen von vor 30-40 Jahren unterscheidet. Damals hatten die Deutschen ihr Kirchweihfest an oder kurz vor diesem Tag begangen, der christliche Hintergrund musste jedoch immer verborgen  bleiben.

Katholiken, Rumänisch-Orthodoxe oder Serbisch-Orhodoxe feiern alle ihre Festtage zur Kirchenweihe und zur ausgleichenden Gerechtigkeit erhält jede Glaubensausrichtung und Ethnie finanzielle Unterstützung aus der Gemeindekasse, sagt Bürgermeister Crăciun. Liebend gern würde jedoch der katholische Ortspfarrer Daniel Groza am 24. September ein Fest der gesamten Gemeinde veranstalten, denn „ein so wichtiges Fest müsse besonders gefeiert werden“.

Konfessionsübergreifend wird das Fest ohnehin: Walter Sinn, evangelischer Pfarrer in Semlak/Semlac, ist für ein näheres Zusammenrücken der christlichen Religionen und deshalb ist er auch beim katholischen Fest in Tschanad dabei. Religionsunterricht hat er als Kind vom katholischen Pfarrer und späteren Bischof Sebastian Kräuter erhalten.

Gerhard von Sagredo

Der Heilige Gerhardus von Sagredo hatte um das Jahr 1030 das erste Bistum in diesem Landstrich gründet. Der Sitz befand sich in der heutigen Temescher Großgemeinde Tschanad. Bevor er zum Bischof ernannt wurde, war der aus Venedig-Murano stammende Gerhard Priester und Benediktinermönch, aber auch Erzieher des Heiligen Emmerich/Imre, des Sohnes und Nachfolgers König Stefans.

Gerhard von Sagredo war nicht nur um die Verbreitung des Christentums in der Diözese bemüht, sondern leitete auch organisatorische Maßnahmen ein. Die Gründung des Tschanader Domkapitels und der Theologischen Schule gehören genauso dazu, wie die Tatsache, dass er im Gebiet zwischen Marosch-Theiß-Donau und den Karpaten mehrere Pfarreien ins Leben rief, Kirchen errichtete und zahlreiche Heiden taufte.

Die ersten Domherren waren gleichzeitig Lehrer an der neu gegründeten Theologischen Schule, die erste dieser Art auf dem Gebiet des heutigen Rumänien. In  Tschanad gab es damals neben der Theologischen Schule auch zwei Klöster, die dem Heiligen Gerhard unterstellt waren. 

Außer seiner pastoralen und organisatorischen Tätigkeit in der neuen Diözese hat der Heilige Gerhard mehrere theologische Schriften verfasst, von denen eine einzige erhalten ist: Deliberatio Gerardi Morisenae Aecclesiae Episcopi Supra Hymnum Trium Puerorum ad Isingrimum Liberalem. Diese Schrift befindet sich heute in der Staatsbibliothek  München (Signatur CLM 6211). 

1046 nimmt das Leben des Heiligen Gerhard ein tragisches Ende. In dieser politisch, religiös und militärisch bewegten Zeit wurde er am 24. September von heidnischen Rebellen in Buda von einem Felsen in die Tiefe gestürzt. Dieser Fels trägt heute seinen Namen: Sankt Gerhardsberg.