Gesagtes, Gelebtes und Geträumtes

Ioan Holender stellte in Temeswar neues Buch vor

Holender in Temeswar: Der ehemalige Direktor der Staatsoper Wien äußerte sich über das Thema Kulturhauptstadt. Foto: Zoltán Pázmány

Er ist ganz der stattliche Gentleman. Ioan Holender scheint zu einer aussterbenden Gattung im heutigen Rumänien zu gehören, denn er plakatiert sich nicht als der große Direktor, als der große Kulturmanager. Er hält sich vornehm und bescheiden zurück, wenn andere ihm einen Lorbeerkranz aufsetzen. Dabei umzingelte ihn, bei der Vorstellung seines jüngsten Buches „Gesagtes, Gelebtes, Geträumtes“, die Presse aus allen Ecken. Schließlich hat die Stadt Temeswar/Timişoara ihre Hoffnung in den erfahrenen Manager gesteckt. Holender soll Temeswar den Weg weisen, in der Kandidatur für den Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2020“.

Dass es eine schwere Bürde sein kann, nahm Holender vorweg. Man müsse sich nur die Glaskonstruktion auf dem Opernplatz anschauen, die neben den geschichtsträchtigen Altbauen stört. Holender übt sich in einer kritischen Sympathie zu seiner alten Heimatstadt, die er 1965 verließ. Für ihn war es eine traurige und deprimierende Trennung gewesen, gestand er dem Publikum, während der Buchvorstellung. Damals war er gerade 24 Jahre alt. Man habe ihn aus Temeswar hinausgeekelt, so Holender weiter.

 

Als er Direktor der Wiener Oper wurde, zeigte sich die österreichische Presse skeptisch und geradezu empört. Schließlich sollte ein „dahergelaufener Rumäne“ eine der größten Opern der Welt leiten. Man befürchtete, Holender würde das Repertoire der traditionsträchtigen Oper romanisieren. „Ich wurde nicht geliebt, aber ich wurde respektiert,“ fasst Holender seine Beziehung zu dem Wiener Publikum zusammen. Dabei hielt sich Holender 19 Jahre lang auf den Direktorenposten und ist damit einer der längst amtierenden Leiter der Wiener Staatsoper. Den Erfolg erklärt sich Holender in seinem Umgang mit Geld. „Ich habe immer daran gedacht, dass es nicht mein Geld ist, das ich ausgebe,“ erklärte Holender. Darum zahlte er den Künstlern auch nicht die Taxifahrt vom Flughafen bis zum Opernhaus. Auch in Rumänien müsste man Prioritäten setzen und sich die Frage stellen: Wofür sollte man kein Geld ausgeben?

 
Bei dem Buch selbst handelt es sich nicht um eine reine Übersetzung. Holender hatte dafür auch keinen Übersetzer beauftragt. Im deutschsprachigen Raum erschien das Buch unter dem Titel „Ich bin noch nicht fertig“. Geschrieben wurde es ganz altmodisch: mit Füller und Tinte auf Papier. Die Grundstimmung des Buches ist nüchtern. Auf die Frage, was er heute denn fühlen würde, wenn er das Opernhaus betritt, antwortet Holender sachlich: „Es ist nicht meine Oper.“


Nostalgisch seien andere. Er hätte seine Amtszeit noch ruhig weiterführen können, doch es müssten auch andere, jüngere nachrücken. An den Ruhestand denkt der 76-Jährige nicht. Zur Zeit arbeitet er als künstlerischer Berater für große Opernhäuser, wie das Metropolitan aus New York. Zudem unterrichtet er Kulturmanagement an den Hochschulen aus Wien, Krems und Jassy/Iaşi. Auf dem österreichischen Privatsender ServusTV hat Holender sein eigenes Kulturmagazin namens „kulTOUR mit Holender“. Temeswar besucht er ein Paar Mal im Jahr. Auch seine Kinder bewahren die Nähe zu Holenders alter Heimat. Sein Sohn Liviu soll im Herbst zusammen mit seiner Schwester ein Konzert im Saal der Banater Philharmonie bestreiten.

Der talentierte Musiker spielte acht Jahre lang am Konservatorium in Wien. Bei der feierlichen Einweihung des neuen Steinway-Flügels spielte der junge Holender auf dem 106.000 Euro teuren Klavier das Finale von Beethovens Fantasie für Klavier, Chor und Orchester in c-Moll op. 80.

„Der Liviu hat etwas verstanden von diesem besonderen Reiz, von dieser Besonderheit, die Timişoara hat. Er ist ein großer Sympathisant, kommt gerne her und kann passabel Rumänisch sprechen. Er ist auch sehr stolz darauf,“ meint Holender über seinen Sohn.


Während seines Besuchs in Temeswar nahm Holender auch an einer Sitzung des Kulturvereins „Temeswar Kulturhauptstadt 2020“ teil. Er wurde im vergangenen Herbst zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Er möchte die Stadt Temeswar besonders im Ausland vertreten und Werbung für sie machen.