Im Mai, unter der alten Linde

2. Dorfschreiberpreis in Katzendorf verliehen/Erstmals auch Banater Beteiligung

Unter der mächtigen Linde, im evangelischen Pfarrhof von Katzendorf/ Caţa, Kreis Braşov, ging ein schönes und hierzulande einmaliges Literaturfest, die zweite Auflage der Literaturtage mit Verleihung des Dorfschreiberpreises von Katzendorf, über die grüne Bühne. Außer den zahlreichen Teilnehmer aus allen Herren Länder auch ein stummer, zeitloser Zeuge des Literaturevents: die ehrwürdige Kirchenburg aus dem 13. Jahrhundert, mit den vier Meter hohen Mauern, der Basilika und seinen drei Türmen, wie eh und je von einem auch heuer bewohnten Storchennest bewacht. “Begegnungen rumänisch, ungarisch und deutsch mit Dichtern, Musikern, Malern, Bauern, Roma und Neugierigen”- So u.a. die humorvolle Ankündigung der Organisatoren zu diesem Literaturfest.

Der heurige Dorfschreiberpreis- In Deutschland, Österreich, den Niederlanden gibt es schon seit 50 Jahren nicht nur Dorf- sondern auch Stadtschreiber, sogar Inselschreiber auf Sylt- ging an den Berliner Lyriker Jürgen Israel. “Die Wahl war nicht schwer, wir haben Jürgen Israel ausgewählt”- So der Dichter Frieder Schuller bei der Preisverleihung im Pfarrhof. Der Preisträger, der wohl kein Preisgeld erhält, jedoch ein Jahr im Pfarrhaus, in der Klause des Dorfschreibers, wohnen, sich im Dorf umsehen und umhören kann, allerhand Schönes auch über Siebenbürgen schaffen wird, erhielt die “Katze mit Feder” aus den Händen seines Vorgängers und ersten Dorfschreibers (2011), des Leipziger Autors und Hochschullehrers Elmar Schenkel. Vergeben wurde der Preis, der auf eine großzügige Idee des ebenda geborenen Dichters, Theaterautors und Filmmachers Frieder Schuller zurückgeht (“Es ist nichts Großartiges, kein Oscar, sondern lediglich eine Katze mit einer Feder…”), vom deutsch-rumänischen Verein “Felicia” aus Katzendorf, dem rumänischen Schriftstellerverband, Filiale Kronstadt, dem Internationalen Exil- PEN (Deutschland), vom DFD Kronstadt ,vertreten bei diesem Fest durch seinen Vorsitzenden Wolfgang Wittstock, und der Kronstädter Zeitschrift “Satul”, mit Unterstützung der Deutschen Botschaft in Bukarest.

Jürgen Israel, Dichter, Prosaautor und Herausgeber, 1944 in Hörnitz/ Lausitz geboren, lebt derzeit in der Neuenhagen bei Berlin, und hat bisher mehrere Lyrikbände, zuletzt “Mitlesebuch 94”, Aphaia-Verlag 2012, herausgebracht. 2001 hat er schon „Erfahrungen” als Stadtschreiber in Rheinsberg gesammelt. Im geräumigen Pfarrhof, zwischen schattigen Apfelbäumen, an dem alten Gemäuer ein Gedichtband im Freien- da waren ringsum Gedichte des Preisträgers in deutscher Sprache und in rumänischer Übersetzung zu lesen.

Zu den dreitägigen Literaturtagen waren diesmal gar 80 Teilnehmer, so Gastgeber Frieder Schuller, vornehmlich aus Deutschland, aber auch aus der Schweiz, sogar aus Paris und London, darunter namhafte Literaten und Künstler, in das abgelegene Dörfchen in der Homoroder Senke, acht Kilometer von Reps entfernt (der Stammheimat des Komponisten Wilhelm Berger und des Lyrikers Hellmut Seiler übrigens) angereist. Im Rahmen eines stimmungsvollen Kulturprogramms zu sehen und zu hören war gar einer der Großen der deutschen Gegenwartsliteratur, der Büchner-Preisträger Arnold Stadler (Berlin), dann der Berliner Pantomime Burkhard Seidemann mit einer Performance, der Pianist und Komponist Jörg Schäffer (München) mit einem abendlichen Rezital in der Scheune. Aus Ulm war die aus dem Banat gebürtige Lyrikerin und Künstlerin Ilse Hehn, Vizevorsitzende des Exil PEN, in Katzendorf dabei, zudem die bekannte Schauspielerin und Lyrikerin Ioana Crăciunescu aus Bukarest. In der geräumigen Scheune boten zur späten Abendstunde je eine Lesung aus ihren Werken Ion Mureşan (Klausenburg), einer der derzeit geschätztesten Dichter der rumänischen Literatur- man nennt ihn gar den neuen Nichita Stănescu- und der Temeswarer Prosaautor Balthasar Waitz.

Mit einem einfühlsamen, humorvoll gespickten Referat hatte die Berliner Literaturwissenschaftlerin Michaela Nowotnik schon am Mittag den neuen Dorfschreiber und die Teilnehmer durch die deutsche Literatur aus Siebenbürgen von gestern und heute geführt. Erstmals gab es bei den Katzendorfer Literaturtagen nun auch eine Banater Beteiligung: Aus Temeswar waren noch die Autorin Annemarie Podlipny-Hehn vom Stafette-Literaturkreis und Elke Sabiel, Vorsitzende der Temeswarer deutsch-rumänischen Kulturgesellschaft, mit von der Partie.

Das zahlreich erschienene Publikum erlebte dann in der Scheune, einer effektvollen, zwielichtigen Kulisse mit Vogelgezwitscher aus dem Obstgarten, als eine der Höhepunkte der Veranstaltung, eine Aufführung des von Frieder Schuller geschriebenen Stückes “Ossis Stein oder Der werfe das erste Buch” über Oskar Pastior. Das in der Darbietung von fünf Schauspielern des Hermannstädter Radu-Stanca-Theaters, die mit dem Autor für ihre Performance auch mit anhaltendem Applaus belohnt wurden.

Ein Sonderlob für Initiator und Gastgeber Frieder Schuller, der mit diesen Literaturtagen in Katzendorf nicht nur für sich selbst und seine sächsische Seele, aber auch für viele andere dazu eine schöne Kulturbrücke zwischen seiner neuen Heimat Deutschland und Siebenbürgen, der alten Heimat, geschlagen hat. Der Dorfschreiber und die symbolhafte Katze mit der Feder sind wahrlich als ein gutes Zeichen nicht allein für die kleine rumäniendeutsche sondern auch für die rumänische Literaturszene zu werten.