Janus

Der altrömische Gott des Hauses, der Türen und Tore, des Eingangs und Anfangs, des Durchgangs ist „janusköpfig“, mit einem Gesicht, das nach vorn, dem anderen, das nach hinten schaut. Janusköpfigkeit oder Doppelgesichtigkeit sind nicht die ehrenvollsten Merkmale des Menschen, obwohl der Begriff in seinem indogermanischen Ursprung mit dem Eid und dem „Eidgang“ verwandt ist und durchaus auch etwas mit Recht-Mäßigkeit und GeRechtigkeit zu tun hat, aber auch mit dem Gehen (altgr.: ion).

Jenseits solch sprachgeschichtlicher Spekulationen – oft für Journalisten durchaus empfehlenswert, wenn/weil sie mit Wortinhalten arbeiten – erinnern die gegenwärtigen politischen Umtriebe bezüglich Verfassungsänderung/–novellierung und das selbstverteidigende Vorpreschen des Präsidenten in puncto neuerliche Volksbefragung an eine ausgeprägte Janusköpfigkeit desjenigen, der – wenn bei der Volksbefragung vom Sommer 2012 alles mit rechten Dingen, nach klaren Gesetzen und ohne flagrante Einmischungen von außen zugegangen wäre – längst nicht mehr im Amt wäre.

Die Verfassungsnovellierung wird zunehmend zum Friedensdiktat der Wahlsieger vom Dezember 2012, die den/dem Besiegten ihre Bedingungen aufzwingen. Es ist der Friedensvertrag der Wahlsieger, diktiert über Köpfe und Meinungen der Besiegten hinweg – wie immer in der Menschheitsgeschichte.

Es ist das Ende eines Krieges, der im Dezember 2005 begonnen haben könnte, als der frischgebackene Präsident B²sescu der PNL eine Fusion mit „seiner“ PD ultimativ aufzwingen wollte. Oder etwas früher, als C²lin Popescu-Tăriceanu seinen von Băsescu geforderten Rücktritt ausschloss und die vom Präsidenten anvisierten Neuwahlen unmöglich machte.

Janushaft auch die PNL: einerseits kämpfte sie für ihr Profil als älteste Partei Rumäniens, andrerseits für Privilegien ihrer markanten Mitglieder, die nahezu ausnahmslos im byzantischen Korruptionssumpf stecken. Höhepunkt dieses zweiten Gesichts der PNL war die blitzartige Kooption des zwielichtigen, populären Gheorghe/Gigi/Jiji Becali. Janusgesichtig der Präsident: einerseits skrupelfrei bereit, je nach Situation seine Meinung zu ändern und die jeweils Letztgeäußerte als „schon immer vertreten“ darzustellen (der Fall Gabriel Oprea, der „Kopf der persönlichen Mafia von Adrian N²stase“; oder der  Schwur, zurückzutreten, wenn „das Volk“ gegen ihn stimmt).

Oder seine (überzeugenden) Bemühungen, die Justiz vor politischen Einmischungen zu schützen und seine (transparenten) Bestrebungen, aus jeder politischen Konfrontation eine Stärkung seiner persönlichen Macht zu machen.

Die Parlamentsmehrheit ist nun bestrebt, ihre Wahl- und Volksbefragungssiege von 2012 als Verfassungsnovellierung festzuschreiben. Sie will ein Gespenst bannen: weder sie noch das Wahlvolk wünscht einen zweiten oder einen weiteren B²sescu. Dieser wieder versteht die Beschränkungen der Präsidialmacht durch Verfassungsnovellierung als persönliche Beleidigung und bringt die Dicke Berta in Stellung: Volksbefragung. Die Einschränkung präsidialer Machtbefugnisse ist ihm Erniedrigung. In der Auffassung der Initiatoren wohl auch. Băsescus letztes Referendum ist für den Janusköpfigen die letzte Chance, als Spieler in die Geschichte einzugehen. Zu dem er sich selbst erklärt hat.