KOMMENTAR: Bloß der Warnefinger blieb

Am 12. März waren es 26 Jahre, seit sich Temeswar in einem selbstgefälligen Rumänien der davongekommenen kommunistischen Zweit- und Drittrangführer ins Abseits gestellt hat: die Proklamation von Temeswar wurde veröffentlicht. Rumänien zeigte Temeswar die kalte Schulter. 2016 nahm die öffentliche Meinung davon nichts mehr wahr.

Ein Innehalten wäre sinnvoll. Was wäre passiert, wenn Punkt 8 der Proklamation umgesetzt worden wäre: wenn wir ein Rumänien zehn Jahre lang ohne die im Kommunismus vollgesauten Iliescu, Văcăroiu, Stolojan, Băsescu, Năstase, Micky-Şpagă, Felix, den Spitzel  u.v.a.m. gehabt hätten. Vor allem: ohne den Tross der „geläuterten Kommunisten“, der Strauchdiebe der Nation, ohne Mineriaden, ohne das „Verschwinden“ der Hochseeflotte Rumäniens, ohne das Finanzbeben der Bancorex-Pleite (oder deren vollwissentlich geduldeter Ausraubung?), ohne MEBO-Privatisierungen, ohne sukzessive nachjustierte Rückerstattungsgesetze, bis sie für jeden Hai fressgerecht zurechtgebogen waren.

Die Farce des Prozesses des Kommunismus, initiiert von einem, der selbst dick Dreck am Stecken hat – Präsident Băsescu – und koordiniert von einem, der in seiner Jugend einer der größten Nutznießer der Vorteile kommunistischer Nomenklatura war – Vladimir Tism²neanu – hatte ein ähnliches Schicksal wie die Strafverfolgungen gegen zwei der Hauptinitiatoren der stalinistischen Verfolgungen: Alexandru Nicolschi starb  einen Tag nachdem man ihm die Eröffnung der Strafverfolgung zur Kenntnis brachte an Herzinfarkt – vor Angst, so der Staatsanwalt – Alexandru Drăghici floh tags darauf nach Ungarn, wo der romänisierte Magyare und Ex-Innenminister einen geruhsamen Lebensabend unterm Schutz des geläuterten ungarischen Nationalismus verbrachte. Dr²ghici war inoffiziell und im Geheimen von der Eröffnung der Strafverfolgung in Kenntnis gesetzt worden und floh blitzschnell. Nie hat Rumänien von Ungarn seine Auslieferung verlangt. Wer fürchtete seine Aussagen?

Als Ceauşescu ihn 1968 aus dem ZK der RKP feuerte und mit ... Ion Iliescu ersetzte, wurden ihm die Verbrechen der stalinistischen Zeit und der Mord an Lucreţiu Pătrăşcanu zur Last gelegt.

Die heutige Apathie im öffentlichen politischen Raum dürfte eine Folge des nationalen Je-Mon-Fiche-ismus nach 1990 sein. Der gekonnten Manipulationen der Altkommunisten. Trotzdem begingen eine Handvoll Aufrechter von der Gesellschaft Timişoara den Jahrestag der Proklamation. 30 Personen, still, in der Temeswarer Bastion. Sie feierten ein Scheitern, denn kein kommunistischer Aktivist und kein Securitate-Vertreter trat wegen der Proklamation zurück. Und das Verfassungsgericht hat schon zweimal Gesetzesvorlagen in ihrem Geist für verfassungswidrig erklärt.

Bleibt der moralische Zeigefinger. Wem bedeutet das noch was?