KOMMENTAR: Politchaoten

Vor zwei Wochen, als bereits 22 Millionen Amerikaner per Briefwahl ihre Stimme abgegeben hatten, hat FBI-Chef James Comey, ein 2,03-Meter-Hühne, dem eine Geradlinigkeit nachgesagt wird, die ans Absolute gehen soll, entgegen der Empfehlung des US-Justizdepartements, an den Kongress einen Brief gerichtet, der von „treffend scheinenden Hinweisen“ spricht, aufgrund derer die im August als abgeschlossen erklärten Untersuchungen in der „E-Mail-Affaire“ der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton wieder aufgenommen werden. Das Justizministerium meinte, zurecht, dass innerhalb von 60 Tagen vor den US-Wahlen keine Untersuchungsmaßnahmen mehr anzukündigen sind, die den politischen Prozess untergraben könnten – vor allem, weil innerhalb dieser Zeitspanne Verdachtsmomente weder bestätigt noch entkräftet werden können. Ansonsten ist der Brief eher harmlos, sehr vorsichtig formuliert, keinerlei Beweise, keine Änderung zum Sommer.

Der zähnefletschende Populist Trump stürzte sich sofort auf seine letzte Chance, sprach vom „Skandal, größer als Watergate“, von „Beweisen, von denen ich mir vorstelle, dass sie erdrückend sind, denn wenn sie nicht so wären, hätten die das nicht mehr getan“, spielte den autoritären Richter (seine Lieblingsrolle), dekretierte „eine gezielte und absichtliche kriminelle Aktion“, baute Wahrheitsbilder für Halbgebildete auf, ein Gemenge von Slogans, Vermutungen (bei Trump Gewissheiten), Behauptungen (die er als Wahrheiten stempelte) und Dreckschleuderei – nach den bösesten Prinzipien einer hinterwäldlerischen Gerüchteküche. In selbiger Weise hatte er die Schlussfolgerung von 17 US-Spionageagenturen abgewiesen, die eine Einmischung der Russen in die US-Wahlen feststellten. Trumps apodiktisch-selbstherrliche Schlussfolgerung: „Die Agenturen täuschen sich“.

Eine der treffendsten Bemerkungen zum US-Wahlkampf machte Charles Krauthammer: „Wir bewegen uns in einem parallelen Universum, wo die Geometrie eine nichteuklidische ist, wo die Fakten keinerlei Bedeutung haben, wo Geschichte und Logik verschwunden sind.“ Niemand hat auch nur ein Wort darüber verloren, dass der US-Michlgradaus James Comey mit seinem Brief nicht nur die US-Gesetze ignorierte, sondern auch seine Befugnisse und Grenzen als Chef des FBI zertrat.

Verdächtig auch, dass die von Comey mitgeteilte Wiederaufnahme der Mail-Untersuchungen bereits zwei Wochen vorher im Internet angekündigt wurde und dass Wikileaks-Gründer Julian Assange eine Woche vorher schon sein „Hillary is done“ lanciert hatte. „Seit den Zeiten des Edgar G. Hoover gab es keinen FBI-Direktor mehr, der sich persönlich als Spieler in den politischen Raum positionierte“, kommentierte jemand, dem man glaubt, Fareed Zakaria vom CNN.

Trump, der Politchaot, gewinnt Oberwasser. Europa schwebt in Gefahr.