KOMMENTAR: Politik und Kriminalität

Hannah Arendt sagte zur Beziehung von Kriminalität und Staatsraison/Politik: „Das massive Eindringen der Kriminalität in öffentliche Prozesse gehört zu den Charakteristika unserer Zeit. Ich verstehe darunter etwas, das weit über Verbrechen hinausreicht, indem es vorgeblich eine Ausnahme von der Regel sein soll. Wir haben es aber, ganz im Gegenteil, mit einem Stil politischer Aktion zu tun, der an sich kriminell ist.“

An diese Festlegung (1974) erinnerte ohne es zu wollen Liviu Dragnea, der Chef der stärksten Partei Rumäniens, der PSD, am vergangenen Wochenende. Er sagte vor dem PSD-Exekutivkomitee in Târgovişte: „Alles hängt nun von unserem Ergebnis im Herbst ab, einschließlich unsere Freiheit.“ Und Dragnea unterstrich „Freiheit“, indem er die Parlamentswahlen so präsentierte, dass jeder einzelne Führer der PSD dran denken sollte, ob er sich wirklich wünscht, vor heutige Gerichtsinstanzen Rumäniens gestellt zu werden, als Angeklagter, „wo wir alle bisher zur Genüge sehen konnten, was da alles passieren kann.“

Nach dem – allmählich unter den Teppich gekehrten – Hexi-Pharma-Skandal und seinen Krakenarmen im Politik und Geheimdiensten und den Dauerskandalen mit den Eigenschutzmaßnahmen der Parlamentarier, die ihre kriminellen Kollegen protegieren und gleichzeitig konsequent sich bemühen, die Macht der Justiz und der justiziarischen Untersuchungsorgane per Gesetz einzudämmen, in deren weitgehender Unbestechlichkeit sie die größte Gefahr für ihre Diebes- und Klüngelmentalität sehen, fällt die Geheimniskrämerei als Staatsraison schwer ins Gewicht: alles, was der Transparenzpflicht unterliegen müsste, vor allen in der Tätigkeit der rumänischen Geheimdienste (etwa die Berichte des SRI über die hundertfach verdünnten Desinfektionsmittel der Krankenhäuser), wird behütet, als ob damit anderes gedeckt werden müsste.

So kommt es, dass wir in diesem Land statt Politik Skandale erleben, mit den unweigerlichen Verschwörungstheorien, angeheizt von gekauften Journalisten und hochbezahlten Profiquatschern im Privatfernsehen. Karl Popper spricht („Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“) von der „Verschwörungstheorie der Gesellschaft“ und der „Entdeckung“ der Verschwörer oder Verschwörergruppen, die „an allem Schuld“ sind, weil sie obskure Interessen verfolgen. Dadurch wird die „Durchdringung des öffentlichen Raums durch Kriminalität“ ermöglicht“, weil die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit effizient abgelenkt ist. „Verschwörungen“ erklären alle Misserfolge, auch das Entlarven der hochgestellten Diebe. Man rufe sich bloß die Reaktion des Diebs am Geistesgut Victor Ponta in Erinnerung, als endgültig feststand, dass er seine Doktorarbeit abgeschrieben hat.

Die Annahme von einer reifen Demokratie, die sowas erfolgreich verhindert, ist falsch.