Mobbing-Kampagne will Aufklärung statt Vergeltung

Britische Organisation startet „Mentor“-Projekt in Temeswar

„I will survive“ und eines Tage werde ich mich an euch allen Rächen, sobald ich es kann: So kann man die Botschaft der Antimobbing-Kampagne des Musiksenders VH1 umdeuten. Die britische Organisation BeatBully kommt mit einem Gegenvorschlag: Jugendliche sollen ausgebildet werden, andere Jugendliche in Mobbingfällen zu beraten. Ihre Kampagne wurde nun auch in Temeswar gestartet.

VH1 zeigt, wie man es nicht machen sollte. Seit einigen Wochen sorgt ein von dem Musiksender produziertes Video für Kontroversen. Mit einer Kampagne gegen Mobbing in der Schule, wollte sich der Sender an die “coolen” Kids adressieren. “Die Rache der Nerds” heißt der Clip und er sollte witzig sein, wurde stattdessen von Experten verrissen mit der Begründung, es sei pietätlos. Schließlich singen darin Jugendliche eine abgeänderte Version des bekannten Gloria Gaynor Hits “I will survive”, während Mitschüler auf ihren Gesichtern sitzen und einen fahren lassen. Eines Tages werde ich dein Chef sein, lautet die Botschaft der Gequälten. Passt auf.

Sollte man so ein ernstes Thema mit Humor betrachten? Und wenn ja, welcher Art von Humor. Schließlich sind die Schlüsse, die man aus der VH1-Kampagne zieht, die, dass man selber zum Bully werden muss und zwar sobald man sich  in der Machtposition befindet, die es einem ermöglicht. Es kann natürlich auch nur als eine Warnung gedeutet werden, eben für die besagten Täter, dass ihre Schikanen auf sie zurückfallen werden.

Es ist ein heikles Thema, besonders weil Jugendliche davon betroffen sind. Laut aktuellen Statistiken wurden in der Europäischen Union mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen (55 Prozent) in Mobbing-Fällen impliziert. Manche sind selber Opfer, andere Täter, Komplizen oder Zeugen. Besonders im Internet werden viele junge Menschen verbal attackiert. Soziale Netzwerke wie Facebook sind Nährböden für Bullys.

Die britische Organisation BeatBullying möchte dem ein Ende setzen. Seit 1999 setzt sich die Stiftung, die von Emma-Jane Cross gegründet wurde, für die Bekämpfung der Ursachen von Mobbing ein. Inzwischen agiert BeatBullying in mehreren Ländern darunter auch Rumänien.  Mit dem Verein “MISIT” als Partner wurde das Pilotprojekt “Cyber Mentors Europe” gestartet. Das Ziel: Jugendliche zwischen elf und 17 Jahren darin auszubilden, andere Gleichaltrige in Mobbing-Situationen zu beraten. Rund 200 Schüler werden vorbereitet. Von einer dafür eigens entwickelten Software unterstützt, sollen die Teilnehmer ein Netzwerk aufbauen, das sowohl online als auch offline funktioniert.

In anderen Ländern wurde das Programm bereits erfolgreich eingeführt. Auch die Ergebnisse würden für sich sprechen, so die Vertreter von BeatBullying. In den Schulen wo es eingesetzt wurde, ist die Gewaltrate um bis zu 80 Prozent gesunken.

 

Schlichtung statt Rache

Anders als die VH1-Kampagne bemüht man sich hier um eine Schlichtung, um Konfliktauflösung statt Bekämpfung nach dem “Auge um Auge”-Prinzip. Nein, keine Rache, selbst der sogenannten “Nerds” nicht.

Statt destruktiven Worten wie “Rache” verwendet man lieber aufbauende Begriffe wie “Mentoring”. Das Problem verstehen, es an der Wurzel packen und eine Lösung gemeinsam finden. Statt andere Auszugrenzen sollte man lieber dem Opfer seine Aufmerksamkeit schenken.

Auch die Nikolaus-Lenau-Schule möchte gegen Cybermobbing vorgehen. Sie ist Partner in einem Comenius-Projekt, dessen Ziel die Gründung einer Online-Platform für Lehrer, Schüler und Eltern ist. Ähnlich wie das “Cyber Mentors Europe”-Programm nur ohne die ausgebildeten, freiwilligen Jugendlichen. Stattdessen soll die Internetseite in mehreren Sprachen der EU die wichtigsten Informationen zum Thema sowie Kontaktadressen zusammenstellen.

Für die teilnehmenden Lehrerinnen von der deutschsprachigen Schule ist besonders der Faktor Lehrer wissen. „Lehrer müssen eine Ahnung über das Thema haben, damit sie sowohl die Schüler als auch die Eltern beraten können“, so Astrid Otiman. „Cybermobbing passiert und wenn man es nicht ernst nimmt, kann es für die Betroffenen sehr schlimm werden.“

Auf Youtube wurde der Kommentarbereich zu dem VH1-Video von zynischen Bemerkungen überschwemmt. “Es ist wahrscheinlicher, dass diese Kids mit der Waffe morgen in die Schule kommen werden”, schreibt ein Besucher. Andere befürworten Mobbing. Es würde den Charakter stärken, würde die Schwachen von den Starken trennen. Ganz andere finden das Video einfach nur lustig und mögen es gerade deswegen.

 

Schon heute Hilfe einfordern

Auf der offiziellen Seite der britischen Hilfsorganisation können Jugendliche ab sofort Kontakt mit sogenannten „Mentoren“ aufnehmen. Unter www. beatbullying.org finden sie nicht nur Informationen und Ratschläge, sondern können auch Verbindung mit Gleichaltrigen aufnehmen, die von dem Verein ausgebildet wurde, um Opfer zu unterstützen. Eine Veränderung kann man schon heute bewirken und nicht erst in zehn oder 20 Jahren. So witzig das VH1-Video, so verheerend seine Wirkung, wenn man sich damit identifiziert und die Message ernst nimmt. Nein, Rache ist nicht die Lösung. Denn wie sagte auch Mahatma Gandhi so schön: Auge um Auge führt nur dazu, dass die ganze Welt erblindet.