Moderne Lyrik durch Theater entdecken

Zwei deutsche Pädagogen führten Schüler in zwei Kunstwelten ein

Theaterpädagogin Jessica Höhn (mitte) hielt zusammen mit Fred Gimpel die Werkstatt. Foto: Zoltán Pázmány

Drei Tage lang durften sich zehn Schüler vom Nikolaus Lenau Lyzeum einmal ganz anders an moderner Lyrik heranwagen. Vordergründig waren nicht die Inhalte der Gedichte, sondern die Art und Weise des Vortrags. Wie könnte man Lyrik theatral umsetzen? Auf diese Frage wollten die deutschen Theaterpädagogen Fred Gimpel und Jessica Höhn den Jugendlichen eine Antwort geben. „Generell liegt der Schwerpunkt unserer Arbeit darauf, Türen aufzustoßen“, erklärt Höhn. Sowohl sie als auch ihr Kollege möchten durch das Theater Welten erfinden und zeigen. Unabhängig davon ob es sich um agrammatische Wortkonstrukte handelt voller Assonanzen, Alliterationen, Anaphern,Vokalmotiven oder ob es klassische Schiller oder Goethe-Lyrik ist, wo die veraltete Sprache meist zum Hindernis wird.

Sie wollen durch Theater einen Zugang schaffen und implizit den Teilnehmern dabei helfen ihr Selbstbewusstsein zu stärken und ihnen Mut machen. Es kann Therapie sein, soll es aber nicht. Für Höhn wäre es ein nettes Nebenprodukt und Gimpel stimmt ihr da voll und ganz zu. Auch mit reiner Interpretation, wie sie im Deutschunterricht meist vorkommt, hat die Werkstatt nichts zu tun. „Wir gehen nicht kopfmäßig ran, das ist kein Deutschliteraturkurs hier und wir haben keine akademische Zugangsweise“, erklärt Gimpel. Tiefere Bedeutungen, die hinter den lyrischen Texten stehen, müssen die Teilnehmer für sich selbst suchen. Was sie gemeinsam innerhalb der Werkstatt herausfinden, sind Klänge, Farben und Geräusche, die in den Gedichten zum Ausdruck kommen. Die Schüler müssen Wege finden diese körperlich, akustisch und sinnlich darzustellen. Dadurch, dass die Teilnehmer die Gedichte selber interpretieren, entstehen unterschiedliche Auffassungen.

Die interpretative Vielfalt eines lyrischen Textes macht den Reiz aus, findet Gimpel. Wie man ein Gedicht liest, soll von der gegenwärtigen Gemütslage abhängen. Davon ausgehend kann man ihm neue Facetten abgewinnen. Wie einen das Gedicht anspricht, was man darin alles entdecken kann, das sollten die Jugendlichen spielerisch herausfinden.

Veranstalter der Theaterwerkstatt war das Deutsche Kulturzentrum Temeswar. Der freiberufliche Theaterpädagoge, Fred Gimpel, arbeitete vor sieben Jahren für das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) in Rumänien und stellte damals durch die ehemalige Kulturreferentin Kristina Molnar die Verbindung zur deutschen Kultureinrichtung aus Temeswar her. Molnar war für die Kinder- und Jugendarbeit des Zentrums zuständig. Rumänien war für den Theaterpädagogen auch vor seiner Arbeit für das ifa nicht unbekannt. Gimpel wurde in Rumänien geboren und wanderte als Zwölfjähriger mit seinen Eltern nach Deutschland aus. Er unterstützt auch seit 15 Jahren die Kinderprojekte des gemeinnützigen Vereins „Hora Copiilor“ (dt. „Kinder-Reigen“) der von der Kinderbuchautorin Else Schwenk-Anger gegründet wurde. Die 76-jährige setzt sich seit 21 Jahren für Waisenkinder aus Rumänien ein. Sie hat in Lippa/Lipova zehn Familienhäuser gekauft und renoviert. In jedem dieser Häuser wohnt jeweils ein Ehepaar, das zehn Waisen zwischen drei und acht Jahren betreut. Durch den Verein wurde auch eine Sonderschule, eine Arzt- und Zahnarztpraxis sowie ein Haus für „Aidskinder“ gegründet.

Eine Premiere stellte Rumänien für Jessica Höhn dar. Seit sechs Jahren arbeiten sie und Gimpel an verschiedenen Projekten zusammen. Meist sind es Jugendprojekte ähnlich wie die Theaterwerkstatt, die das Kulturzentrum organisiert hat. Vom Land war sie total begeistert. „Wir sind morgens in den Flieger in Dortmund eingestiegen bei sieben Grad und Regen“, erzählt sie. „Und sind dann in Temeswar bei 15 Grad und Sonne gelandet.“ Gimpel war froh einer deutschen Kollegin das Land zeigen zu können. "Rumänien ist einfach ein spannendes Land, weil in den letzten Jahren eigentlich viel passiert ist an wirtschaftlicher Entwicklung und auch im kulturellen Bereich“, meint er.

Auch über die Teilnehmer waren die Pädagogen begeistert. Die Jugendliche waren offen und aufnahmebereit, so Höhn. Zum Abschluss der Werkstatt wurden die Ergebnisse der dreitägigen Arbeit in einer Präsentation vorgestellt.