Multi-Kulti-Schweineschlacht in Hatzfeld

Ungarn, Serben und Rumänen kamen zusammen, um dem Schwein den Garaus zu machen

Den Teilnehmern am zwölften Ignat-Fest in Hatzfeld lief beim Anblick der Fleisch-Leckereien das Wasser im Munde zusammen.

Zoltán Bán aus Csanádpalota in Ungarn geht hochprofessionell mit dem Schlachter-Messer um.

Das tote Schwein muss zunächst von den Borsten befreit werden. Das geschieht in Hatzfeld durch Verbrennen. Fotos: Zoltán Pázmány

Bán Zoltán - Zoli, wie ihn seine Freunde nennen, ist ein Typ Mitte 40, an die1,80 Metergroß und über hundert Kilo schwer. In der Disko würde man ihn leicht mit einem Türsteher verwechseln, so imposant sieht der Mann mit schwarzem Schnurrbart aus. Mit festem Griff packt er das Messer, guckt streng auf das abgestochene Tier und macht einen präzisen Längsschnitt, vom Hals bis zum Hinterteil des Tieres - genau so, wie ein erfahrener Rechtsmediziner einen Verstorbenen seziert. Kalt läuft es den Anwesenden über dem Rücken, aber nicht wegen Zoltáns Geste, sondern eher wegen der Kälte draußen, denn es ist 8.30 Uhr morgens in Hatzfeld/Jimbolia, Zsombolya auf Ungarisch, Žombolj in serbischer Sprache. Bán Zoltán stammt aus dem ungarischen Csanádpalota und ist heute nach Rumänien gefahren, um gemeinsam mit Freunden aus Serbien und Rumänien das Ignat-Fest zu begehen.

Anlässlich des Ignat-Festes, das am 20. Dezember gefeiert wird, werden in vielen Haushalten aus Rumänien Schweine geschlachtet und daraus frische Wurstwaren hergestellt. In Hatzfeld an der Grenze zu Ungarn und Serbien wird jedes Jahr auch ein Wettbewerb veranstaltet und das bewandertste Team in Sachen Schlachtung und Wurstherstellung prämiert. Bán Zoltán hat heute eine schwere Aufgabe: Er muss die Leistung von 2011 übertreffen und seiner Mannschaft zum Erfolg verhelfen. „Das Team aus Csanádpalota war jedes Jahr dabei. Wir stellen Kolbász, also Wurst her, aber auch eine Spezialität aus Ungarn, eine Reiswurst, bei uns Hurka genannt“, erklärt Zoli, ohne das geschlachtete Schwein aus den Augen zu verlieren. Von Beruf her ist der Mann kein Metzger, jedoch ist die Art, wie er mit dem Messer umgeht, höchst professionell. Zu Hause, in Csanádpalota, ist er dieser Beschäftigung nur zu oft nachgegangen.

Der Traum vom Tod

Draußen, an der Ausfahrt Richtung Grenze, haben sich frühmorgens etwa fünfzig Hatzfelder eingefunden. Das Ignat-Fest, das in diesem Jahr bereits zum zwölften Mal veranstaltet wird, lockt jedes Jahr die Bürger zur Expo Ripensis, wo das Bürgermeisteramt das Fest veranstaltet. Um 7 Uhr treffen sich die Teams, um den fünf Schweinen den Garaus zu machen und aus dem frischen Fleisch Wurstwaren herzustellen. Dabei sind nicht nur drei Teams aus Hatzfeld, sondern auch zwei aus Serbien – aus Kikinda und Srpska Crna – und eines aus dem ungarischen Csanádpalota.

Die blutige Angelegenheit lockt zu Beginn nur ein paar Neugierige – die meisten strömen jedoch herbei, nachdem die Borstentiere schon gestochen auf dem Boden liegen. Dass das Schwein vor Weihnachten geschlachtet wird, gehört in Rumänien zur Tradition. Mit dem Ignat-Fest sind mehrere Legenden verbunden, die von Region zu Region unterschiedlich sind. Die bekannteste besagt, dass die Schweine in der Nacht vom 19. auf den 20. Dezember von ihrem Tod träumen. Aus diesem Grund sollen die Tiere ab dem 20. Dezember nicht mehr dick werden wollen. Andere Legenden erzählen von Vatermorden und von Tieropfern, die an diesem Tag erbracht werden müssen. Sollten unter den Personen, die beim Schweineschlachten zusehen, mitleidige Menschen sein, so würde das Schwein in Qualen sterben und dessen Fleisch nicht sehr schmackhaft sein. Andere Sagen sehen die Ursprünge des rumänischen Ignat-Festes bei den Ägyptern, Hindus oder bei den alten Dakern.

Der Schlachter in weißem Kittel

Nachdem er den Bauch des Schweines aufgeschnitten hat, greift Bán Zoltán mit beiden Händen nach den Innereien und zieht sie heraus. Eingeweide, Leber, Lunge, Herz und andere Organe plumpsen in einen Plastiksack, während das Schwein inwendig gewaschen wird. Danach zieht Zoli seinen weißen Metzer-Kittel an und hängt das Schwein an einem Haken auf, damit er es leichter tranchieren kann. Er ist der einzige, der es so macht – alle anderen Schlachter haben die Tiere auf die Tische gelegt und zerstückeln sie so in einzelne Teile.

An einem der „serbischen“ Tische, wo das Team aus Kikinda seine Arbeit entfaltet, trennt man gerade das Fleisch von den Knochen. Oskar Husta schwingt hier als Ober-Schlachter das Messer. Das Fleisch muss durch den Fleischwolf, bevor es zu Wurstprodukten verarbeitet wird. Im Kessel nebenan schmort das Fleisch, der Grill steht betriebsbereit, die Krautwickel sind gefüllt und auch ein kleines, flaches Brot wird gerade gebacken. Es riecht nach gebratenem Fleisch und nach frischen Grieben. Oskar Husta hat Metzger als zweiten Beruf erlernt und das merkt man sofort. Tontöpfe werden für die Zubereitung verwendet, so wie es in Serbien Brauch ist. „Die Menschen hier sind sehr gastfreundlich und offen. Es ist das erste Mal, dass ich dabei bin – aber ich werde sicherlich wiederkommen“, verspricht Oskar Husta aus dem serbischen Kikinda, der selbst ungarischstämmig ist.

Die Gewinner aus den Nachbarländern

Eine Multi-Kulti-Schweineschlachtung, wie sie es in Hatzfeld gibt, ist eigentlich kein Novum im Banat. In Westrumänien ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Ungarn, Serben und Rumänen zusammenkommen, wenn vor Weihnachten das Schwein geschlachtet wird. Als gute Nachbarn hilft man sich gegenseitig, und meist ist es auch so, dass man auch die Sprache seines Nachbarn verstehen und womöglich auch sprechen kann. Beim Ignat-Fest in Hatzfeld wird ein bunt gemischter Sprachenkuchen gebacken: Die Hauptzutaten sind Rumänisch, Ungarisch und Serbisch, hinzugefügt werden noch ein bisschen Deutsch, eine Prise Rromani und ein Hauch von Englisch. Meist reicht jedoch ein Lächeln und ein freundliches Nicken, damit sich die Menschen miteinander verstehen. An den Tischen gibt es nichts zu verkaufen. Man läuft vorbei, schnuppert an dem Fleisch, steckt die Hand in den Topf und nimmt sich ein Stückchen von dem, was einem gerade zugezwinkert hat. Den Tatort in Hatzfeld verlässt keiner, ohne sich davor satt gegessen zu haben. „Zur Jury gehören Mitarbeiter des Bürgermeisteramts und des Kulturhauses sowie Stadträte. Die Gewinner erhalten von uns Diplome“, sagt Bürgermeister Darius Postelnicu, der seit Juni 2012 an der Spitze der Kommunalverwaltung in Hatzfeld steht. Es ist schwierig, Sachpreise zu vergeben, zumal mehrere Teilnehmer zu den Teams gehören, die sich diese nur schwer untereinander verteilen könnten. Es sei auch Schade, dass kein deutsches Team gebildet wurde, so Postelnicu: „Die deutsche Gemeinde schrumpft leider“, beteuert der Bürgermeister.

Bis am späten Nachmittag werkeln die Teams an ihren Wurstwaren herum. Der Kälte trotzen viele mit einem Glas Glühwein oder Schnaps – Palinka, wie es die Ungarn nennen. In den Lautsprechern ertönt Musik – ungarische, serbische, rumänische, und man könnte genau so gut in Serbien oder Ungarn sein, so vielfältig ist die Besetzung beim Ignat-Fest in Hatzfeld. Zum Schluss stehen auch die Gewinner fest: Der erste Preis geht an das Team aus Srpska Crnja, Platz zwei belegt das Team aus Csanádpalota und das Gewinnerteam von 2011, die Mannschaft aus Kikinda, erhält den dritten Preis. Das freut Organisatoren und Teilnehmer zugleich, denn eins steht sowieso fest: Gewinner sind nicht nur die drei Teams aus Serbien und Ungarn, sondern alle, bei dem zwölften Ignat-Fest in Hatzfeld dabei waren.