Nokia-Effekt, Bürokratie und Spielraum für Investitionen

Unvorstellbar: Präfekt muss bei Steuerausgleich intervenieren

Der Industriepark bei Freidorf am Rande von Temeswar bietet Ansiedlungsmöglichkeiten. Die großen Investitionen bleiben jedoch vorläufig aus.
Foto: Zoltán Pázmány

„Nach Nokia könnten auch andere internationale Konzerne Rumänien verlassen, wenn Bürokratie nicht abgelegt und Verantwortung in wichtigen Entscheidungen übernommen werde“, schickte der rumänische Staatschef vor Kurzem seine Pfeile in Richtung Regierung.

Wahrscheinlich vorwissend, hatte der Premierminister Emil Boc einen Tag vor der Bekanntgabe vom Nokia-Rückzug aus Rumänien Regierungsunterstützung in bürokratischen Fragen für all jene in- und ausländische  Investoren versprochen, die mindestens eine Million Euro investieren und Arbeitsplätze generieren. „Ansonsten nehmen die Investoren ihr Geld und gehen nach Hause“, hatte Boc seine Entscheidung begründet.

„Die Bürokratie ist unerträglich“, sagt Peter Hochmuth, Präsident des Deutschsprachigen Wirtschaftsclubs im westrumänischen Temeswar/Timişoara. Die Gesetzgebung sei kompliziert, dazu würden Gesetze auch noch verschieden ausgelegt und dadurch entstehe ein Wirrwarr, so der Clubpräsident deutscher Investoren im Raum Temeswar. Er setzt fort: „Diese Bürokratie weitet sich auch noch von selbst aus, weil jeder kleine Beamte meint, er müsse noch eins draufsetzen“.

Späte Einsicht und Schuldzuweisung

Während die Opposition der Regierung nun die Hauptschuld in die Schuhe schiebt, dass Nokia die Zelte in Rumänien abbricht, glauben Investoren und Experten, dass vor allem ein Großinvestor vom Schlag eines Unternehmens wie Nokia nicht wegen einer unfertigen Straße das Land verlässt. „Wenn ein Investor die Infrastruktur unzureichend findet, kommt er eben nicht ins Land“, heißt es bei manchen.

Andere glauben, Nokia hätte vorerst mit Abzug gedroht, um Druck auszuüben, wenn es an Infrastrukturfragen gelegen hätte. Lange hatte es auch widersprüchliche Meinungen gegeben, warum sich die Daimler AG im Sommer 2008 für eine Ansiedlung ihrer Mercedes-Niederlassung in Ungarn und nicht in Rumänien entschieden habe. Vieles wurde damals spekuliert: Von Grundstücken, deren Preise sprunghaft gestiegen seien, bis hin zu fehlenden Arbeitskräften bei der zu jener Zeit geringen Zahl an Beschäftigungslosen.

Deutschlands Botschafter in Rumänien, Andreas von Mettenheim, hatte in einem Fernsehinterview gesagt, die mangelhafte Infrastruktur in Rumänien sei Grund gewesen, warum sich Dailmer im Sommer 2008 auf ihrer Osteuropa-Expansion nicht in Rumänien sondern in Ungarn angesiedelt habe. Der langjährige Vizepräfekt des Verwaltungskreises Temesch/Timis, Zoltan Marossy, hatte Ähnliches der ADZ/BZ gegenüber behauptet.

Ausschlaggebend sei damals die Stromversorgung gewesen. Allein schon die Tatsache, dass „die Deutschen befürchteten, dass sie Probleme mit der Stromversorgung haben könnten“, hätten diese veranlasst, sich zumindest nicht in Temeswar/Timişoara niederzulassen.

Alltägliches bedarf Politikernähe

Bürokratische Pannen kann Peter Hochmuth als Unternehmer im Bereich Steuer- und Unternehmensberatung ausreichend aufzählen. So musste er beim Präfekten des Kreises Temesch, Mircea Băcală, intervenieren, damit ein Kunde zumindest eine Antwort aus Bukarest bekommt, als dieser eine Mehrwertsteuerrückgabe beantragt hatte.

Der Präfekt hatte den deutschsprachigen Unternehmern versprochen, diese in strittigen Fragen im legalen Rahmen zu unterstützen, und das würde Băcală auch tun, sagt Hochmuth.

Zwar kommen momentan nicht unbedingt die ganz großen Firmen nach Rumänien und auch ins Banat nicht, doch Potenzial sieht Peter Hochmuth im Bereich Landwirtschaft und regenerierbare Energien.

Unternehmer in dem Bereich stoßen sich jedoch an dem seit langem zur Debatte stehenden Gesetz der Einspeisevergütung. „Auch die Herstellung von Komponenten für Windparks könnte zu einer richtigen Industrie werden“, sagt Hochmuth. Auch er glaubt weniger, dass Investoren, wenn sie schon mal hier angesiedelt sind, schnell wegziehen.

Die Gefahr sei, dass „manche gar nicht kommen. Oft reisen Ausländer als sogenannte Touristen an, informieren sich bei Leuten, die schon hier sind. Wenn sie dann von der großen Bürokratie hören, bleiben sie weg“. Eine Statistik über all jene, die schon vor dem ersten Investitionschritt in Rumänien verzichten, dürften Handelskammer und sonstige Behörden nicht einmal ansatzwei-se haben.