Er gehörte zu den großen Stadtvätern

Banater Gedenktage 2020: Vor 145 Jahren starb der Temeswarer Alt-Bürgermeister Karl Küttel

Der heutige Mocioni-Platz, früher Küttel-Platz, in der Temeswarer Josefstadt Foto: Zoltán Pazmány

Gedenktafel an Altbürgermeister Foto: Zoltán Pazmány

Wenn einer heute in der Begastadt Küttel sagt, so weiß man sofort haargenau, wer und was damit gemeint ist: Regime hin, Regime her, der Mocioni-Platz in der Josefstadt (bis zum Anschluss des Banats an Großrumänien 1920 der Küttel-Platz) wird von den Einheimischen eben hartnäckig weiterhin Küttel-Platz genannt. Dabei ist´s heute eher ein vernachlässigter Stadtplatz. Er kann kaum das mit vielen Millionen aus dem Stadthaushalt aufgepäppelte Image der restaurierten historischen Plätzen der Innenstadt, vom Domplatz bis zum Freiheitsplatz, vorzeigen. Im Oktober 2019 rümpfte  der damalige Bürgermeister Nicolae Robu bei einem Besuch dieses vergessenen Stadtplatzes die Nase, wie ein launischer Tourist aus Paris, wegen dem angetroffenen Wust von Kiosken und Imbissstuben. Es müsste unbedingt ein Brunnen oder eine Reiterstatue her, so Denkmal-Fan Robu damals, in seinem großspurigen Stil.2006 schaffte es die Ciuhandu-Stadtverwaltung wenigstens, eine Gedenkplatte (in drei Sprachen) am Platz, am Haus Tineretii-Boulevard Nr. 1, auf Initiative des Küttel-Urenkels Istvan, und noch eine in der Lenauschule anzubringen.2009 kam dazu noch eine Küttel-Büste im Zentralpark.

Die Temeswarer Bevölkerung erinnert sich, selbst nach Generationen sehr gut an Altbürgermeister Karl Küttel bzw. an seine Taten, obwohl der Platz seit 100 Jahren nicht mehr seinen Namen trägt. Und dieser Mann - gar kein waschechter Temeswarer. Also ein anderer tüchtiger Temeswarer Bürgermeister mit fremden Wurzeln: Dr. Karl Küttel (magyarisiert auch Karoly Küttel) wurde 1818 in Köszeg (Ungarn) in einer Apothekerfamilie geboren. Seine Vorfahren stammten aus dem englischen Komitat Northampton, die, vor dem 100jährigen Krieg geflüchtet, über Frankreich, Deutschland nach Ungarn kamen. Er studierte in Pest Recht und wurde nach 1840 Rechtsanwalt in Temeswar, war am Amtsgericht tätig, wurde darauf 1849 Senator und 1855 Mitglied im Bankaufsichtsrat.

1859 wurde Küttel zum Bürgermeister gewählt, und er übte dieses Amt mit nachhaltigem Erfolg in zwei Amtszeiten, 1859-1861 und 1867-1872, aus. In der Zeitspanne 1861-67 war Josef Weigel Bürgermeister.

Bürgermeister Küttel hatte von Anfang an und gezielt große Stadtvorhaben. Er startete vitale Infrastrukturprojekte (Straßenbau, Anlegung von Gehsteigen und Parks) in der Festung und in den aufstrebenden Vorstädten. So wurden in der gesamten Altstadt die Gehwege bepflastert. In seiner Amtszeit wurde der Prinz-Eugen-Platz (auch Paradeplatz, heute Freiheitsplatz) mit Blumen und Bäumen bepflanzt (100 Jahre später verbannte Bürgermeister Robu erneut das Grün von diesem zentralen Platz). Karl Küttel gründete die Freiwillige Feuerwehr.1867 führte er ein damals großartiges Stadtprojekt durch: Küttel gründete  eine von Pferden gezogene Straßenbahn (damals Pferdeeisenbahn genannt) und rückte die Stadt weltweit in eine Vorreiterrolle, da Temeswar  damit zu den ersten Städten der Welt mit Pferdebahn gehörte (zum Vergleich Stuttgart 1868, Brüssel 1869). Es war eine Normalspurbahn, die die Stadtmitte mit der Fabrikstadt (später auch mit der Josefstadt) verband, mit einer Länge von 1896 Metern. Endstelle in der Innenstadt war der Sankt-Georgs-Platz, in der Fabrikstadt  der Romanilor-Platz, Eckhaus mit Wirtshaus „Zur Königin von England“. Es folgte das heutige Nikolaus-Lenau-Lyzeum (1761 vorerst Rathaus, darauf Schule). Das zweistöckige Gebäude im klassizistischen Stil wurde von Architekt Heinrich Baader entworfen und von Bauingenieur Johann Reiber erbaut. Küttel hat zudem etliche Stadtparks angelegt, Spitäler erbaut. 1869 wurde die regelmäßige Binnenschifffahrt auf der Bega aufgenommen. 1870 wurde die erste Metallbrücke (heute Eroilor-Brücke) gebaut. Eigentlich wurden in dieser Epoche 71 Begabrücken erbaut (davon stehen heute noch 13). Im Stadtzentrum wurde das monumentale Franz-Josef-Theater, heute Stadtsymbol und Sitz von Nationaltheater, Oper, des DSTT und des Ungarischen Theaters, errichtet. Zu diesem Bau hat Bürgermeister Küttel übrigens großzügig eine hohe Geldsumme beigesteuert.

Alt-Bürgermeister Karl Küttel starb in Temeswar 1875, drei Jahre, nachdem er seine zweite Amtszeit im Rathaus beendete. Dr. Karl Küttel gehört zu den großen Stadtvätern, neben Johann Preyer (1814-1858), Karl Telbisz (1885-1914) und Josef Geml (1914-1918). Diese Bürgermeister Temeswars leisteten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und um die Jahrhundertwende  einen entscheidenden Beitrag im Stadtwerden bzw. in der Wandlung der k.u.k. Festungsstadt.