Ratzenfangen

Über den Großjetschaer Pfarrer und seine berühmten Rattler

Die Banater Gemeinde Großjetscha mit Kirche und Pfarrhaus Foto: Zoltán Pázmány

Auf dem Dorf genießen jene Leute das größte Ansehen, deren Beruf es ist, den Menschen von irgendeinem Übel zu befreien, oder andere Wohltaten zu erweisen. Das ist in erster Reihe der Barbier, besonders wenn er auch Zähne ziehen kann, dann der Arzt, die Hebamme, der Schankwirt. Auch der Briefträger, wenn er pünktlich ist. Und der Steuereinnehmer, wenn er einen in Ruhe lässt.

Etwas ganz Besonderes ist natürlich der Herr Pfarrer. Hauptamtlich ist es seine Sache, für das Wohl und Gedeih der Seelen zu sorgen; wer aber, fragen wir, kann den ganzen lieben langen Tag immer nach den Seelen sehen? Nicht einmal der Pfarrer von Großjetscha konnte das.

Wie in den meisten Dörfern, hatte auch er, der Pfarrer von Großjetscha, die ganze Woche hindurch - den Sonntag ausgenommen – nicht viel zu tun. Bei diesem angenehmen Stand der Dinge verlegen sich manche Seelsorger auf den praktischen Gartenbau und verstehen auch meist sehr viel davon; andere züchten Tauben oder Hühner. Der Pfarrer von Großjetscha hatte die besten Rattenhunde im Dorf. Rattler heißen diese wichtigen Haus- und Hoftiere im Banat. So ein Rattler ist ein richtiger Goldhund. Wenn der mal eine Ratze aufgespürt hat, dann gibt es im ganzen Haus keinen Frieden mehr. Er tobt und bellt und heult. er winselt und scharrt; und steckt seine Schnauze in alle Löcher und Spalten, bis er sie erwischt.

So macht das ein richtiger Rattler im Banat.

Der Herr Pfarrer von Großjetscha hatte deren zwei. Man kann sich denken, was für einen Spektakel diese machten, wenn sich eine Ratte unterstand, ihnen über den Weg zu laufen oder sagen wir, gar das Pfarrhaus zu betreten.

Nun verhalten sich die Dinge so: Es gibt Ratzen und Ratzen, solche, die man leicht fängt, und andere ganz verteufelt raffinierte Biester, die einfach nicht zu erwischen sind. Das weiß auf dem Dorf jeder kleine Bub. Für den Herrn Pfarrer allerdings, das muss man hier schon sagen, gab es nur eine einzige Sorte: solche, die man fangen kann. Und das waren alle, das ganze Ratzenvolk. Im Dorf wusste man es in allen Häusern, dass es vor den Hunden seiner Hochwürden keinen Pardon gab. Daher trachtete jeder Ratzenbesitzer in besonders schwierigen Fällen, Hilfe und Beistand des Herrn Pfarrers zu erlangen. Das war immer zu machen. Der Herr Pfarrer war, seiner Stellung in dieser Sache eingedenk, zu jeder Tagesstunde für eine Jagd zu haben. Dass seine hitzigen Ratzenbeißer sowieso immer von der Partie waren, versteht sich. Er, der Herr Pfarrer, war imstande, vom Mittagstisch aufzuspringen und sich mit seinen Hunden, den Rattlern, sofort auf den Weg zu den Ratzen zu machen.

So geschah es an einem Tag, dass in Großjetscha wieder Not am Mann war. Ein Bub kam ins Pfarrhaus gelaufen, wo er atemlos berichtete, dass bei seinem Paten unter der Pferdekrippe wieder jenes graue Ungeheuer gesichtet worden war. Es war ein Exemplar, von dem Seine Hochwürden schon längst gehört hatte: eine Art Zwölfender unter den Ratzen, dem schon seit langer Zeit fast das halbe Dorf ohne Erfolg zugesetzt hatte.

Der Herr Pfarrer sprang sofort auf, pfiff seine mutigen Gesellen heran und wollte sofort mit dem Jungen weg. Da öffnete sich ganz fatal die Tür, und eine alte Frau trat ein. Ihr Alter liege im Sterben, sagte sie, der Herr Pfarrer möge doch so gut sein…

Der Geist des HerrnPfarrers war schon auf der Treppe. Und seine Hunde, die waren schon auf der Gasse. Allmählich die neue Sachlage erfassend, sagte er: „Was fällt denn eurem Alten ein – seht ihr nicht, dass ich jetzt Ratzen fangen muss?“

(Aus Heinrich Lauer, Das große Tilltappenfangen, Jugendverlag Bukarest 1967)