Rumänische Landwirtschaft fährt Achterbahn

Treibhäuser vor dem Kollaps/ Schnäpse nach verschärften Regeln

Auch wenn kostenaufwendig: Solide Bauernwirtschaften brauchen unbedingt auch Treibhäuser.

Auf Topfpflanzen spezialisiert: Paul Puşchiţă (Foto) tritt in Girok in die Fußstapfen seines Schwiegervaters, der das Familienunternehmen aufgebaut hat.

Fehlt es rumänischem Gemüse und Obst an Qualität, oder erfordert der Supermarkt doch einiges mehr? Immerhin: Dreiviertel der landwirtschaftlichen Produkte, die im einschlägigen Handel in Rumänien abgesetzt werden, sind importiert. Fotos: Zoltán Pázmány

Die Zahl der Arbeitnehmer in der Landwirtschaft ist innerhalb eines Jahres um 5.000 Personen gestiegen. Etwa 92.500 waren es im Oktober 2012, 97.400 Bürger verdienten ihr Geld ein Jahr später im rumänischen Agrarsektor. Mit ihren knapp über 1600 Lei brutto waren sie die am drittschlechtesten bezahlte Berufsgruppe in Rumänien – nach dem Hotel und Gaststättenwesen bzw. nach den Dienstleistern. Im Verwaltungskreis Temesch verdienten im letzten Jahr 5.800 Angestellte ihren Lebensunterhalt in der Landwirtschaft. Insgesamt waren im letzten Jahr monatlich um die 215.000 Menschen des westrumänischen Kreises erwerbstätig. Im Oktober 2013 waren im Agrarsektor etwa 500 Menschen mehr beschäftigt, als ein Jahr zuvor. Finanziell ging es ihnen laut Statistikamt INS etwas besser als dem Landesdurchschnitt. In der Temescher Landwirtschaft, sowie in Jagd, Fischzucht und Forstwesen gab es im Herbst 2013 durchschnittliche 2000 Lei brutto, was ein Anstieg von etwa einem Viertel innerhalb eines Jahres ausmacht. Und nun blicken sie mit Pessimismus nach Bukarest, wo die Gemüsebauern erhebliche Preisanstiege voraussagen. Vor allem der Anstieg der Heizwärme beim Bukarester städtischen Lieferanten RADET könnte die gesamte Preisspirale erheblich beeinflussen. Schon jetzt machen die Rechnungen für Gas, Holz und Kohlen die Hälfte aller Kosten eines Treibhausbesitzers aus, heißt es im Raum Temeswar.

Agrarverband mit Hiobsbotschaft

Der Anstieg der Preise bei Heizwärme in Bukarest um 40 Prozent könnte sich Insidern nach auf die gesamte Preisspirale bei Tomaten und anderem Gemüse aus Rumänien auswirken. Von 50 Prozent Preissteigerung spricht Alex Jurconi, Vorsitzender des Landwirtschaftsverbandes PRO AGRO. Damit meint er jedoch nicht nur die Preispolitik auf Bukarester Märkten, sondern landesweit, da die Preise angeblich in Bukarest als Richtpreise für das gesamte Land gelten. Der Preisschub in der Hauptstadt geht darauf zurück, dass die dortige Stadtverwaltung beschlossen hat, die Heizwärme des städtischen Zulieferers ab dem 1. Januar 2014 um 40 Prozent anzuheben. Zwar hatte der Oberbürgermeister Sorin Oprescu Lösungen versprochen, geschehen ist zumindest bis vergangene Woche nichts. Die Farmer in Bukarest nutzen die Heizwärme der Stadtwerke und sind durch die Teuerung mitunter sogar gezwungen, ihre Produktion einzuschränken und Personal zu entlassen, heißt es bei Mediafax. Weil die Heizwärmelieferanten nicht rechtzeitig die notwendigen technischen Veränderungen vorgenommen haben, sei es nun zu dieser Situation gekommen, sagt der Temeswarer Wirtschaftsprofessor Nicolae Ţăran.

 

Ob jetzt landesweit die Situation außer Kontrolle geraten wird, können Landwirte in Westrumänien kaum sagen. Im Raum Temeswar glaubt man nicht an die Hiobsbotschaften überhöhter Preise, man müsse jedoch mit „steigender Arbeitslosigkeit und fehlender Haushaltsgelder“ rechnen, so Nicolae Ţăran der Banater Zeitung gegenüber. Der stellvertretende Direktor des Temescher Landwirtschaftsamtes, Ionic² Prohab, kann sich solche Preissteigerungen keineswegs vorstellen. „80 Prozent des Gemüses in Rumänien wird importiert“, sagt er der BZ. Und außerdem: So viele Treibhäuser, dass deren Unkosten auch noch Auswirkungen auf die Preise gar in Westrumänien hätten, gibt es seiner Meinung nach im Raum Bukarest bestimmt nicht.

Petunien statt Paprika

Zwar bestünde die Konkurrenz der Produkte aus Ungarn, doch er könne leichter gegensteuern, sagt Paul Puşchiţă, Blumenzüchter und –händler aus der Gemeinde Girok bei Temeswar. Er ist einer der wenigen im gesamten Umfeld, die Blumen in Treibhäusern züchten. Es sei bei weitem leichter, Blumen im Nachbarland zu kaufen, um sie danach auf den westrumänischen Märkten abzusetzen, statt sie selbst anzubauen, doch als Produzent, kann er in seiner Preispolitik flexibler sein, so Puşchiţă. Im Endeffekt sei gar nicht so sehr die investierte Arbeitskraft das Hauptproblem, sondern die hohen Heizkosten. „ Die Kosten für Gas und alternativ Holz und Kohlen machen in den Wintermonaten die Hälfte der Gesamtausgaben aus“, sagt Paul Puşchiţă. Er hebt hervor, dass die Blumenzüchter in anderen Ländern, aus denen Blumen eingeführt werden, Subventionen verschiedener Art erhalten. Sein Schwiegervater, Ion Hergane, hat das Treibhaus bereits vor der Wende ins Leben gerufen. In seinen landwirtschaftlichen Unterfangen ist der Mechniker-Meister zunächst von Gemüseanbau auf Blumen umgestiegen („Mehr Gewinn pro Nutzfläche“), um heute ausschließlich Topfblumen zu züchten; ein Bereich, in dem er zu den Erfolgreichsten der Region gehört.

Teurer Spaß für Bauern: Supermarkt und Selbstgebrannter

Nicht nur die Produktionskosten stehen bei den Bauern zur Debatte. Das Thema, wie und mit welchem wirtschaftlichen Vorteil rumänische Landwirte eine Chance haben, mit ihren Produkten auf die Regale der Supermärkte zu gelangen, kam auch in Arad bei einem Treffen des Abgeordneten Dorel Căprar zur Debatte. Die Gelegenheit, Ware den Supermarktketten liefern zu können, sei mit hohem Aufwand in allerlei Provisionen und Werbekosten verbunden, sagte einer der Teilnehmer an der Gesprächsrunde. Eine andere Unternehmerin aus der Fleischverarbeitung meinte jedoch, ausschlaggebend sei die gelieferte Qualität, an Offenheit fehle es den Supermarktbetreibern nicht. Fleischverarbeiter behaupten gelegentlich, dass sogar recht große Unternehmen das Problem haben, dass sie nicht genug Fleisch eines gewissen Sortiments liefern können, um von den Supermärkten als Lieferant akzeptiert zu werden.

Das Wetter hält eindeutig nicht mit den Bauern, hohe Betriebskosten stellen die Inhaber von Treibhäusern vor fast unlösbare Aufgaben und die Bauern sollen nun ihren selbstgebrannten Schnaps auch noch auf eigene Verantwortung beim Fiskus melden. „Man hat eine Steuer erfunden, die nicht gerechtfertigt ist“, sagt der Wirtschaftsprofessor Nicolae Ţăran. Eine finanziell verträgliche Steuer pro Schnapskessel hätte eher Sinn gemacht, so der Hochschullehrer. Dorfbewohner sind ohnehin entrüstet, bei solchen Forderungen des Fiskus. „Da werden zunächst die landwirtschaftlichen Produkte und der Boden besteuert, dann kommt auch noch eine Gebühr auf den Schnaps hinzu, der eh bei den meisten für den Eigenbedarf gedacht ist.“ Die Personaleinschnitte beim Fiskus haben die Regierung veranlasst, die Verantwortung der Besteuerung des Selbstgebrannten den jeweiligen Inhabern der Schnapskessel zu überlassen, schreibt zu diesem Thema die Nachrichtenagentur Mediafax. Bisher war der Zoll verpflichtet, die Versiegelung/ Entsiegelung der Schnapskessel vorzunehmen. Der Hersteller von Schnaps – auch zum Eigenbedarf – muss laut Mediafax in Zukunft schriftlich seine Absicht hinterlegen, Schnaps brennen zu wollen, Quantität und Rohmaterial angeben, dazu die Zeitspanne, in der die Schnapsbrennerei funktionell sein wird, und schätzungsweise die zu erhaltende Quantität. Die Produzenten müssen auch die legal zugelassenen Gerätschaften zur Verfügung haben, um die Konzentration des Schnapses bestimmen zu können. Und was sie am meisten stört: Sie zahlen bereits eine Steuer auf ihre Agrarprodukte.