Schwaben schrieben Sportgeschichte (II. Teil)

III. Die Jahre zwischen 1920-1945

Nach den Anfangsschwierigkeiten mit neuer Staatsangehörigkeit, Staatssprache und neuen Gesetzen ging es doch recht bald wieder aufwärts. Schon Mitte der 20-er Jahre beginnen die wohl erfolgreichsten Jahre für alle donauschwäbischen Gebiete. Der erarbeitete materielle Wohlstand war die Voraussetzung für die kommenden kulturellen und sportlichen Erfolge. Die Zahl der Sportvereine, der ausgeübten Sportarten und der Sporttreibenden stieg stetig an, um Anfang der 40-er Jahre einen Höchststand zu erreichen. Die folgenden Beispiele für Sportvereins-Neugründungen oder Reaktivierung sollen als Beweis stehen: Neu-Arad (1919), India (1919 und 1925), Groß-Betschkerek, Fünfkirchen, Freidorf, Weißkirchen, Tschakowa, Orzidorf, (alle 1922), Batsch-Sentiwan (1924), Billed (1925), Siwatz (1926), Karlsdorf (1927), Wukowar, Gottlob (1930), Glogowatz (1932), Jahrmarkt (1934) oder Temeswar, Arad, Neusatz, Hatzfeld wo gleichzeitig mehrere Vereine gegründet wurden. Es gab fast kein Dorf, von den Städten ganz zu schweigen, wo nicht mindestens ein Verein existierte. Die Bandbreite der ausgeübten Sportarten erstreckt sich von Fußball über Handball, Leichtathletik, Radfahren, Turnen, Rudern, Eislaufen, Tennis, Schlagball, Schießen, Korbball, Schwimmen und in den Banater Bergen, besonders beliebt das Semenik-Gebirge, Skilaufen und –springen.

Vielerorts Fuß- und Handball

Die Hauptsportart blieb, nicht nur bei den Donauschwaben, weiterhin der Fußball. Alle größeren Vereine beteiligten sich an den offiziellen Meisterschaften der jeweiligen Länder und dies mit Erfolg. Es wurden Landesmeistertitel, Gebiets- und Dorfmeisterschaften gewonnen. In diese Zeit fällt der Beginn des bezahlten Fußballs und die ersten guten donauschwäbischen Spieler verlassen ihre Heimatvereine, um sich Profimannschaften in der größeren Städten anzuschließen.

Wurden in einigen Sportarten (Leichtathletik, Fuß- und Handball) bis etwa 1941 immer wieder Weltklasse-Leistungen erzielt, fristeten andere wie z.B. Boxen (erwähnt ab 1930 in Budaörs), Ringen oder Gewichtheben über viele Jahre ein Schattendasein. Erst mit der Gründung der ersten Arbeitersportvereine (in Temeswar, Reschitz, Kikinda, Budapest, Fünfkirchen, Neusatz, Esseg) gewinnen die Kraftsportarten und das Geräteturnen mehr und mehr an Bedeutung. Was zu Folge hatte, dass die Zahl der Boxer, Ringer, Gewichtheber und Turner beträchtlich anstieg und sich die ersten nennenswerten Erfolge einstellten.

Zu Beginn der 30-er Jahre wurde das Handballspiel bei den Donauschwaben immer beliebter und sollte sich nach den Olympischen Spielen von Berlin (1936) zum Volkssport entwickeln. Gespielt wurde ausschließlich auf dem Großfeld. Erst ab 1960 verlagerte sich das Spiel zunehmend auf das Kleinfeld oder in die Halle. Berlin, Wien und Hermannstadt waren in jenen Anfangsjahren die eigentlichen Handballhochburgen. Von hier aus verbreitete sich das Spiel, dank der vielen hier studierenden Donauschwaben, im Eiltempoüber das ganze Siedlungsgebiet. Eine der ersten und besten männlichen Handball-Mannschaften im gesamten donauschwäbischen Raum war die im Jahre 1930 von Studenten ins Leben gerufenen Hatzfelder „Hertha” Mannschaft. Die ersten Gegner waren Temeswar (hier wird 1931 vom ersten Spiel berichtet) Lugosch und Perjamosch. Herta beteiligte sich sogar 1936 mit guten Ergebnissen an einem großen Handball-Turnier in Kronstadt, das anlässlich der Olympischen Spiele in Berlin durchgeführt wurde.

Hier weitere donauschwäbische Orte, wo schon recht früh Handball-Vereine gegründet wurden: Perjamosch, (1931), Filipowa (1931 - hatte die beste Mannschaft der Batschka und wurde 1934 Gebietsmeister), Neu-Arad (1935), Siwatz (1936), Moritzfeld (1937), Billed (1938), Bukin oder Mercydorf (1940). Eine der jüngsten und besten Handballmannschaften der Batschka zwischen den Jahren 1938-1943 war die der Deutschen Lehrerbildungsanstalt aus Werbass. Diese trug, jeweils auf Einladung, regelmäßig Handballspiele zu Lehrzwecken in vielen Orten aus und half so, das Spiel noch bekannter zu machen.

Bald auch Damen-Vereine

In diesen Jahren war es noch nicht immer und überall selbstverständlich, das Mädchen und Frauen sich an Spiel und Sport erfreuen und mitmachen konnten. Deshalb darf mit einigem Stolz auf donauschwäbische Vereine hingewiesen werden, bei denen die Frauen gern gesehene Mitglieder waren.

So wird schon 1924 von einem Hasena-Spiel zwischen den Frauenmannschaften aus Hatzfeld und Temeswar berichtet. Hasena, ein dem Kleinfeld-Handball ähnliches Spiel, wurde in größeren Gemeinden und Städten mit höheren Mädchenschulen immer beliebter und mit Können und Leidenschaft gespielt.  Leichtathletik, Turnen, Schlagball und Völkerball waren weitere Sportarten, die immer regelmäßiger bei Sportveranstaltungen von Frauen ausgeübt wurden. Ebenso gern gespielt wurde Korbball, wo es in Bulkes (ab 1930), Siwatz (ab 1936) oder auch Gaidobra (um 1940) recht gute Teams gab.

Immer mehr Frauen verschrieben sich in diesen Jahren dem Spiel mit der gelben Filzkugel. In allen größeren Städten und Gemeinden gab es schön angelegte Tennisplätze, die an Sonn- und Feiertagen gut besucht waren. Temeswar, Hatzfeld, Lugosch, Arad, Budapest, Groß-Betschkerek, Neusatz, Fünfkirchen waren bekannte Tennishochburgen - doch auch in Triebswetter, Tschakowa oder Perjamosch wurde schon gespielt.

Erste Bekanntschaften mit organisiertem Sport machten viele Mädchen in den von ihnen besuchten Klosterschulen. Diese hatten für gewöhnlich recht gut ausgestattete Turnsäle, in denen das Turnen und Spielen echte Freude bereitete. In Allgemeinen spielten Bildungseinrichtungen eine überaus wichtige Rolle. Größere Schulen in den Städten generell, doch auch einige kleinere, verfügten über gut ausgestattete Turnsäle und nicht selten standen auf den Schulhöfen einfache Turngeräte. Von Bedeutung war zudem die Tatsache, dass die Schulen immer regelmäßiger mit ausgebildeten SportlehrerInnen versorgt wurden.

Zum Schuljahresende fanden zur Freude der Schüler und Eltern regelmäßig Schüler-Sportfeste statt. Aufmärsche, Massenturnen und Kräftemessen bei Lauf, Sprung und Wurf waren für die Mädchen und Jungs Höhepunkt und Abschluss eines jeden Schuljahres.

Ähnliche Vereins-Sportfeste für die weibliche und männliche Jugend, zu denen regelmäßig Nachbarsorte eingeladen wurden, fanden immer öfter in Städten und Gemeinden statt. Neben den obligatorischen leichtathletischen Proben, wetteiferten die Jugendlichen beim Reiten, Tauziehen, Schlagball, Turnen oder wie in Marienfeld auch im Hosenriemen-Ringen. Solcherart Sportfeste fanden im Temeswar, Großbetschkerek, Kikinda, Hatzfeld, aber auch in Brestowatz (ab 1920), Filipowa (ab 1930), Mercydorf, Neupetsch( ab 1935), Glogowatz (ab 1938) oder Ebendorf fast jährlich statt. Nicht vergessen darf man Ruma, wo ab 1933 regelmäßig Sportfeste für alle süd-östlichen deutschen Sportvereine ausgetragen wurden.

In immer mehr donauschwäbischen Orten werden ab Mitte der 20-er Jahre Freibäder, einfach ”Strand” genannt, an Flüssen oder stehenden Gewässern angelegt und ausgebaut. Neben Erholung, Entspannung und Freude an Sonne, Luft und Wasser fanden regelmäßig Schwimmwettbewerbe, Sprünge vom Sprungbrett und Kegelwettbewerbe statt.

Um die gesamte Sportbewegung besser auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Bevölkerung auszurichten, wurden fast regelmäßig Lehrgänge für Sportführer und Trainer abgehalten. Solche fanden  z.B. in Karlsdorf, wo schon 1927 der Sportverein ”Deutsche Turnerschaft” gegründet wurde, ab 1932 für alle deutschen Vereine im jugoslawischen Banat statt.

Wenn wir im Rückblick die Namen der Sportvereine betrachten, lässt sich sehr leicht das politische Schicksal der Donauschwaben erkennen. Waren die ersten Vereinsnamen durchwegs deutschen Ursprungs wie: Germania, Hertha, Bismarck-Club, Landestreu, Deutscher Turn- und Sportverein, Admira, Sportverein der Deutschen Jugend und noch viele andere, wurden dieses später, je nach Staatszugehörigkeit, fast ausnahmslos durch ungarische, serbische und rumänische ersetzt.

Anpassung an neue Gegebenheiten

Die verordneten Namensänderungen bereiteten den donauschwäbischen Sportverein weniger Schwierigkeiten, als die Umstellung auf die jeweiligen neuen rumänischen, ungarischen und jugoslawischen nationalen Sportverbände und die Teilnahme an deren Meisterschaften. Doch schneller als erwartet konnten die Sportvereine Fuß fassen und die ersten sportlichen Erfolge erringen. Was zur Folge hatte, dass die ersten donauschwäbischen Spitzensportler mit Erfolg in die jeweiligen Nationalmannschaften berufen wurden.

Erwähnung sollte hier noch eine besondere Begebenheit finden. Auf dem Weg nach Berlin durchquerte die Olympische Flamme, 1936 aus Griechenland kommend, die schwäbische Gemeinde Sekitsch in der Batschka. Für die besten einheimischen Sportler war es ein unvergesslicher Tag, durften sie doch die Fackel durch den Ort begleiten. Eine große Menschenmenge säumte dabei die gesamte Strecke und klatschte begeistert Beifall.

Mit Beginn der 40-er Jahre, auf dem Höhepunkt des donauschwäbischen Sports, zeigten sich die ersten dunklen Wolken am erfolgreichen donauschwäbischen Sporthimmel. Die Zahl der Sportveranstaltungen wurde immer geringer und ab Mitte 1944 wurden sie komplett eingestellt.

 

IV. Die Jahre nach 1945

Sofort nach Kriegsende wurden im gesamten Machtbereich der Sowjetunion alle noch bestehenden Vereine, ganz gleich welcher Art, aufgelöst und das gesamte Vermögen beschlagnahmt. Nichts sollte mehr an die Zeit von vor 1945 erinnern.

Diese Verbote, da sie unter anderen auch alle donauschwäbischen Sportvereine im gesamten Siedlungsgebiet (Rumänien, Ungarn, Jugoslawien) betrafen, bedeuteten praktisch das Ende einer kurzen, doch erfolgreichen donauschwäbischen Sportgeschichte.

Erst Ende 1946 wurden die ersten neuen Sportvereine, allerdings nur mit Zustimmung oder auf Weisung der neuen Machthaber, ins Leben gerufen. Diesen schlossen sich, da keine andere Wahl bestand, alle Jugendlichen, also auch die Donauschwaben, an. So kann man ab diesem Zeitpunkt von keinem donauschwäbischen Sport, sondern nur noch von donauschwäbischen Sportlern in Rumänien und Ungarn reden.

Neben diesen neu gegründeten Sportvereinen, wurden schon recht früh die für alle sozialistischen Staaten typischen Sportschulen gegründet. Hier wurden alle talentierten Jugendlichen zusammengezogen, betreut und von den besten Sportlern trainiert. So war es fast eine Selbstverständlichkeit, dass die besten Nachwuchssportler in den verschiedensten Sportarten, aus diesen Sportschulen kamen. Darunter, aufs rumänische Banat bezogen, verhältnismäßig überdurchschnittlich viele Schwaben, die in fast allen Leistungsklassen und in vielen Sportarten, besonders in Leichtathletik, Hand- und Fußball, äußerst erfolgreich waren. So waren z.B. die rumänischen Handball-Auswahlen (Damen und Herren) über viele Jahre hinweg ohne Banater Schwaben nicht vorstellbar.

Dem donauschwäbischen Sport, der stets eine gute Zusammenarbeit mit den jeweiligen nationalen Sportverbänden (Rumänien, Ungarn, Jugoslawien) anstrebte, ist es in einem recht kurzen Zeitraum von nur etwas mehr als einhundert Jahren gelungen, einen erfolgreichen Bogen vom unbeschwerten Kinderspiel über den Breiten- bis hin zum Leistungssport zu schlagen und so in ihrer Dichte ungeahnte sportliche Erfolge zu erzielen.

Nie zuvor kamen aus den Reihen der Donauschwaben, ganz besonders bei jenen aus dem rumänischen Banat, so viele Olympiasieger, Welt- und Europameister, nationale Meister und Verdiente Meister des Sports, wie in den letzten fünfzig Jahren. Es waren wohl die letzten, im einstigen donauschwäbischen Siedlungsraum errungenen sportlichen Erfolge auf allerhöchstem Niveau.

(Schluss)

Redaktionelle Kürzung und Zwischentitel: Siegfried Thiel

In einer der kommenden Ausgaben beginnen wir mit der Serie von Porträts donauschwäbischer Spitzensportler aus dem Buch „Tarzan, Puskás, Hansi Müller“ von Helmut Heimann.