Spitzel, Denunzianten, Richter (III)

Der in „Sinn und Form. Beiträge zur Literatur“ (66.Jahr/2014/3.Heft) veröffentlichte Beitrag von Sabina Kienlechner „Der arme Spitzel. Die rumäniendeutschen Schriftsteller und das juristische Debakel der Securitate-Aufarbeitung“ ist durch die Schwärzungen des Namens des von der rumänischen Gauck-Behörde CNSAS als „mit Gewissheit“ übereinstimmenden Claus Stephani mit dem Securitate-Spitzel, der unter den Decknamen „Moga“ und „Marin“ operierte, unverständlich geworden, hat aber andere Valenzen bekommen. Etwa die kluge Diskussion über das Verhältnis von Recht und Moral („umgekehrt proprotional“) in einem Unterdrückungsstaat und in einer Demokratie, die abgeklärte Präsentation der Spitzelfälle Oskar Pastior (durch Homosexualität und Rußlanddeportation schwach und erpressbar, aber sich „durchlavrierend“ bis zu seiner Ausreise), Werner Söllner (die etwas dürftige Entschuldigung „so jung“ des IM „Walter“ – wobei er genau so junge Leute wie er mit Eifer bespitzelte) und Claus Stephani (ein wirklich komplexer Fall, den Sabina Kienlechner vielseitig beleuchtet, nicht ohne sich an die Aussage von Ludwig Wittgenstein zu halten: „Wir können uns nie sicher sein, dass wir uns nicht getäuscht haben.“)

Den Fall des durchaus respektablen Ethnologen und Erzählers Claus Stephani rollt Sabina Kienlechner aus bundesdeutscher Sicht, aus der Sicht eines gut funktionierenden Rechtsstaats auf, wo „Moral“ „Privatsache“ ist und das Recht in der Öffentlichkeit entscheidend. Sie stellt diese Aussage dann geschickt in Frage, denn wo Rechtsstaatlichkeit wirklich funktioniert, kann auf Moral trotzdem nicht verzichtet werden.

Dann kommt der Fall Claus Stephani. Hier hat der moralisch Anzuklagende, der „Spitzel“, „der Täter“ mittels Rechtsmitteln des Rechtsstaats einen Rechtssieg über die potenziellen Kläger, die Bespitzelten, „die Opfer“ errungen, die „Siebenbürgische Zeitung“, Dr. Stefan Sienerth und Richard Wagner. Sein Name darf in Deutschland nicht mehr im Zusammenhang mit der Spitzeltätigkeit der Agenten „Moga“ oder „Marin“ genannt werden. Urteilsevision nicht zugelassen, ukast das bayerische Oberlandesgericht.

Interessant, dass die damals frischgebackene Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller, die in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 23.11.2010 genau die selbe Behauptung und fußend auf den selben Informationen von den rumänischen Securitatearchiven CNSAS aufgestellt hatte, dass nämlich Claus Stephani als Spitzel unter den Decknamen „Marin“/„Moga“ eine reichhaltige Informationstätigkeit für die Securitate entfaltet hatte, (bei gelegentlicher „Belohnung“), nicht gerichtlich belangt wurde. Und dann, während des zweijährigen Prozesses, dazu schwieg. Dass Stephani zivilrechtlich um seine Persönlichkeitsrechte kämpfte, ändert nichts an den Tatsachen. Und vor allem daran, dass das Urteil aus Bayern den Klärungsprozess in der jüngsten rumäniendeutschen literarischen Vergangenheit arg ins Stocken gebracht hat. Deshalb das „Debakel“ im Titel des Beitrags von S. Kienlechner. (Schluss folgt)