Temeswarer Blut

Allerhand Originale aus der Begastadt

Im Temeswarer Dauerbach-Palast, Stadtzentrum, konnte man noch bis kurz vor der Wende seinen Schwarzen im Restaurant und Kaffeehaus "Palace" trinken. Foto: Zoltán Pázmány

Im Temeswarer Dauerbach-Palast, Stadtzentrum, konnte man noch bis kurz vor der Wende seinen Schwarzen im Restaurant und Kaffeehaus "Palace" trinken. Foto: Zoltán Pázmány

Das Temeswarer Blut

In Temeswar lebte der Schneidergeselle Johann Agner. Wer von ihm einen Anzug genäht bekam, lobte den Gesellen. Aber dieser hatte eine Leidenschaft, die seiner Gesundheit schadete. Er trank. Eines Tages wurde Agner in ein Krankenhaus eingeliefert. Seine Bekannten gaben ihn auf. Als er wieder an der Nähmaschine saß, fragte ihn ein Kunde:

            "Meister, leben Sie noch?"

            Agner unterbrach seine Arbeit und antwortete:

            "Ja, sehen Sie, das Temeswarer Blut ist kein Begawasser"



Die Abmachung

            Jeden Morgen stand ein Gebäckverkäufer vor der Szana-Bank.

            "Borge mir dreihundert Lei", bat ihn eines Tages ein Bekannter.

            "Das kann ich nicht, denn ich habe eine Abmachung mit Bankdiorektor Szana."

            "Welche Abmachung?"

            "Er verkauft kein Gebäck, und ich verleihe kein Geld."


Das Denkmal

In Temeswar lebte ein  ambulanter Zeitungsverkäufer namens Füger, der alte Zeitungen und Zeitschriften in Gasthäusern und Restaurants zum Verkauf anbot. So wanderte er täglich bis Mitternacht durch die Stadt. Dabei trug er einen schäbigen, viel zu großen Trainingsanzug, der er mit Bindfaden zusammenhielt. Auf dem Kopf hatte er eine Schildmütze und an den Plattfüßen zwei ausgehatschte, dottergelbe Halbschuhe. Auf einem der Kundengänge traf er den Bürgermeister im Kaffehaus "Palace".

            "Hörst, Füger, wie siehst du aus? Das ist eine Schande für Temeswar."

            "Wie ich in meinem Beruf ausschauen muss."

            "Gut, gut. Also Komm morgen ins Bürgermeisteramt. Du bekommst einen neuen Anzug."

            Füger ließ den traurigen Blick durch sein Schubert-Augenglas über die gedeckte Tafel gleiten und sagte resigniert:

            "Herr Bürgermeister, ein Denkmal, wechselt keine Kleider!"


Das Mittagsmahl

Der Bürgermeister lud den ambulanten Zeitungsverkäufer Füger zum Mittagessen ein. Füger lehnte ab:

"Das geht nicht, Herr Bürgermeister. Ich kann meinen Magen nicht betrügen, der an Pariser Wurst und Paradeis gewöhnt ist."


Der Beweis

            Gregor-Jani, Bäcker und Original, wurde von einer Nachbarin gefragt:

            "Herr Gregor, was für ein Mensch sind Sie?"

            Gregor verschwand und erschien splitternackt.

            "So einer, liebe Frau."


Die besten Kunden

            Der Primas Pepi Pfenigl spielte jeden Abend in einem Gasthaus. Ein Gast fragte ihn einmal:

            "Wo spielst du am liebsten , Pepi?"

            "Auf dem Friedhof, gnä` Herr."

            "Warum auf dem Friedhof?"

            "Gnä´ Herr, die Toten sind nie besoffen, und was ich für sie spiele, ist im Vorhinein bezahlt worden."


Die Prüfung

Der Primas Pepi Pfenigl meldete sich zur Aufnahmeprüfung in der Temeswarer Staatsoper und spielte herzergreifend und schön die Toselli-Serenade. Der Dirigent, George Pavel, legte ihm ein Notenblatt vor und forderte Pepi auf, prima vista zu spielen. Pepi Pfenigl stierte auf das Notenblatt, und schließlich flüsterte er dem Dirigenten zu.

"Herr Meister, pfeifen Sie es nur einmal vor, und ich kann es."


Aus: Hans Mokka "Das unerwartete Geschenk"


Redaktion: Balthasar Waitz