Gastbeitrag

Tourismusindustrie im Corona-Sog / Reisesperren lösen Kettenreaktion aus

Reiseleiter Benny Neurohr auf der Törzburg bei Bran

In guten Zeiten für den Tourismus: Reisegruppe bei einer Führung über den Temeswarer Domplatz. Fotos: privat

In schwierigen Zeiten greift man gerne auf alte Weisheiten zurück, zum Beispiel "Geduld bringt Rosen" und "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben". Und eine gehörige Portion Geduld, Durchhaltevermögen beziehungsweise Kunden, die bereit sind ihre Reisen aufzuschieben, braucht man, wenn man in diesen Zeiten im Tourismus tätig sein will.

Reisebranche reagiert sensibel

Wenn man die Corona-Pandemie mit einem militärischen Feldzug vergleicht, dann sind diejenigen, die im Tourismus tätig sind - Angestellte von Reiseagenturen, Gastgewerbe und Busunternehmen, Reiseleiter, mittelständische Unternehmer u.a. - sowas wie die Soldaten an vorderster Front. Jene, die die Geschichtsschreibung als Opfer der ersten Kampfhandlungen -  oft namentlich - festhält. Dabei sind wir schon einiges gewohnt. Im Tourismus tätig zu sein, heißt oft täglich Nachrichten lesen. Dreht Erdogan die Schraube in der Türkei noch etwas fester an, kommen noch weniger deutschsprachige Touristen nach Antalya und Istanbul. Schießt der Iran ein ukrainisches Passagierflugzeug ab, bricht die Nachfrage für den ganzen Nahen Osten ein. Vor allem Reisegäste aus entwickelten Ländern reagieren sensibel auf solche Nachrichten. Aber genau diese Reisenden werden gesucht. Denn sie haben die Mittel bessere Preise zu bezahlen. Mittelständische Unternehmer aus dem Banat reagieren oft darauf, indem sie sich breiter aufstellen. Es werden nicht nur Reisen ins Ausland für rumänische Touristen angeboten. Es werden vermehrt Reisen im Inland angeboten. Denn die rumänischen Staatsbürger haben lange nach der Wende ihr Heimatland beim Reisen übersehen. Zu lange durfte man in kommunistischen Zeiten nicht ins Ausland reisen. Ab 1990 und noch mehr nach dem EU-Beitritt 2007 hieß es, man müsse die Welt sehen. So kommt es, dass ausländische Touristen Rumänien zuerst entdeckt haben. Den Anfang machten Reisende aus Deutschland und Österreich. Siebenbürgen war das wichtige Ziel, das es wieder zu entdecken gab. Passend dazu, dass Hermannstadt im Jahre des EU-Beitritts europäische Kulturhauptstadt war. Danach besuchten deutschsprachige Touristen Ziele, die bereits in den 70-ern von den damaligen Behörden für ausländische Touristen geöffnet wurden: die Klöster der Bukowina, die Törzburg. Danach kamen Israelis als Touristen ins Land. Dann Spanier. Dann Russen. In den letzten Jahren entdeckten immer mehr Bulgaren das Nachbarland und tourten in Reisebussen nach Bukarest, ins südöstliche Siebenbürgen und Donaudelta. Paradoxerweise kennen ausländische Touristen, die mit einem kundigen Reiseleiter unterwegs waren, Rumänien oft besser als die Einheimischen. Deshalb bieten manche Reiseleiter in Temeswar neuerdings Stadtführungen für Temeswarer und Neu-Temeswarer an.

Rumänien war im Kommen. Profitierte von der politisch angespannten Lage im Norden Afrikas und Nahost. Profitierte davon, dass vielgereiste Rentner aus Deutschland, Österreich, Schweiz und Luxemburg bereits die ganze Welt gesehen hatten, nur offenbar Rumänien nicht. Davon, dass Rumäniens Nachbarn das Land für Reisen entdeckten. Und davon, dass ausgewanderte Rumäniendeutsche die alten sächsischen Kirchenburgen sehen wollten.

Banat - mit vielen Hürden

Und wo waren dabei das Banat und der Westen Rumäniens? Abgehängt und abgeschieden. Die geografische Position hat nicht geholfen. Große Incoming-Agenturen (also Reiseagenturen, die ausländische Touristen nach Rumänien bringen) entstanden vor allem in Bukarest und Hermannstadt. Und für eine Rundreise per Bus ab Flughafen Bukarest oder Hermannstadt sind das Kreischland und das Banat doch zu weit entfernt. Sogar der Süd-Westen Siebenbürgens leidet darunter. Die spektakuläre Burg Hunedoara hat viel weniger ausländische Besucher als die Törzburg, die jedes Jahr von über einer halben Million Gästen besucht wird. Lediglich Busreisende, die mit eigenen Bussen aus Österreich und Deutschland ihre Reise antreten, besuchen auch den Westen Rumäniens. Wenn Arad und Temeswar dies noch mit Wirtschaftstourismus ausgleichen, dann ist die Situation im malerischen Banater Bergland eine noch schlechtere. Das Riesenpotential zwischen Eisernem Tor und Reschitza liegt fast ungenutzt da. Immerhin gab es auch hier Hoffnung. Dass im nächsten Jahr, wenn das nahegelegene Temeswar europäische Kulturhauptstadt wird, ausländische Reisende den Ausflug ins nahe Banater Bergland wagen. Doch Corona mischt die Karten neu. Für Temeswar könnte die Pandemie als Ausrede herhalten. Oder als neue Chance das Projekt Kulturhauptstadt 2021 doch noch erfolgreich über die Bühne zu bringen.

Einbrüche in der gesamten Branche

Egal wie breit man sich aufstellt, für eine Pandemie ist man nicht breit genug. Das fühlen derzeit alle, die ihren Lebensunterhalt mit Tourismus verdienen. Viele werden staatliche Hilfe beantragen. Doch letztendlich hängen die wirtschaftlichen Überlebenschancen jedes Reiseunternehmens oder selbstständigen Reiseleiters von der Dauer der Pandemie und den damit verbundenen Reisebeschränkungen ab. In Rumänien dauert die Hauptreisesaison von Mai bis September. Mai und vermutlich Juni können wir bereits abschreiben. Wenn's schlimmer kommt, dann die ganze Reisesaison. Denn wenn der Inlandstourismus allein von den Bedingungen in Rumänien abhängt und man bei einer verbesserten Lage bereits im Inland reisen könnte, hängt der Incoming-Tourismus auch von den Bedingungen in den Herkunftsländern der Reisegäste ab. Grassiert Covid-19 zum Beispiel noch immer in Spanien, werden Reisende aus Spanien nicht nach Rumänien reisen dürfen, auch wenn das Reisen hier inzwischen sicher wäre. Das heißt, dass nur die Reiseagenturen, die in guten Zeiten ein Polster angelegt haben, eine längere Auszeit überstehen werden. Das könnte bei mittelständischen Unternehmen schwierig sein. Nicht alle werden es schaffen. Aber auch größere Agenturen werden Probleme haben. Weil diese Anfang der Saison bei Hotels in Vorkasse gehen müssen, um die Kontingente zu reservieren. Fordert man dieses Geld komplett zurück, gehen die Partner im Hotelgewerbe zugrunde.

Viele Menschen werden nach den Ausgangssperren wieder reisen wollen. Die vermisste Freiheit wieder ausnutzen wollen. Die Hoffnung ist, dass die für die erste Jahreshälfte geplanten Reisen nur aufgeschoben, nicht gekündigt werden. Die Prognose ist aber, dass sich die Reisetätigkeit nur langsam aufnehmen lassen wird, weil sich die Pandemie regional so unterschiedlich entwickelt. Und weil die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie dafür sorgen werden, dass nicht alle sofort die finanziellen Mittel für's Reisen haben werden. Aber sowohl für's Reisen als auch für die Erbringung der Dienstleistungen rund ums Reisen will eines vorausgesetzt sein: ein Mindestmaß an Gesundheit. Also bleibt uns nichts anders übrig, als gesund zu bleiben.