Vetter Klos und die französische Sprache

Die Triebswetterer waren über Jahre hinaus auch auf ihre Fußballmannschaft besonders stolz. Mitte der 1970er Jahre gelang dieser sogar der Sprung in die dritte Liga, was eine absolute Premiere für eine Dorfmannschaft in Rumänien darstellte. Auf dem Bild ist das Stadion im Jahr 2014 zu sehen. Archivfoto: Zoltán Pázmány

Eines Tages besannen sich einige Triebswetterer auf ihr angestammtes Franzosentum. Gewiss, das ist wahr: Ein Teil ihrer Ahnen kam aus Frankreich. Manche heißen auch heute noch Frekott und Tjebo andere Lafleur und Pierre- manche heißen sogar Minister. Aber Französisch können sie genauso gut wie Lateinisch. Zwar sagt man in Triebswetter, wenn einer in die Rinne gefallen ist, dass der in der Rigola liegt – aber das ist nicht schlimm, das ist heute ein ganz gutes schwäbisches Wort. Genauso französisch ist heute Mannequin. Früher zu Strassburg hieß so ein Geschöpf ja auch einmal Männeken. Nur wars damals eine Puppe. Heute manchmal auch.

Doch einerlei: Schwäbisch sagt man Sonn, Wasser und Erd- französisch heisst es soleil, sau und terre. Im Grunde genommen ist es dasselbe.

Eines schönen Tages, so erzählt man sich im Banat, wollte einigen Triebswetterern die schöne schwäbische Muttersprache nicht mehr gefallen: „Bringt uns einen französischen Lehrer ins Dorf“, sagten sie “damit unsere Kinder diese Sprache erlernen.“

So geschah es. Der Lehrer, ein feiner und sehr korrekter Mensch, erschien in der Schule, die Kinder standen artig auf, und nun sollte der Unterricht beginnen. Leider war das vorerst ein wenig schwierig: Die Kinder verstanden von dieser Weltsprache genauso viel wie ihre Eltern, und das war sozusagen gar nichts. Also, besser gesagt, kein Sterbenswörtchen. Dieser französische Lehrer war aber ein sehr geduldiger und ein pädagogischer Lehrer. Aus Erfahrung begann er mit den einfachsten Dingen von dieser Welt. Zuerst sollten die Kinder erfahren, wie sie auf Französisch hießen. Das war doch wichtig. Der Reihe nach rief er die Kinder auf, um ihre schwäbischen Namen in schöne französische Namen zu übersetzen.

„Wie heißen Sie?“ wandte er sich höchst pädagogisch an ein kleines Mädchen mit Zöpfen. In diesem Augenblick ging die Türe auf, und der Schuldiener, der wie fast alle Schuldiener Vetter Klos hieß, kam mit irgendeinem Zettel in der Hand in die Klasse.

Das Mädchen stand zögernd auf und sagte: “Ich heiße Bawi“. Das war schön, aber der französische Lehrer wusste schon, was er wusste. Er belehrte das Mädchen: „Sehr brav, Bawi. Von heute an heißen Sie Babette!“

Das nächste Kind machte ein ganz schuldiges Gesicht. Es stellte sich dem Vertreter der großen französischen Sprache  einfach als „Lissi“ vor. Es war nicht seine Schuld. Unser Lehrer kannte für alle eine passende Antwort. Er übersetzte dieses Schwabenkind sogleich in Lisette. Das war doch was ganz anderes. So wurde der Reihe nach aus der Anni eine Anette und aus der Marie eine Mariette und so weiter.

Da ließ der Vetter Klos die Hand mit seinem Zettel sinken und vergaß für einen Moment den respektierlichen Abstand zwischen ihm und einem französischen Lehrer.

Bedrückt sagte er: “Herr Lehrer – awer ich gelt, mecht halt doch liewer mei alte Name bhalle.“

Aus: Heinrich Lauer, Das große Tilltappenfangen, Jugendverlag Bukarest,1967

Redaktion: Balthasar Waitz