Vom Trüben des Karpfenteichs

Seit das Pleitemesser am Hals kratzt, wird es allmählich publik: mindestens seit vier Jahren weiß man, dass der rumänische Chemiegigant Oltchim – bekannter die Frauen-Handballmannschaft – mit einem Fuß im Grab steht und dass nur seine Aufspaltung in realprofitable KMU oder eine erfolgreiche Privatisierung ihn retten kann. Der Chef des Nachrichtendienstes SRI gab dieser Tage bekannt, dass sein Dienst gut 190 Berichte über die Lage bei Oltchim an „die Zuständigen“ geleitet hat. Warum hat der, ansonsten keine Gelegenheit zum Schaumschlagen auslassende, Präsident Băsescu dann geschlafen – oder mit seinem sehenden Auge drüber weggeschaut? Warum haben mindestens vier Regierungschefs – Popescu-T²riceanu, Boc, Ungureanu und Ponta (es begann schon beim Wodkasäufer Nicolae Văcăroiu und beim Goldzahnträger Radu Vasile)  – lieber Großkredite vermittelt oder Steuergeld ins Schwarze Loch gepumpt, statt Rettungsmaßnahmen einzuleiten? Warum haben die Volksvertreter des nördlichen Raums von Südrumänien – der so stark am Tropf von Oltchim hängt – in Parlament und Senat keinen Mucks getan, um auf die Lage aufmerksam zu machen?

Warum haben die Kommunalpolitiker ihre Beziehungen nicht zugunsten der Rettung von Oltchim spielen lassen? Und was haben die Gewerkschafter in dieser Zeit getan, außer auf ihre Einkommen und Pfründe zu achten? Meint man immer noch, ein Betrieb sei „zu groß, um pleitegehen lassen zu werden“, weil „zu viele Arbeitsplätze daran hängen“, als dass „es sich jemand leisten“ kann, Oltchim verrecken zu lassen?

Wie dem auch sei: der einzige Profiteur des Schlamassels ist der schmierige TV-Moderator und –Senderbesitzer Dan Diaconescu mit den ungepflegten Zähnen, der wohl in die neuere Geschichte eingehen wird mit seinen Geldsäcken („Die Säcke waren wirklich real“, kolportierte man mit echt rumänischem Humor, „was drin war, das waren vielleicht gutgemachte Geldscheinkopien.“) Es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass DD bei einem Wahlvolk, dem das Denken feindlich und wesensfremd ist, wirklich noch realisiert, was er voraussagt: einmal werde er Präsident dieses Landes („obwohl ich ziemlich häßlich bin und schlechte Zähne habe“). Denn für jene Zeit hat er ja bereits seit Langem paradiesische Zustände (u.a. 20.000 Euro für jeden Staatsbürger - für den Anfang) versprochen. Sein Gratiswahlkampf durch das OltchimSchlamassel war gelungen.

Bleibt die Frage, warum die ansonsten so ernst genommenen und als Sensationssache behandelten SRI-Berichte von niemand wahrgenommen wurden. Wenn sie schlecht waren und daneben gegangen sind – warum ist dann der SRI-Chef noch im Amt oder jene, die sie schrieben und avvisierten? Waren sie gut und zutreffend – warum haben sie dann alle Entscheidungsträger ignoriert und warum sind sie (teilweise) noch im Amt. Etwa die Wirtschaftsminister Adriean Videanu, Ion Ariton, Lucian Bode und Daniel Chiţoiu (plus alle ihre Vorgänger)? Und was hat der redewütige Cezar Preda als oberster Parlamentkontrolleur des SRI getan, außer dauernd die TV-Bildschirme von innen anzuhauchen?

Alle trugen sie dazu bei, dass der Karpfenteich durch Kompetenz-, Konsequenz-, Interessen-, Geist- und Intelligenzlosigkeit so getrübt wurde, dass ein primitiver Wilderer wie Dan Diaconescu sich drin erfolgreich hochfischen kann.