Wiederentdeckung der Nähe

Vergangenes Wochenende, sechs Wochen vor dem eigentlichen Termin, hat das Deutsche Staatstheater Temeswar (DSTT) sein 60. Gründungsjubiläum gefeiert. Unser Ex-Kollege Lucian Vărşăndan, seit 2007 Intendant dieses Theaters, das sich inzwischen den Ruf eines der experimentierfreudigsten Theater Rumäniens erarbeitet hat, bat mich, die Galavorstellung, für deren Regie Simona Vintilă zeichnete, simultan ins Rumänische zu Dolmetschen. Die „Dolmetscherkabine“ des DSTT verfügt über keine Kopfhörer. Man sitzt also linkerhand, hoch über dem Zuschauerraum und muss durch eine kleine Luke mit Schiebefenster in den Saal horchen – dessen Akustik ist, wie sie eben ist – und erfüllt schwerlich die erste Bedingung eines passablen Dolmetschens : erst mal hören, was in der anderen Sprache widergegeben werden soll.

Christel Ungar-Ţopescu, die mit der Moderation der zweistündigen Veranstaltung betraut war und sowohl als Sängerin als auch als improvisations- und anpassungsfreudige Entertrainerin auftrat, hatte mir eine Art Ablaufplan in die Hand gedrückt, ein Päckchen großgedruckte A4-Seiten. Das war eine Hilfe zum Simultandolmetschen. Schien mir aber nicht ausreichend. Frau Ungar-Ţopescu hatte mich gewarnt, sie werde sich keineswegs strikt ans Aufgeschriebene halten. Normal, bei einer auf Improvisation beruhenden Veranstaltung.

Ich ging also zur (einzigen) Probe, die vorher stattfand, Samstag am frühen Nachmittag. Simona Vintilă redete sich die Stimme heiser. Die Probe war um 15,15 Uhr aus. Ich hatte jetzt eine Ahnung davon, was am Jubiläumsabend geschehen wird: überwiegend Unterhaltungskost, flott vorgestellt und dargeboten, mit filmischen Einblendungen, filmischen und Fotoengrammen (der früh verstorbene ehemalige Schauspieler des DSTT hieß Victor, nicht Viorel Lache!), Ballett, Gesang, ein Monolog, live-Interviews mit Ehemaligen. Um 17 Uhr begann das Schminken, um 18,30 die Aufführung. Angenehm überrascht war ich, zu erleben, wie fließend die Galavorstellung abgespult wurde, trotz der richtig kargen Probezeit. Sie sind routiniert, diese jungen Schauspieler, dachte ich mir, wenn sie das wie nebenbei so hinkriegen. Profis.

Und ich erinnerte mich, wie Peter Schuch – der bei Gastspielen des „alten“ DSTT in Großsanktnikolaus Gast unserer Familie war – oft beim immer späten Abendessen und dem obligaten Glasl Wein danach ins Improvisieren kam und Lust zum Mitmachen weckte, zum Theaterspielen. Und ich dachte, was wäre, wenn das DSTT eine Zusammenarbeit mit den größeren Ortsforen initiieren würde und neuerlich eine solche Nähe zu „unseren“ Schauspielern suchte. Die von den Ortsforen vermittelt werden kann. Wenn denn beide Seiten es wirklich wollen.

Das Repertoire besteht heute nicht mehr aus Volksstücken und –belustigungen. Na und? Erklären kann man alles. Wenn es die Implizierten tun, die Schauspieler, im privaten Rahmen – was ist mehr Experiment?!

Und mehr Erfahrung - für Zuschauer und Schauspieler.