Zeit für Wolkenschieber

Am Sonntag ist der wohl verwirrendste Wahlkampf seit 1990 zu Ende gegangen. Mit einem Ergebnis, mit dem alle gerechnet haben: das linksliberale Bündnis USL hat die absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus und im Senat erzielt (wennauch die endgültigen Wahlergebnisse erst heute verkündet werden). Damit müsste eigentlich auch der Krieg aller gegen jeden beendet sein. Wenn Präsident Băsescu seine Intrigenneigung verdrängen kann und wenn er nicht die Karten zückt, die von den ihm unterstellten Geheimdiensten auf sein Geheiß bereitgehalten werden. Dass es Abhörprotokolle und auf Eis gelegte kompromittierende Dossiers gibt, die jederzeit zur Erpressung im Sinne des Präsidialwillens dienlich sind, daran zweifeln nur Naive.

Dass der Kantersieg der Linksliberalen noch mit einer Prise Ungarnverband nach rechts gerückt und europaverträglicher gemacht werden kann durch die Annäherung zur europäischen Volkspartei via UDMR, das ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits wird den USL-Kritikern – allen voran Hillary Clinton und Angela Merkel – wirkungsvoll ein Maulhalten suggeriert (auch durch die klare demokratische Legitimierung der USL mittels Wahl, denn an diesem Urnengang ist kaum etwas auszusetzen), andrerseits ist die Entscheidung zwischen Hinwendung zu Moskau (panische Warnung davor durch B²sescu) oder Westeuropa gefällt worden: selbst der bisherige und wohl, trotz B²sescu-Intrigen und -Widerstand, auch künftige Premier Victor Ponta hat am Wahlabend eine klare Erklärung zur „Bündnistreue“ in Richtung EU und Westeuropa abgegeben.

Seine Rede war nicht improvisiert, wie die der anderen Spitzenpolitiker, sondern vom Papier abgelesen, also vorbereitet und durchdacht – sollte man glauben.

Andrerseits aber kann ein Regierungsbündnis mit dem Ungarnverband sowohl ein Bündnis zwecks Supermacht im Staat - à la RKP in der Sozialistischen Republik Rumänien – und zu einer schrankenfreien Durchsetzung von Verfassungsänderungen, also Umknetung des Rechtsstaats sein (mittels konstruierter Zwei-Drittel-Mehrheit), als auch ein weiterer Schritt zur beharrlichen und gnadenlosen Durchsetzung der Sonderwünsche der Ungarn Rumäniens – wohlgemerkt: nicht mit allen anderen Nationalitäten als Mitbegünstigten. Denn selbst das Minderheitengesetz, das der Ungarnverband seit mehreren Regierungsbeteiligungen durchsetzen möchte, ist eher als ein pro domo-Gesetz angelegt als etwas, das alle Volksgruppen gleich behandeln sollte.

Zudem: der UDMR hat einen akuten Legitimierungsbedarf angesichts der Konkurrenzparteien, die László Tökes aufgebaut hat und die offen von B²sescu favorisiert wurden, zwecks (nationalistisch inspirierter) Spaltung der Ungarn Rumäniens.

In den neuen, jetzt demokratisch legitimierten politischen Höhen Rumäniens braut sich einiges zusammen. Nicht nur in den vier Parteien, die die USL bilden, oder in den möglicherweise fünf der Regierungskoalition. Auch der Minderheitenfraktion dürfte es sehr schwer fallen, nach Volkszählung und Wahlausgang am 9. Dezember einen starken Auftritt bei den Regierungsverhandlungen und den Verhandlungen mit der künftigen Regierung zu haben.

Aber die Wolkenschieber rumänischer Kuchlpolitik sind immer aktiv.