Zivilgesellschaft und soziale Arbeit

Deutsch-rumänische Konferenz brachte Experten zusammen

Bei der Konferenzeröffnung in der West-Universität: Gastgeberin Prof. Dr. Ana Muntean (2.v.r.) hieß die deutschen und rumänischen Experten willkommen. Foto: Zoltán Pázmány

Seit 2007 ist Rumänien Mitglied der Europäischen Union. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass das Land seine Transition von einer sozialistischen Gesellschaft zu einer demokratischen und zivilen Gesellschaft vollzogen hat. Zum Aufbau demokratischer Strukturen seien soziale Leitlinien und angemessene professionelle Maßnahmen nötig, sind sich Prof. Dr. Juliane Sagebiel von der Hochschule für Angewandte Sozialwissenschaften in München und Prof. Dr. Ana Muntean von der West-Universität in Temeswar/Timişoara einig. Soziale Arbeit wird in diesem Kontext als Instrument der Umsetzung der Sozialpolitik zu einer Notwendigkeit, um diesen Wandel voranzutreiben bzw. das Wohlergehen der Gesellschaft zu sichern.

Vor Kurzem fand an der Temeswarer West-Universität eine deutsch-rumänische Konferenz statt, die ihren Fokus auf „Zivilgesellschaft und soziale Arbeit“ richtete. Die Konferenz wurde von der Fakultät für Sozialassistenz an der West-Universität in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften München und mit Unterstützung der Hanns Seidel Stiftung veranstaltet. Der Bedarf einer solchen Konferenz hatte sich infolge der guten Zusammenarbeit zwischen den beiden Universitäten bei dem sogenannten PIN-Projekt ergeben, das im vergangenen Jahr in der Temescher Ortschaft Nadrag/N²drag stattfand (die BZ berichtete). Das PIN-Projekt sah vor, dass Studierende der West-Universität gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern aus Nadrag die Senioren aus dem ehemaligen Industrieort interviewen und somit eine Brücke zwischen den Generationen aufbauen.

Dabei lernten die Studierenden, was echte soziale Arbeit ist. „Unsere Ziele sind, dass wir der Öffentlichkeit die Forschungsergebnisse aus der sozialen Arbeit vorstellen, die zur Förderung der Zivilgesellschaft und des sozialen Wandels in der Gesellschaft beitragen, sowohl von rumänischer, als auch von deutscher Seite”, sagte Prof. Dr. Juliane Sagebiel aus München, die das PIN-Projekt koordiniert hatte. „Im Rahmen der Konferenz wird darüber diskutiert, welche Entwicklungen es in Richtung Zivilgesellschaft in Rumänien und in Deutschland gab, wir werden fragen, welche Ergebnisse zur Sozialpolitik es gibt, wie sich die Sozialpolitik in Rumänien und Deutschland entwickelt hat und was die aktuellen Herausforderungen an die Sozialpolitik in den beiden Ländern sind“, so Juliane Sagebiel.

Zur Konferenz reisten Experten aus Rumänien und Deutschland an, die ihre Erkenntnisse in Form von Referaten präsentierten. Die rumänischen und deutschen Teilnehmenden diskutierten über die Relevanz der Kenntnisse und Erfahrungen für zukünftige Entwicklungen und versuchten, aus den jeweiligen Best-Practice-Beispielen, die im Rahmen der Konferenz vorgestellt wurden, einiges zu lernen.  Mit dabei war auch Caritas-Geschäftsführer Herbert Grün, der den Anwesenden die Projekte des Caritasverbands im Banat vorstellte. Zu den Schlussfolgerungen, die nach Grüns Präsentation zum Ausdruck kamen, zählte auch die Tatsache, dass die Implikation des rumänischen Staates weitgehend gering ist im Vergleich zu der Entlastung, die die Caritas als Privatorganisation dem Staat bietet. Für Caritas-Geschäftsführer Herbert Grün sind Veranstaltungen wie die deutsch-rumänische Konferenz von großer Bedeutung. „Solche Treffen sind wichtig für beide Seiten. Einmal für die rumänische Seite, damit sie von der Geschichte und von der Praxis in Deutschland hören und lernen kann, aber auch für die deutsche Seite, damit sie sehen, dass man auch mit wenig Mitteln etwas machen soll oder muss“, sagte Herbert Grün.

Die Themen, die im Rahmen der Konferenz angesprochen wurden, waren vielfältig. Es ging im Grunde um Zivilgesellschaft und soziale Arbeit, wobei diesbezüglich sowohl die rumänische, als auch die deutsche Perspektive vorgestellt wurden. Diskutiert wurde auch über die Qualifikation der Sozialarbeiter, die den Wandel in der Gesellschaft professionell mitgestalten müssen, über Gemeinwesenarbeit als Arbeits- und Handlungsprinzip der sozialen Arbeit, über die sozialen Probleme von Frauen, und vieles mehr.

Einen Workshop zur internationalen Arbeitseinteilung im Bereich „Pflege“/“Care“ hielt Prof. Dr. Maria Rerrich, die sich mit dem Thema Arbeitsmigration befasste. Rerrich hatte in einer Banater Gemeinde, in der das Problem der Arbeitsmigration besonders brisant ist, eine Studie durchgeführt. „Ich finde es interessant, auf solchen Konferenzen insbesondere im Ausland zu sein, nicht nur wegen den wissenschaftlichen Vorträgen auf hohem Niveau, sondern auch wegen den menschlichen Begegnungen und der Auseinandersetzung mit den Kollegen“, sagte Maria Rerrich.

Erklärtes Ziel der Konferenz war auch die Vernetzung. Durch die Kontakte, die sich infolge der Konferenz herausbildeten, kam ein deutsch-rumänisches Expertennetzwerk für den Bereich der Entwicklung des Gemeinwesens zustande. Eine Publikation soll alle wissenschaftlichen Arbeiten, die im Rahmen der Konferenz vorgestellt wurden, beinhalten.