Ältester Kronstädter Geburtsbrief 500 Jahre alt

Er wurde für Paulus Urselen aus Brenndorf ausgestellt

Es war am Samstag, dem 24. Dezember 1513, als die wohlweisen und fürsichtigen Mitglieder des Kronstädter Stadtrates unter dem Vorsitz des Stadtrichters Johannes Benkner im Rathaus auf dem Marktplatz zur letzten Sitzung ihrer Amtszeit zusammenkamen. Denn am folgenden Montag sollte die Wahl des neuen Stadtrates stattfinden. (Damals hatte der Ratshausturm aber noch nicht seine heutige Höhe, die erhielt er erst 15 Jahre später. Und das Rathaus erhielt seine heutige Gestalt erst im 18. Jh.).

Aus dem Stadtviertel Portica (Purzengasse) kamen die Herren Johannes Groman, Georgius Schrefft, Johannes Tartler und Martin Kreuz, aus dem Stadtviertel Petri (Südseite der Klostergasse) waren es die Ratsherren Nikolaus Kemmel, Petrus Taschner, Anthonius Goldschmied und Stephan Blose. Das Katharinenviertel (Nordseite der Klostergasse) war durch Johannes Kylhaw, Petrus Engel, Magister Paulus Burger – den früheren Stadtnotar – und Lucas Sartor (= Schneider ) vertreten. Aus dem Stadtviertel  Corpus (Waisenhausgasse) waren die Ratsherren Mattheus Funifex (=Seiler), Lucas Czeresch, Clemens Weyrauch und Jacobus Sartor (=Schneider).

Als Schriftführer wirkte Magister Nicolaus Pictor von Schäßburg, der seit 1505 Kronstädter Stadtnotar war. Er hatte ab 1488 in Wien studiert und dort 1497 den Magistertitel erworben.

Einer der Punkte der Tagesordnung war das Ansuchen des Paulus Urselen  aus Brenndorf, ihm einen Geburtsbrief auszustellen, um sich in der damals oberungarischen Stadt Eperjesch (heute Presov in der Slowakei) niederlassen und das dortige Bürgerrecht erwerben zu können. Leider kennen wir die näheren Umstände und Gründe nicht, aber wahrscheinlich war er als Handwerksgeselle auf der Wanderschaft nach Eperjesch gekommen, hatte sich dort verliebt und wollte heiraten und weiter dort arbeiten in seinem Handwerk, das aber in der Urkunde nicht genannt wird.

Damit diese für ihn wichtige Urkunde ausgestellt werden konnte, brachte der Gesuchsteller den Hann oder Ortsvorsteher von „Brengdorff“ (= Brenndorf), namens Martin Gahaß (?), die Geschworenen Petrus Danczners, Servatius Schneiders und die gesamte Altschaft von Brenndorf nach Kronstadt, weil Brenndorf zum Kronstädter Gerichtssprengel gehörte.  Vor dem Kronstädter Stadtrat bezeugten sie, dass der Gesuchsteller ehrlich und ehelich geboren sei. Seine Eltern waren der verstorbene Petrus Urselen und seine Frau Katharina. Eben so bezeugten die Brenndorfer, dass Paulus Urselen oder Brenndorfer einen guten Leumund hatte und sich stets sittsam und tugendsam verhalten hatte, also durchaus ein empfehlenswerter Mensch war.

Der Wichtigkeit der Urkunde entsprechend, wurde sie vom Stadtnotar auf ein Pergamentblatt geschrieben und mit einem so genannten bedeckten Siegel der Stadt Kronstadt beglaubigt, das mit einem Pergamentbandkreuz zusätzlich befestigt war.
Das große Stadtsiegel hat die Umschrift:  + S + CIVIUM + DE + CORONA + CIVI(TATE), also etwa: „Siegel der Bürger von Kronen der Stadt“ und hat einen Durchmesser von 43 mm.
Die Urkunde gelangte in die oberungarische Stadt Eperjesch und der Geburtsbrief wurde ins Stadtarchiv hinterlegt und aufbewahrt. Eine Fotokopie davon wurde vom Ungarischen Landesarchiv in Budapest gemacht und konnte dort von uns eingesehen und abgeschrieben werden. In der Veröffentlichung der Dorfgemeinschaft der Brenndörfer „Briefe aus Brenndorf“ 25. Jahrgang, 49. Folge, Pfingsten 2000, wurde erstmals eine Übersetzung aus dem Lateinischen und ein Bild der Urkunde veröffentlicht.

Heuer ist es ein halbes Jahrtausend her, seitdem diese Urkunde ausgestellt wurde, die unseres Wissens das älteste bekannte  in Kronstadt geschriebene Geburtszeugnis ist und zu den ältesten in ganz Siebenbürgen gehört. Das schien uns Anlass genug, sie auch einer breiteren Leserschaft zugänglich zu machen.

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1513 Dezember 24, Kronstadt

Wir Richter und geschworne Bürger der Stadt Kronstadt machen bekannt durch gegenwärtigen (Brief) allen und jeden denen es gebührt, daß der weise und fürsichtige Paulus Brengdörffer vor uns erschienen ist und bat, ihm einen Zeugnisbrief seiner Geburt oder Herkunft auszustellen und zu geben. Weil wir seine Bitte als ehrlich und geziemend betrachten, wollten wir und sind bereit, ihm und jedem, der Geziemendes bittet, zu willfahren.
Weswegen dieser Paulus in unsere Gegenwart brachte zu mehrerer Gewißheit die weisen und klugen Männer Martinus Gahaß (?), Hann, Jacobus Cloeß, Petrus Danczners, Servatius Schnyders und die gesamte Altschaft der Besitzung Brengdorff, die bei ihren Gewissen und bei ihren Seelen – die sie Gott schuldig sind – bekannten und erklärten, daß der vorgedachte Paulus ehrlich und ehelich von beiden Eltern geboren und gezeugt sei, nämlich vom Vater Petrus Urselen, seligen Andenkens, und der Mutter Katherina, jetzt noch lebend, deren Ruf ohne den Makel der Unsittlichkeit zwischen ihnen und bei uns stets gelobt und erhoben wurde und heutigen Tages (noch) besteht. Außerdem lebte der besagte Paulus inzwischen unter ihnen und bei uns stets ehrlich, und führte sich auf und hielt sich redlich und tugendsam, so daß wir verstanden haben, daß ihm kein Verbrechen der Unehrlichkeit zugeschrieben oder angehängt werden kann. Also bitten wir alle Bürgermeister, Richter und geschworene Amtsträger jeden Standes und (alle) Bürger, daß diesem Paulus, weil er sich nun wegen weiterer Beschaffung der Lebensmittel und der Liebe zu eurer Vaterstadt in Eure Stadt sich gewendet hat und sich so (ihr) unterworfen hat, (daß) ihr (ihm) gestattet und erlaubt, alle Ehre, Gunst, Freiheit und Freundschaft, derer sich eure Einwohner, Bewohner und Bürger erfreuen, zu genießen, zu benützen und sich ihrer zu erfreuen.  In gleicher Weise wollen wir und versprechen wir, euren Menschen in ähnlichen (Fällen) zu vergelten und zu gefallen. Zum Zeugnis dieser Dinge haben wir beschlossen, ihm gegenwärtigen Brief mit unserem größeren Siegel (bekräftigt) auszustellen. Gegeben zu Kronstadt, am Vorabend (=Vortag) der Geburt unseres Herrn Jesus Christus, im tausendfünfhundert dreizehnten Jahr nach dessen Geburt.