Das „Füreinander“ und „Gegeneinander“ in Heinrich Zillichs Roman „Zwischen Grenzen und Zeiten“ (I)

In der heutigen Zeit der Globalisierung sind Termini wie: Identität, Alterität, Interferenz, Interkulturalität, Multikulturalismus etwas Alltägliches geworden. Das Eigene wird dem Fremden (Alteritären) gegenübergestellt, so dass es dann erst als Ganzes definiert werden kann. Gehört dieser Zustand im 21.Jahrhundert zur Normalität, so war das vor hundert Jahren als globales Erscheinungsbild schwer vorstellbar. Trotzdem gab es in Siebenbürgen Anfang des 20. Jahrhunderts diesen offenen Geist, das Andere zu akzeptieren, mit ihm zu interferieren. In einem geographischen Raum, in dem sich Vertreter mehrerer Völker gegenseitig beeinflussen, und somit den Fortschritt herbeigeführt haben, ist die Idee eines vereinten Europas, ja sogar einer Europäischen Union auf einer kleinen Ebene, dank einiger offenen Geister möglich geworden. Ein solcher Geist ist auch der Publizist und Autor Heinrich Zillich gewesen, der sich Anfang der 20er-Jahre bemüht hat, die Literatur einer Minderheit der großen Literatur Europas anzugleichen. Durch seine Bemühungen auf publizistischem Gebiet hat er sich erfolgreich von der bis dahin existierenden Heimatliteratur losgelöst und es ist ihm gelungen, eine Brücke zwischen Rand und Zentrum zu schlagen. Meines Erachtens muss man den historischen Hintergrund, der die Stellung der siebenbürgischen Schriftsteller in dieser historisch kontroversen Zeit beeinflusst hat, genauestens kennen. So kann man sich danach eine, so weit wie möglich, objektive Meinung zum literarischen Schaffen der Vetreter rumäniendeutscher Literatur in der Periode 1930-1940 bilden.

Heinrich Zillichs Verdienste im Bereich der Publizistik, Prosa und Lyrik sollen ihm nicht streitig gemacht werden. Sein Beitrag zur Entwicklung einer im gesamtdeutschen Raum bekannten Literatur, die aus dem auslanddeutschen Raum stammt, muss ihm anerkannt werden. Durch sein Wirken an der Zeitschrift Klingsor hat er den siebenbürgisch-deutschen, rumänischen, ungarischen und jüdischen Dichtern und Autoren die Möglichkeit gegeben, in Siebenbürgen aber auch im binnendeutschen Sprachraum bekannt zu werden. Seine Werke sind sowohl vom literarischen, als auch vom dokumentarischen Wert her sehr bedeutend. Die Darstellung des siebenbürgischen Lebens, ja mehr als das, der siebenbürgischen Seele, die Zillich in seinem gesamten Werk verfolgt, lassen uns heute den komplexen Mikrokosmos Siebenbürgen aus der Sicht eines Siebenbürgers betrachten.

Im Falle des multikulturellen Gebietes Siebenbürgens hat es laut St. Sienerth bestimmte Rahmenbedingungen gegeben, die sich auf die „Mentalität ihrer Träger und Nutznießer“ wie auch auf die literarischen Themen und Formen ausgewirkt haben. Somit wurde das Bild der Literatur von der Region Siebenbürgens mitbestimmt, wobei die größte Rolle der deutschen Sprache zukam, da durch „die Enge des Kommunikationsfeldes“ (Sienerth, Stefan: Kritische Texte zur siebenbürgisch-deutschen Literatur. Verlag Südostdeutsches Kulturwerk, München, 1996, S.320) beeinflusst wurde.
St. Sienerth spricht von „Rand- und Inselsituation“, von „Eigentümlichkeit und Orientierungsschwierigkeit“, aber auch vom „Bewusstsein der regionalen und überregionalen Zugehörigkeit“ im Falle der siebenbürgisch-deutschen Literatur.
Peter Motzan ermahnt ebenfalls zu der Wahrnehmung der Minderheitenliteraturen „in ihrer Verflechtung mit regionaler Kultur- und Sozialgeschichte“ und weist auf „die vorherrschende Rolle der politischen Geschichte in ihrem Entstehungs- und Wirkungszusammenhang“.  (Motzan, Peter: Die Szenarien des Randes: Region, Insel, Minderheit. Die deu-tsche(n) Literatur(en) in Rumänien nach 1918 – ein kompilatorisches Beschreibungsmodell. In: Grunewald, Eckhard; Sienerth, Stefan (Hg.): Deutsche Literatur im östlichen und südöstlichen Europa. München: Südostdeutsches Kulturwerk, 1997, S.85)

Die siebenbürgisch-deutsche Literatur ist also deutlich von den geschichtlichen und den politischen Gegebenheiten geprägt worden, so dass es leicht nachzuvollziehen ist, warum diese Literatur in der Geschichte, aber auch in der Politik verankert ist und somit eine typische Minderheitenliteratur  genannt werden kann. Der bekannteste Roman Heinrich Zillichs ist „Zwischen Grenzen und Zeiten“, darin stellt er spezifische Aspekte des siebenbürgisch sächsischen Volkes, aber auch der anderen mitwohnenden Ethnien, wie Rumänen, Ungaren und Zigeuner dar. Das Hauptaugenmerk richtet er dabei auf die gegenseitige Wahrnehmung und die kulturellen Interferenzen. Zillich muss in enger Beziehung zur multikulturellen Struktur der siebenbürgischen Gesellschaft, aus der er stammte, gesehen werden.

Dr. Gabriela Adam